VwGH vom 19.05.2011, 2008/21/0336

VwGH vom 19.05.2011, 2008/21/0336

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl. 2Fr-313-1/07, betreffend Versagung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Kosovo und reiste am nach Österreich ein. Er stellte hier einen Asylantrag, der mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen wurde. Das Bundesasylamt stellte allerdings unter einem fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen (damaligen) Herkunftsstaat, die BR Jugoslawien, gemäß § 8 Asylgesetz 1997 nicht zulässig sei. Im Hinblick darauf wurden dem Beschwerdeführer befristete Aufenthaltsberechtigungen zuerkannt, zuletzt eine solche als subsidiär Schutzberechtigter mit Gültigkeit bis .

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Fremdenpasses. Mit dem nunmehr bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) diesen Antrag gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Antrag des Beschwerdeführers war auf § 88 Abs. 1 Z 6 FPG gestützt. Diese Bestimmung lautete - in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 - wie folgt:

"Ausstellung von Fremdenpässen

§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

6. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten.

…"

Für Fremde, die wie der Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehaben, ist im gegebenen Zusammenhang außerdem Art. 25 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: RL) von Relevanz. Der genannte Artikel hat nachstehenden Wortlaut:

"Reisedokumente

(1) Die Mitgliedstaaten stellen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente aus, mit denen sie reisen können, zumindest wenn schwerwiegende humanitäre Gründe ihre Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen."

Die belangte Behörde hat im Ergebnis richtig erkannt, dass die einleitende, auch auf die Z 6 zu beziehende Einschränkung des § 88 Abs. 1 FPG, den Fremdenpass nur auszustellen, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, in Ansehung des hinreichend bestimmten und ein subjektives Recht einräumenden Art. 25 Abs. 2 der RL, der eine derartige Einschränkung nicht vorsieht und bereits bis zum umzusetzen war, gemeinschaftsrechtswidrig ist und daher in den Fällen des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG unangewendet zu bleiben hat (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0601; vgl. nunmehr in diesem Sinn ausdrücklich § 88 Abs. 2 Z 2 FPG in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009). Die belangte Behörde vertrat allerdings die Auffassung, dass keine besonderen Umstände vorlägen, die die Ausstellung eines Fremdenpasses für den Beschwerdeführer nahelegen würden. Damit brachte sie erkennbar zum Ausdruck, dass es an dem in § 88 Abs. 1 Z 6 FPG normierten - auch in Art. 25 Abs. 2 der RL angesprochenen - Tatbestandsmerkmal der "humanitären Gründe" mangle.

In der Beschwerde wird dem entgegengehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit bereits fast zehn Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte und hier sowohl beruflich als auch privat vollständig integriert sei; in Österreich lebten nicht nur der Großteil seiner Freunde und Bekannten, sondern auch seine Lebensgefährtin und der am geborene gemeinsame Sohn, die Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina seien und über einen Aufenthaltstitel nach dem NAG verfügten; der Beschwerdeführer sei seit Jahren legal und zur vollsten Zufriedenheit seiner jeweiligen Arbeitgeber erwerbstätig und sei unbescholten. Mangels eines gültigen Reisedokuments könne er weder ins Ausland auf Urlaub fahren noch Verwandte im Ausland besuchen, ja nicht einmal kurzfristig zum Einkaufen ins benachbarte Ausland reisen; es sei ihm auch nicht möglich, mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn ins Ausland zu verreisen, um etwa deren in Bosnien-Herzegowina lebenden Verwandte zu besuchen.

Mit diesem Vorbringen spricht der Beschwerdeführer allerdings lediglich das allgemeine Interesse an Reisebewegungen ins Ausland und am Erhalt von diese ermöglichenden Dokumenten an. Humanitäre Gründe, die im Sinn des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG seine Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern würden, tut er damit jedoch nicht dar. Die Ansicht der belangten Behörde, er erfülle das erwähnte Tatbestandsmerkmal der "humanitären Gründe" nicht, begegnet daher keinen Bedenken.

Auch der Hinweis auf eine Schlechterstellung im Vergleich zu Personen, denen in Österreich der Status eines Asylberechtigten zukommt - ihnen ist gemäß § 94 Abs. 1 FPG ohne weitere Voraussetzungen ein Konventionsreisepass auszustellen - erweist sich als nicht zielführend. Es ist nämlich schon durch die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 grundgelegt, dass den - spezifischen Verfolgungsgefahren im Sinn des Art. I Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzten - Asylberechtigten gegenüber "nur" subsidiär Schutzberechtigten, die grundsätzlich lediglich ein vorübergehendes Einreise- und Aufenthaltsrecht in Österreich haben (§ 2 Abs. 1 Z 16 AsylG 2005; siehe im Gegensatz dazu die auf Dauer angelegte Rechtsstellung von Asylberechtigten nach § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005), eine privilegierte Position zukommt. Das entspricht auch dem Konzept der RL, die - vorbehaltlich von Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung - in Art. 25 Abs. 1 für Asylberechtigte ein nicht an weitere Voraussetzungen geknüpftes Recht auf Ausstellung von Reiseausweisen vorsieht, während sie es in Abs. 2 dieses Artikels zulässt, dass subsidiär Schutzberechtigte nur dann Reisedokumente erhalten, wenn "schwerwiegende humanitäre Gründe ihre Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern". Es ist einzuräumen, dass Art. 25 Abs. 2 der RL insoweit (arg.: "zumindest") bloß einen Mindeststandard vorgibt, dem von den Mitgliedstaaten jedenfalls zu entsprechen ist. Dass Österreich über diesen Mindeststandard nur geringfügig hinausgegangen ist, indem § 88 Abs. 1 Z 6 FPG schlichtweg "humanitäre Gründe" fordert, kann aber nicht als richtlinienwidrig erkannt werden.

Wenn der Beschwerdeführer weiter eine Schlechterstellung gegenüber solchen Personen, die über einen Aufenthaltstitel nach dem NAG verfügen, ins Treffen führt, so ist das - weitere Ausführungen dazu unterbleiben in der Beschwerde - schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil § 88 Abs. 1 FPG die Ausstellung eines Fremdenpasses grundsätzlich daran knüpft, dass dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Hievon ist nur (siehe oben) im Fall von subsidiär Schutzberechtigten eine Ausnahme zu machen, was allerdings keine Schlechterstellung, sondern eine Begünstigung darstellt und den Tatbestand des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG mit den anderen Fällen des § 88 Abs. 1 FPG, soweit sie überhaupt für Besitzer von Aufenthaltstiteln in Betracht kommen, von vornherein nicht vergleichbar macht.

Auch aus dem Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 30 Abs. 5 FPG für die Rechtmäßigkeit einer Einreise nach Österreich keines Visums bedürfen, lässt sich für den Beschwerdeführer entgegen seiner Ansicht nichts gewinnen.

Wie bereits ausgeführt, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das in § 88 Abs. 1 Z 6 FPG aufgestellte Erfordernis der "humanitären Gründe" als nicht erfüllt erachtete. Für die vom Beschwerdeführer unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ergänzend angesprochene - und vermisste - Ermessensübung bleibt angesichts des Fehlens dieses Tatbestandselements dann aber kein Raum.

Insgesamt vermögen die Beschwerdeausführungen somit keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am