VwGH vom 22.02.2013, 2011/02/0271
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Ing. K. in W., vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/S/14/2019/2010-11, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, vom bezieht (Übertretung des § 35 Abs. 1 Z. 1 und 2 i. V.m. § 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich des Spruchpunktes 1 des vorgenannten Straferkenntnisses vom für schuldig befunden, er habe als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der als Arbeitgeber fungierenden H.-AG mit Sitz in W. zu verantworten, dass in der näher genannten Arbeitsstätte dieser Gesellschaft am an der Druckmaschine M. Arbeitsvorgänge durchgeführt worden seien und die Maschine unter Bedingungen benutzt worden sei, die vom Hersteller nicht vorgesehen gewesen und die in der geltenden Betriebsanleitung des Herstellers nicht vorgesehen seien.
Er habe dadurch eine Übertretung von § 130 Abs. 1 Z. 16 i. V.m. § 35 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 ASchG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Das erstinstanzliche Straferkenntnis vom hat die belangte Behörde hinsichtlich des Spruchpunktes 2 (Übertretung des § 4 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 2 und § 130 Abs. 1 Z. 5 ASchG) aufgehoben und das Verfahren hiezu gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
Gegen diesen Bescheid, soweit er Spruchpunkt 1 des vorgenannten Straferkenntnisses vom betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, die belangte Behörde führe im Spruch nicht aus, welche konkrete Tat sie als erwiesen angenommen habe. Der Vorwurf der Behörde sei damit weder überprüfbar, noch könne sich der Beschwerdeführer ordnungsgemäß rechtfertigen. Auch sei der Beschwerdeführer aufgrund des mangelhaften Spruches nicht vor wiederholter Verfolgung wegen derselben Tat geschützt, die bloße Anführung des reinen Gesetzeswortlautes im Spruch entspreche nicht dem § 44a VStG. Welcher konkrete Arbeitsvorgang nach Ansicht der belangten Behörde vom Hersteller nicht vorgesehen sei, sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Damit fehlten die als erwiesen anzunehmende Tat und die erforderliche Konkretisierung des Tatbildes.
§ 35 Abs. 1 ASchG lautet:
"(1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:
1. Arbeitsmittel dürfen nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind.
2. Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln sind die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten.
3. Arbeitsmittel dürfen nur mit den für die verschiedenen Verwendungszwecke vorgesehenen Schutz- und Sicherheitseinrichtungen benutzt werden.
4. Die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen sind bestimmungsgemäß zu verwenden.
5. Arbeitsmittel dürfen nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind."
Der Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses hat gemäß § 44a Z. 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei genügt es nicht, sich bei der Umschreibung der Tat (abgesehen von der Angabe der Tatzeit und des Tatortes) auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken, weil dieses essenzielle Erfordernis durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0149, m.w.N.).
In einem Strafbescheid muss die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen werden, dass er sowohl in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Vorwurf zu widerlegen, als auch davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom , m.w.N.).
Mit der (von der belangten Behörde unverändert gelassenen) allgemeinen Spruchformulierung "die Maschine unter Bedingungen benutzt worden sei, die vom Hersteller nicht vorgesehen gewesen und die in der geltenden Betriebsanleitung des Herstellers nicht vorgesehen seien" wird lediglich der Gesetzeswortlaut einzelner Übertretungen nach § 35 Abs. 1 Z. 1 bzw. Z. 2 ASchG wiedergegeben. Eine nähere Konkretisierung, welches Verhalten eines Arbeitnehmers der H.-AG zu einer Benützung dieser Maschine unter Bedingungen geführt hat, die vom Hersteller nicht vorgesehen waren und die in der Betriebsanleitung des Herstellers nicht vorgesehen sind, und gegen welche Bedingungen bzw. Bestimmung der Betriebsanleitung dadurch verstoßen wurde, ist diesem Spruch nicht zu entnehmen.
Der angefochtene Bescheid war daher im dargelegten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weshalb es sich auch erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am