VwGH vom 22.02.2013, 2011/02/0215
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281291/2/Kl/Pe, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei:
H. in P., vertreten durch die Rechtsanwälte Weixelbaum, Humer Partner OG in 4020 Linz, Lastenstraße 36), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft P. vom wurde der Mitbeteiligte als verantwortlicher Beauftragter der G.-GmbH für schuldig erkannt, er habe am auf einer näher genannten Baustelle in Pr. drei näher genannte Übertretungen von arbeitnehmerschutzrechlichen Bestimmungen begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Mitbeteiligten stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, laut Firmenbuchauszug habe die G.-GmbH ihren Sitz in P. Auch für den Mitbeteiligten, der mit Zustimmungsnachweis vom zum verantwortlichen Beauftragten für die Baustelle "Sanierung der Hauptschule Pr." bestellt worden sei, sei als Dienstort P. ausgewiesen. Es sei daher zweifelsfrei der Sitz der GmbH als Tatort anzusehen. In diesem Sinne habe auch die Behörde erster Instanz ihre Zuständigkeit wahrgenommen.
Es müsse die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten (Mitbeteiligten) innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reiche im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus.
Wie die Aufforderung zur Rechtfertigung vom als erste Verfolgungshandlung enthalte auch das nunmehrige Straferkenntnis im Tatvorwurf keine Bezeichnung des Unternehmenssitzes der G.-GmbH bzw. des Dienstortes des Mitbeteiligten als verantwortlichen Beauftragten. Es fehle daher im gesamten Tatvorwurf die Umschreibung des Tatortes. Dies sei ein wesentliches objektives Tatbestandselement. Weil die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist eingetreten sei, sei eine entsprechende Korrektur des Straferkenntnisses nicht möglich. Es sei daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Amtsbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die Auffassung der belangten Behörde, die Angabe des Unternehmenssitzes müsse dem Beschuldigten in einer verjährungsunterbrechenden Verfolgungshandlung vorgehalten werden, stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Nach dieser Judikatur genüge es nämlich bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften für den Ausschluss der Verfolgungsverjährung, wenn sich die Verfolgungshandlung auf die konkrete "Filiale" beziehe, in der die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften stattgefunden habe. Im Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0243, dem ein Strafverfahren wegen Übertretung von Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung zugrunde gelegen sei, habe der Verwaltungsgerichtshof zudem ausdrücklich klargestellt, dass dieser Rechtssatz auch bei Baustellen anzuwenden sei, wenn dem Inhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung zweifelsfrei zu entnehmen sei, an welcher Baustelle der Arbeitgeberin es zu den dem Beschuldigten angelasteten Übertretungen gekommen sei.
Im vorliegenden Fall erfülle die Verfolgungshandlung dieses Erfordernis, weil sie eine genaue örtliche Angabe der Baustelle enthalte und mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibe, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt werde.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei daher keineswegs Verfolgungsverjährung eingetreten, sodass der Einstellungsgrund des § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG zu Unrecht angenommen worden sei.
Für eine die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung im Bereich der Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften reicht es aus, dass sich in der Aufforderung zur Rechtfertigung neben dem Hinweis auf eine bestimmte Baustelle auch ein konkreter Hinweis auf jenes Unternehmen findet, das auf dieser Baustelle als Arbeitgeberin tätig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0029, m.w.N.).
Dieses Unternehmen, als deren verantwortlicher Beauftragter im Beschwerdefall der Mitbeteiligte zur Verantwortung gezogen wurde, wurde in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom - wenngleich ohne unmittelbare Angabe der Anschrift dieses Unternehmens - genannt. Mit Rücksicht auf die sonst angeführten Tatbestandsmerkmale ist damit klargestellt, auf welchen konkreten Tatvorwurf jeweils abgestellt wird.
Es ist daher entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die belangte Behörde hat daher das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren zu Unrecht eingestellt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-82991