VwGH vom 02.10.2019, Ra 2019/13/0059

VwGH vom 02.10.2019, Ra 2019/13/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der B GmbH in S, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Muchargasse 30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4200156/2016, betreffend Altlastenbeitrag samt Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag sowie Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Klagenfurt Villach),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung richtet (Spruchpunkt 2 des angefochtenen Erkenntnisses), zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Zollamtes vom wurden gegenüber der Revisionswerberin eine mit Ablauf des dritten Quartals 2012 entstandene Altlastenbeitragsschuld in Höhe von 4.986,40 EUR sowie Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag festgesetzt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die W GmbH habe im dritten Quartal 2012 für die Revisionswerberin "Frostkofferschüttungen" (288 m3, 542 Tonnen Betonbruch) vorgenommen. Die Revisionswerberin habe vorgebracht, diese Frostkofferschüttungen seien im Zusammenhang mit der Errichtung einer Hobelhalle gestanden, deren Errichtung mit Bescheid der Gemeinde bewilligt worden sei. Die Schüttung sei jedoch im Juli 2012 erfolgt, die Baumaßnahme sei hingegen erst im April 2014 bewilligt worden. Die Bewilligung hätte bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld vorliegen müssen. Damit komme eine Anwendung des Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 1a Z 6 Altlastensanierungsgese tz (ALSAG) nicht in Betracht.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. In eventu beantragte sie gemäß § 295a BAO die Abänderung des Bescheides. Zu diesem Antrag verwies die Revisionswerberin darauf, dass die Errichtung der Hobelhalle auf dem Grundstück mit Bescheid der Gemeinde vom April 2014 bewilligt worden sei. Mit dieser nachträglichen Bewilligung sei ein Ereignis eingetreten, das die durchgeführte Verwendung der Baurestmassen konstitutiv bewillige und abgabenrechtlich Wirkung für die Vergangenheit habe. Weiters beantragte sie die Aussetzung der Einhebung der mit Bescheid vom festgesetzten Abgaben (samt Säumnis- und Verspätungszuschlag) gemäß § 212a BAO. 3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. 4 Bereits mit Bescheid vom hatte das Zollamt den in der Beschwerde gegen den Bescheid vom enthaltenen Antrag auf Aussetzung abgewiesen.

5 Die Revisionswerberin erhob auch gegen diesen Bescheid Beschwerde.

6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt diese Beschwerde ab. Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht beide Beschwerden als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe beabsichtigt, auf einem näher genannten Grundstück eine "Hobelhalle" zu errichten. Sie habe die W GmbH damit beauftragt, den bestehenden Boden zu entfernen und eine Frostkofferschüttung vorzunehmen. Die Gemeinde habe mit Schreiben vom bestätigt, dass die Frostkofferschüttung für die geplante Hobelhalle mit qualitätsgesichertem Recyclingmaterial vorgenommen werden könne. Im Juli 2012 habe die W GmbH das Aushubmaterial entfernt und auf dem Grundstück der Revisionswerberin 542 Tonnen qualitätsgesicherte Baurestmassen verfüllt. Im März 2014 habe die Revisionswerberin bei der Baubehörde die Bewilligung für die Errichtung der "Hobelhalle" beantragt. Mit Bescheid der Gemeinde vom sei die Errichtung der Hobelhalle nach der Kärntner Bauordnung bewilligt worden. Den erteilten Auflagen sei u. a. zu entnehmen, dass alle Fundamente auf tragfähigem Boden bis in frostfreie Tiefen zu führen seien. Mit den Bauarbeiten habe erst nach Rechtskraft des Bescheides begonnen werden dürfen. 9 Die Geländeverfüllung/Geländeanpassung mit aufbereiteten Baurestmassen als Unterbau für eine Hobelhalle erfülle den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG und sei von der Revisionswerberin veranlasst worden. Für eine beitragsbefreite Verfüllungs- oder Geländeanpassungsmaßnahme sei es gemäß § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG erforderlich, dass die mineralischen Baurestmassen im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme zulässigerweise verwendet werden. Nicht nur die Verfüllungsmaßnahme, sondern auch die Baumaßnahme müsse gemäß § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG zulässig sein. Es müssten sowohl die Verfüllungsals auch die Baumaßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung stehen; es müssten sohin allenfalls erforderliche Bewilligungen oder Anzeigen spätestens zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld vorliegen (Hinweis auf ).

10 Die Beitragsschuld entstehe gemäß § 7 Abs. 1 ALSAG mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die beitragspflichtige Tätigkeit vorgenommen worden sei. Die Geländeverfüllung sei im dritten Quartal 2012 erfolgt, die Beitragsschuld sei daher mit Ablauf dieses Kalendervierteljahres entstanden. Da in diesem Zeitpunkt für die Baumaßnahme jedenfalls keine baurechtliche Bewilligung vorgelegen sei, sei der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG nicht erfüllt. Demnach sei die Abgabe festzusetzen gewesen.

11 Zum Aussetzungsantrag verwies das Bundesfinanzgericht insbesondere darauf, dass ab Ergehen der Beschwerdevorentscheidung des Zollamts (betreffend Festsetzung des Altlastenbeitrages samt Nebenansprüchen) die Bewilligung der Aussetzung auf Grund eines bereits vorliegenden Antrages nicht mehr in Betracht komme.

12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

13 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde

eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Die Revisionswerberin erstattete hiezu eine Replik.

14 Die Revision bekämpft das angefochtene Erkenntnis "zur Gänze". Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung wird aber weder im Rahmen des Revisionspunktes noch im Rahmen des Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision angesprochen, sodass die Revision in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen war.

15 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

16 Die Revision ist insoweit zulässig und begründet.

17 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG (in der hier anwendbaren Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003) unterliegt dem Altlastenbeitrag u.a. das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erde; als Ablagern gilt nach lit. c dieser Bestimmung auch das Verfüllen von Geländeunebenheiten (u.a. das Verfüllen von Baugruben oder Künetten) oder das Vornehmen von Geländeanpassungen (u.a. die Errichtung von Dämmen oder Unterbauten von Straßen, Gleisanlagen oder Fundamenten) oder der Bergversatz mit Abfällen.

18 Nach § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG sind von der Beitragspflicht ausgenommen: mineralische Baurestmassen, sofern durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet wird, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben ist, und diese Abfälle im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 1 lit. c verwendet werden.

19 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch zur hier anwendbaren Rechtslage idF BGBl. I Nr. 71/2003), dass eine "zulässige" Verwendung von Abfällen im Sinne der genannten Befreiungsbestimmung u. a. voraussetzt, dass die für diese Verwendung allenfalls erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Anzeigen, Nichtuntersagungen etc. in dem für die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Beitragsfreiheit relevanten Zeitpunkt (§ 7 ALSAG) vorliegen (vgl. - unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003, 59 BlgNR

22. GP 309, und das dort verwiesene Erkenntnis - , VwSlg. 18553/A (insoweit durch die Entscheidung eines verstärkten Senats vom , Ra 2019/13/0006, nicht überholt); sowie weiters ; , 2012/07/0272). Dem Gesetzgeber kann nämlich nicht unterstellt werden, er habe eine Verwendung oder Verwertung von Abfällen, die der Rechtsordnung widerspricht, privilegieren wollen, indem er sie von der Beitragspflicht ausgenommen hat (vgl. , VwSlg. 16353/A). Dieses Erfordernis des Vorliegens der behördlichen Bewilligungen, Anzeigen, Nichtuntersagungen etc. gilt sowohl für die Verfüllung bzw. Anpassung selbst als auch für die damit verbundene Baumaßnahme (vgl. ).

20 Voraussetzung für die Beitragsfreiheit ist nach dieser Rechtsprechung das Vorliegen der jeweils erforderlichen Bewilligungen. Diese Bewilligungen sind aber regelmäßig erst zum Zeitpunkt der Vornahme der jeweiligen Handlung erforderlich. Eine Verwendung oder Verwertung von Abfällen widerspricht der Rechtsordnung nur dann, wenn (bereits) zum Zeitpunkt dieser Verwendung oder Verwertung die entsprechende Bewilligung erforderlich, aber nicht vorhanden ist. Wird hingegen - im Zusammenhang mit einer erst geplanten, bewilligungspflichtigen oder auch bewilligungsfreien (vgl. neuerlich ) Baumaßnahme - eine derartige Verwendung oder Verwertung durchgeführt, für welche Verwendung oder Verwertung zu diesem Zeitpunkt noch keine baurechtliche Bewilligung erforderlich ist, so widerspricht diese Handlung nicht der Rechtsordnung. 21 Im vorliegenden Fall war nach den Sachverhaltsannahmen des Verwaltungsgerichts für die "Frostkofferschüttung" für die geplante Hobelhalle (im Gegensatz zur Errichtung der Hobelhalle selbst) eine baurechtliche Bewilligung noch nicht erforderlich. Für die Errichtung der Hobelhalle selbst wurde aber von der Revisionswerberin rechtzeitig eine baurechtliche Bewilligung eingeholt.

22 Demnach lagen die jeweils erforderlichen Bewilligungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Handlungen vor. Ein rechtswidriges Verhalten lag hingegen zu keinem Zeitpunkt vor.

23 Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG sei nicht erfüllt, weil für die im Jahr 2014 durchgeführte Baumaßnahme im Jahr 2012 noch keine baurechtliche Bewilligung vorgelegen sei, erweist sich aus diesen Gründen als rechtswidrig.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher betreffend Festsetzung Altlastenbeitrag samt Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130059.L00

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