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VwGH vom 20.10.2011, 2008/21/0312

VwGH vom 20.10.2011, 2008/21/0312

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Axel Zaglits, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schmidtorstraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 151.059/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner auf Grund einer Niederlassungsbewilligung rechtmäßig in Österreich lebenden Ehefrau gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer habe seinem Antrag einen Strafregisterauszug, ausgestellt von der Oberstaatsanwaltschaft Kadiköy/Istanbul am , beigelegt, aus dem sich ergeben habe, dass der Beschwerdeführer am gemäß § 36 Abs. 3 des Verkehrsgesetzes wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeugs ohne Führerschein zu einer Haftstrafe von einem Monat bis zu zwei Monaten verurteilt worden sei; weil diese Straftat am wiederholt worden sei, sei der Beschwerdeführer zu einer Haftstrafe von zwei Monaten bis zu drei Monaten verurteilt worden. Weiters sei er wegen illegalen Waffenbesitzes gemäß § 72 des Strafgesetzes verurteilt worden; die Strafe sei in eine Geldstrafe umgewandelt worden.

Wenngleich der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren eine neuerliche, von der Oberstaatsanwaltschaft Rize Pazar am ausgestellte Strafregisterbescheinigung vorgelegt habe, der zu entnehmen sei, dass im Strafregister keine Eintragung aufscheine, vermöge das keine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer das Vorliegen der gerichtlichen Verurteilungen in der Türkei nicht bestreite sowie unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um kein einmaliges Vergehen handle, schließe sich die belangte Behörde in vollem Umfang der erstinstanzlichen Entscheidung an, wonach der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung der Sicherheit gefährden könnte und daher öffentlichen Interessen widerstrebe. Daran vermöge die Tatsache, dass die Strafen angeblich getilgt seien, nichts zu ändern.

Auch wenn es sich bei den vom Beschwerdeführer gesetzten Delikten nicht um solche handle, die in Österreich gerichtlich strafbar seien, so stellten sie doch, noch dazu, wenn sie wiederholt vorkämen, schwerwiegende Verwaltungsübertretungen dar. Konsequenterweise könne dem Beschwerdeführer keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden.

Schließlich verneinte die belangte Behörde noch ein Überwiegen des Interesses des Beschwerdeführers am Führen eines Familienlebens in Österreich mit seiner Ehefrau, die er am geheiratet habe und die rechtmäßig in Österreich niedergelassen sei, gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Die vom Beschwerdeführer gesetzten Delikte, bei denen es sich um schwere Verwaltungsübertretungen nach österreichischem Recht handle, hätten für die belangte Behörde besonders schwer gewogen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich insbesondere gegen das Gewicht, das die belangte Behörde den mehrere Jahre zurückliegenden, nach dem Beschwerdevorbringen bereits getilgten Bestrafungen beigemessen hat. Die belangte Behörde habe auch nicht das den Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten festgestellt, um daraus eine Prognose hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung abzuleiten. Dabei hätte sie auch berücksichtigen müssen, so die Beschwerde, dass der Beschwerdeführer mittlerweile über eine (im Berufungsverfahren vorgelegte) Lenkberechtigung verfüge.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG ist diese Voraussetzung (u.a.) dann gegeben, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei Auslegung des soeben genannten unbestimmten Gesetzesbegriffes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0153, mwN).

Nun hat sich aber die belangte Behörde im Hinblick auf die Bestrafungen des Beschwerdeführers mit der Wiedergabe der Daten von zwei der drei Bestrafungen und der kursorischen Umschreibung der verwirklichten Tatbestände begnügt und nicht - wie nach dem eben Gesagten erforderlich - das diesen Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten, insbesondere jenes zum "illegalen Waffenbesitz", konkret festgestellt. Schon dadurch belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom ). Der Beschwerdeführer ist außerdem damit im Recht, dass das nunmehrige Vorhandensein einer Lenkberechtigung gegen die Annahme einer aus den - überdies im Bescheiderlassungszeitpunkt bereits mehrere Jahre zurückliegenden und offenbar getilgten - Delikten wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Führerschein ableitbaren künftigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer gesprochen hat. Damit hat sich die belangte Behörde aber überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-82996