VwGH vom 19.03.2013, 2011/02/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281316/13/Kl/Pe, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (mitbeteiligte Partei: L. in S., vertreten durch Dr. Herbert Rankl und Dr. Herbert Hubinger, Rechtsanwälte in 4563 Micheldorf, Hauptstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Eingabe vom teilte die W.-GmbH dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten die Bestellung von 7 näher genannten Mitarbeitern als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 VStG mit.
U.a. wurde der Mitbeteiligte gemäß Pkt. I der am unterfertigten Urkunde als verantwortlicher Beauftragter der W.- GmbH im Sinne des § 9 VStG für den Unternehmensbereich "Holzbau/Hallenbau" bestellt. Ergänzend wurde in diesem Punkt ausgeführt, dass der Mitbeteiligte leitender Angestellter sei und in dem ihm zugewiesenen Unternehmensbereich über eine entsprechende selbständige Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG verfüge.
Unter Punkt III dieser Bestellungsurkunde wurde Folgendes ausgeführt:
"Der verantwortliche Beauftragte ist in seinem Zuständigkeitsbereich gemäß Pkt. I für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, insbesondere aller Arbeitnehmer(schutz)vorschriften (Kfz-Werkstättenbetrieb) sowie verkehrsrechtlichen Vorschriften (StVO, KFG etc.) österreichweit verwaltungsrechtlich verantwortlich und nimmt zur Kenntnis, dass er bei Verstößen gegen diese Vorschriften von den Verwaltungsbehörden zur Verantwortung gezogen werden kann.
Infolge Bestellung zum Abfallbeauftragten gem. § 11 AWG 2002 wird die Verantwortlichkeit gem. § 9 VStG insoweit eingeschränkt, als dies gem. § 11 Abs. 4 AWG 2002 erforderlich ist. Den verantwortlichen Beauftragten trifft daher keine Verantwortlichkeit für die Einhaltung von abfallrechtlichen Vorschriften."
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft G. vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 VStG verantwortlicher Beauftragter für den Bereich Holzbau/Hallenbau der W.-GmbH mit Sitz in S. strafrechtlich zu verantworten, dass bei einer am durchgeführten Erhebung auf einer näher genannten Baustelle durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten drei näher genannte Übertretungen von arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften festgestellt wurden, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Bestellung des Mitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten per entspreche den gesetzlichen Anforderungen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht. Es werde zwar eine Zuständigkeitseinteilung für den Holzbau/Hallenbau vorgenommen; es sei aber die weitere Definition des Zuständigkeitsbereiches ident mit vier weiteren Bestellungen zum verantwortlichen Beauftragten, ebenfalls datiert mit . Insbesondere falle auf, dass sowohl im Zuständigkeitsbereich des Mitbeteiligten als auch der weiteren vier bestellten verantwortlichen Beauftragten insbesondere die Verantwortlichkeit für Arbeitnehmerschutzvorschriften mit dem Zusatz Kfz-Werkstättenbetrieb sowie für verkehrsrechtliche Vorschriften wie StVO, KFG etc., und zwar österreichweit definiert sei. Dies sei insbesondere deshalb zweifelhaft und unklar, weil ein gesonderter verantwortlicher Beauftragter für den Kfz-Werkstättenbetrieb mit einem gleich definierten sachlichen Zuständigkeitsbereich bestellt sei, sodass sich hier die Unklarheit und Frage ergebe, wer tatsächlich für den Kfz-Werkstättenbetrieb bzw. den Arbeitnehmerschutz verantwortlich sei. Gleiches ergebe sich für die verkehrsrechtlichen Vorschriften. Hier scheine es eine Überschneidung von Zuständigkeiten zu geben. Darüber hinaus sei auch die sachliche Zuständigkeit des verantwortlichen Beauftragten für Haus- und Kellerbau ident formuliert mit dem Zuständigkeitsbereich des Mitbeteiligten. Auch hier könne es zu Überschneidungen im Sinne der Bestellungsurkunde kommen, weil auch der Hausbau in Holzbauweise durchgeführt werden könne.
Aus all diesen Gründen entspreche daher die Bestellung des Mitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 9 VStG, sodass diese Bestellung nicht wirksam geworden sei und daher gemäß der allgemeinen Bestimmung des § 9 Abs. 1 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der nach außen vertretungsbefugten Organe der W.-GmbH gegeben sei. Es sei daher das Straferkenntnis mangels der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die Bestellungsurkunden würden sich voneinander (abgesehen von den Personendaten) in den in Punkt I genannten unterschiedlichen Unternehmensbereichen unterscheiden, während Punkt III in mehreren Bestellungsurkunden identisch formuliert sei. Aus dieser identischen Formulierung des Punktes III leite die belangte Behörde ab, dass eine Überschneidung von Zuständigkeiten gegeben zu sein scheine. Sie übersehe dabei allerdings, dass dieser Punkt III jeweils ausdrücklich auf den "Zuständigkeitsbereich gemäß Punkt I" eingeschränkt sei. Punkt III sei daher jeweils nur in Verbindung mit diesen unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen zu verstehen und habe somit - trotz gleichlautender Formulierung - je nach Unternehmensbereich - einen völlig unterschiedlichen Inhalt.
Das vorliegende Verfahren betreffe Holzbau-Montagearbeiten zur Erstellung des Dachstuhles eines neu zu errichtenden Hallengebäudes. Dass diese Arbeiten dem Unternehmensbereich "Holzbau/Hallenbau" (und nicht etwa den Unternehmensbereichen "Fertighaus", "Metallbau", "Behälterbau", "Fundamentbau", "Elektro-Werkstättenbetrieb" oder "Kfz-Werkstättenbetrieb") zuzurechnen seien, scheine offenkundig. Es stehe somit außer Zweifel, dass für diesen Unternehmensbereich der Mitbeteiligte gemäß Punkt I der betreffenden Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten bestellt gewesen sei.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde gehe nach Auffassung des beschwerdeführenden Bundesministers aus der Urkunde die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung für die verfahrensgegenständlichen Verwaltungsvorschriften an den Mitbeteiligten klar und eindeutig hervor. Auch der Mitbeteiligte selbst habe in keinem Stadium des Verfahrens seine Verantwortung für die Einhaltung der konkreten übertretenen Vorschriften bestritten oder auch nur in Frage gestellt.
Wenn sich, wie die belangte Behörde ausführe, die Frage ergeben könnte, wer tatsächlich für den Kfz-Werkstättenbetrieb verantwortlich sei, so sei dazu festzustellen, dass diese Frage im vorliegenden Verfahren irrelevant sei. Hingegen sei die Frage, wer tatsächlich für den Arbeitnehmerschutz (im jeweiligen Unternehmensbereich) verantwortlich sei, aufgrund der Bestellungsurkunden klar und zweifelsfrei zu beantworten. Die belangte Behörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte infolge mangelnder Rechtswirksamkeit seiner Bestellung für die vorgeworfenen Übertretungen nicht verantwortlich sei.
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Nach § 9 Abs. 3 VStG kann eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.
Gemäß § 9 Abs. 4 erster Satz VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0470, unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zu § 9 Abs. 4 VStG ausgeführt, dass eine eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlass gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches nur dann vorliege, wenn für die in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit "immer nur eine von vornherein feststehende Person" in Betracht komme. Die unterscheidungslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich sei daher nicht rechtswirksam.
Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann ein verantwortlicher Beauftragter nur eine Person sein, der u.a. für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Daraus ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0300, m.w.N.).
Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt werden, dass kein Zweifel an deren Inhalt entsteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/03/0065).
Im vorliegenden Beschwerdefall liegt hinsichtlich der Bestellung des Mitbeteiligten als verantwortlicher Beauftragter für den Bereich der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften für den Unternehmensbereich "Holzbau/Hallenbau" eine klar abgrenzbare Bestellungsurkunde vor. Dies ergibt sich aus der schon in Punkt I der Urkunde erfolgten Umschreibung des sachlichen Verantwortungsbereiches des Mitbeteiligten mit "Holzbau/Hallenbau". Auf diese Umschreibung wird auch in Punkt III, wonach der Mitbeteiligte gemäß dem Einleitungssatz "in seinem Zuständigkeitsbereich gem. Punkt I für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, insbesondere aller Arbeitnehmer(schutz)vorschriften … österreichweit verwaltungsrechtlich verantwortlich" ist, verwiesen.
Daran vermögen auch allfällige Zweifel im Hinblick auf die von der belangten Behörde aufgezeigte Möglichkeit einer überschneidenden Mehrfachbestellung von verantwortlichen Beauftragten für den Bereich "Kfz-Werkstättenbetrieb" bzw. hinsichtlich der Einhaltung von verkehrsrechtlichen Vorschriften nichts zu ändern, zumal eine klare Abgrenzung des räumlichen oder sachlichen Bereiches, für den ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wird, nur für "ein und denselben" Verantwortungsbereich gegeben sein muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/13/0147, m.w.N.).
Unbestritten ist, dass das vorliegende Verfahren Holzbau-Montagearbeiten zur Erstellung des Dachstuhles eines neu zu errichtenden Hallengebäudes und somit Arbeiten im Unternehmensbereich "Holzbau/Hallenbau" betrifft. Nach dem Wortlaut der Urkunde ist somit klar, dass der Mitbeteiligte gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten für diesen sachlich und örtlich ("österreichweit") abgegrenzten Unternehmensbereich hinsichtlich der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften bestellt wurde.
Es ist daher entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur im vorliegenden Fall die Bestellung des Mitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten für den Unternehmensbereich "Holzbau/Hallenbau" hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften eine wirksame Bestellung erfolgt. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am