VwGH vom 25.04.2019, Ra 2019/13/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski und Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des D in S, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 5/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-361-6/2017-R11, betreffend u. a. Haftung gemäß § 9 BAO (Gemeindevergnügungssteuer) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Abgabenkommission der Landeshauptstadt Bregenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie die Heranziehung des Revisionswerbers zur Haftung bekämpft, zurückgewiesen.
Begründung
1 Die M GmbH betrieb von August 2012 bis April 2015 an mehreren Standorten in Bregenz Wettterminals. Sie war Inhaberin einer Gewerbeberechtigung zur Vermittlung von Kunden zu Buchmachern/Wettbüros, unter Ausschluss der Wettannahme. Sie entrichtete keine Vergnügungssteuer. Im Dezember 2015 wurde über das Vermögen der M GmbH das Konkursverfahren eröffnet. 2 Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz betreffend die M GmbH - gerichtet an deren Masseverwalter - Vergnügungssteuer für die Monate August 2012 bis April 2015 in Höhe von insgesamt 84.700 EUR fest. Weiters wurde ein Säumniszuschlag von 2% (1.694 EUR) festgesetzt. 3 Im April 2016 wurde der Konkurs nach durchgeführter Schlussverteilung aufgehoben.
4 Der Revisionswerber war von Dezember 2010 bis zum selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der M GmbH.
5 Mit Schreiben vom forderte der Bürgermeister den Revisionswerber auf, sich zur beabsichtigten Geltendmachung der Haftung für (u.a.) Vergnügungssteuer zu äußern. 6 Der Revisionswerber teilte hiezu u.a. mit, die M GmbH sei grundsätzlich nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen; sie sei aufgrund einer ihr von der zuständigen Behörde erteilten Gewerbeberechtigung tätig gewesen. Jedenfalls bis zur Rechtskraft des Löschungsbescheides habe die M GmbH ihre Tätigkeit weiter ausüben dürfen.
7 Mit Bescheid vom nahm der Bürgermeister den Revisionswerber für Abgabenschuldigkeiten der M GmbH im Ausmaß von 45.571,75 EUR an Gemeindevergnügungssteuer und 911,44 EUR an Säumniszuschlägen in Anspruch.
8 Begründend wurde u.a. ausgeführt, gegen den Abgabenbescheid sei vom Masseverwalter kein Rechtsmittel erhoben worden; die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung sei nicht bestritten worden. Nach Abzug der Zahlung der Quote aus dem Konkursverfahren (2,39%) blieben näher aufgegliederte Beträge unberichtigt. Vorbringen zur Abgabepflicht sei im Haftungsverfahren unbeachtlich.
9 Der Revisionswerber erhob sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den an die M GmbH ergangenen Abgabenbescheid Berufung.
10 Mit Bescheid der Abgabenkommission vom wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.
11 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht
der Beschwerde mit einer im Revisionsverfahren nicht strittigen Maßgabe keine Folge. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG unzulässig sei. 13 Begründend führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und Schilderung des eingangs dargelegten Sachverhalts - im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe nicht dafür gesorgt, dass die M GmbH die Vergnügungssteuer zumindest teilweise entrichte. Die M GmbH habe finanzielle Mittel gehabt, sodass andere Verbindlichkeiten hätten beglichen werden können. Der Revisionswerber habe von der Abgabenbehörde nie die Auskunft erhalten, das Aufstellen der Wettterminals sei nicht abgabepflichtig.
14 Die M GmbH habe Wettterminals aufgestellt und betrieben und hätte hiefür eine Bewilligung nach dem Wettengesetz benötigt. Eine gewerberechtliche Bewilligung habe nach Ablauf der Übergangsfrist nicht ausgereicht. Die M GmbH sei daher abgabepflichtig gewesen; die Gemeindevergnügungssteuer sei zu Recht vorgeschrieben worden. 15 Mit dem Vorbringen, der Revisionswerber sei davon überzeugt gewesen, keine Abgabe zahlen zu müssen, da die M GmbH aufgrund ihrer gewerberechtlichen Bewilligung keine Bewilligung nach dem Wettengesetz benötige und daher nicht abgabepflichtig sei, werde kein mangelndes Verschulden dargetan. Der Revisionswerber habe nie von der zuständigen Abgabenbehörde die Information erhalten, dass keine Vergnügungssteuer entrichtet werden müsse. Im Hinblick auf die Bestimmungen im Wettengesetz habe er auch trotz Gewerbeberechtigung keinen Grund zur Annahme gehabt, für das Aufstellen von Wettterminals keine landesrechtliche Bewilligung zu benötigen und daher nicht steuerpflichtig zu sein. Im Übrigen hätte der Revisionswerber Rückstellungen für drohende Abgabenschulden bilden müssen, wenn die Rechtslage so unklar gewesen wäre.
16 Die Vergnügungssteuer sei uneinbringlich. Der Revisionswerber hafte für die noch offene Vergnügungssteuer, weil er schuldhaft seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt habe. 17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 21 Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, zentrales Problem sei die Bestimmung des § 363 GewO 1994, wonach eine - selbst zu Unrecht erteilte - Gewerbeberechtigung jedenfalls bis zum Eintritt der Rechtskraft des Löschungsbescheides ausgeübt werden könne. Ein allfälliges Verschulden des Revisionswerbers sei daran zu messen, ob bzw. wie die zitierte Bestimmung in der Gewerbeordnung von ihm objektiv habe verstanden werden können bzw. habe verstanden werden müssen. Das Verschulden des Revisionswerbers könne jedenfalls nicht darin liegen, dass er sich nicht beim Amt der Landeshauptstadt Bregenz entsprechend erkundigt habe. Wenn die Landeshauptstadt Bregenz einen Bescheid mit einer Zahlungsvorschreibung erlasse, sei es wohl klar, dass sie nicht gleichzeitig oder im zeitlichen Zusammenhang damit dahingehend informieren werde, dass keine Abgabepflicht bestehe. Wenn der Revisionswerber aufgrund der Gewerbeberechtigung der M GmbH der Meinung gewesen sei, dass die M GmbH nicht abgabepflichtig sei, so wäre es auch widersinnig, sich eine Rechtsbelehrung bei jener Behörde einzuholen, die anderer Ansicht sei. Würde man den Revisionswerber dazu verpflichten, die Rechtsbelehrung der Bescheid erlassenden Behörde einzuholen und demgemäß zu handeln, so würde dies letztlich auf ein Verbot der Erhebung von Rechtsmitteln hinauslaufen. Es würde jeden Zweifel an einer von einer Behörde geäußerten Rechtsansicht unmöglich machen. Die Einholung der Rechtsmeinung der Stadt Bregenz habe sich erübrigt, weil diese ohnedies bescheidmäßig zum Ausdruck gebracht worden sei. Die Einholung der Rechtsmeinung anderer Behörden sei zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen, weil nur in Vorarlberg ein entsprechendes Gesetz bestanden habe. In dieser Situation habe der Revisionswerber auf den ihm klar erscheinenden Gesetzestext der Gewerbeordnung vertraut. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, ob auch bei Vertrauen auf eine "wohl eindeutige - zumindest aber höchst missverständliche - Gesetzesbestimmung" ein Verschulden des Einschreiters gegeben sei, liege nicht vor. Selbst wenn im Nachhinein die Bestimmung in der Gewerbeordnung im Zusammenhang mit § 16 Abs. 2 bis 4 Vorarlberger Wettengesetz anders interpretiert worden sei, liege kein Verschulden des Revisionswerbers vor.
22 Eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit - soweit die hier zuständigkeitshalber gegenständliche Haftung betroffen ist - nicht aufgezeigt.
23 Gemäß § 2 Abs. 3 lit. l Vorarlberger Vergnügungssteuergesetz
unterliegt u.a. das Aufstellen oder der Betrieb von Wettterminals der Vergnügungssteuer. Nach § 4 Abs. 2 leg. cit. ist jene Person steuerpflichtig, die hiefür eine Bewilligung nach dem Wettengesetz hat oder haben müsste.
24 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den § 80 ff BAO bezeichneten Vertreter (unter anderem - wie hier - ein Geschäftsführer einer GmbH) neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. 25 Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten (vgl. , mwN; , 2009/16/0226, VwSlg. 8541/F). Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).
26 Bringt der Haftungspflichtige gemäß § 248 BAO sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Berufung (Beschwerde) ein, so ist zunächst über die Berufung (Beschwerde) gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt (vgl. , mwN; , 2011/16/0070; , 2012/16/0049).
27 Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum wird aber durch den bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung noch nicht dargetan (vgl. neuerlich ). Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (vgl. , mwN; , 2012/16/0039; vgl. auch ). 28 Wenn der Revisionswerber im Wesentlichen geltend macht, eine Erkundigung bei der zuständigen Behörde hätte sich erübrigt, weil diese ohnehin bescheidmäßig zum Ausdruck gebracht worden sei, ist zunächst zu bemerken, dass eine von der zuständigen Abgabenbehörde geäußerte Rechtsansicht zu beachten ist (vgl. , mwN). Das Vorbringen des Revisionswerbers läuft offenbar darauf hinaus, die Einholung einer Auskunft zu unterlassen, weil das erwartete Ergebnis der Auskunft der eigenen Rechtsansicht widerspricht. Ein derartiges Verhalten kann aber die Annahme eines Verschuldens nicht ausschließen. 29 Eine Bekämpfung der Rechtsansicht der Behörde im Rechtsmittelweg wird dadurch nicht ausgeschlossen; hiezu kann allenfalls auch ein Aussetzungsantrag gestellt werden. Eine Aussetzung wäre allerdings insbesondere dann nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet wäre (§ 212a Abs. 2 lit. c BAO).
30 Die "bescheidmäßig zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht" erging erst nach Konkurseröffnung. Der Revisionswerber wäre jedoch bereits im Zeitpunkt der Aufstellung der Wettterminals verpflichtet gewesen, die Rechtslage zu prüfen. Dazu hätte er sich an geeigneter Stelle zu erkundigen gehabt. Dass er - entgegen den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - bei einer derartigen Erkundigung die Auskunft erhalten hätte, das Aufstellen von Wettterminals sei nicht abgabepflichtig, behauptet er nicht. Damit trägt er das Risiko einer unrichtigen Rechtsansicht. 31 Die Rechtsansicht des Revisionswerbers war auch nicht vertretbar. Wenn auch - wie der Revisionswerber ausführt - nach § 363 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994 bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Löschungsbescheides ein Gewerbe ausgeübt werden darf, so ist aber zu bemerken, dass nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 Vorarlberger Wettengesetz (insoweit in der Fassung LGBl. Nr. 9/2012, in Kraft getreten am , vgl. Art. 37 Vorarlberger Landesverfassung) die Tätigkeit eines Wettunternehmers in einer oder mehreren Betriebsstätten im Land Vorarlberg einer Bewilligung der Landesregierung bedarf. Wettunternehmer ist nach § 1 Abs. 2 Vorarlberger Wettengesetz (ebenfalls in der Fassung LGBl. Nr. 9/2012) u.a., wer Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt (Vermittler von Wettkunden). In den Übergangsbestimmungen zu LGBl. 9/2012 (§ 16 Abs. 4 Vorarlberger Wettengesetz) wurden auch ausdrücklich jene Vermittler von Wettkunden berücksichtigt, die diese Tätigkeit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes aufgrund einer gewerberechtlichen Berechtigung ausübten. Diese waren demnach berechtigt, diese Tätigkeit über Wettterminals noch bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bzw. bis zur Entscheidung über einen innerhalb dieser Frist gestellten Antrag auf Bewilligung nach diesem Gesetz auszuüben (vgl. auch - Übertretungen des Vorarlberger Wettengesetzes betreffend - ; , Ra 2015/02/0135; sowie - zu einer Beschlagnahme nach dem Wiener Wettengesetz - ; zur Kompetenz des Landesgesetzgebers vgl. , VfSlg. 19803). Dass ein derartiger Antrag gestellt worden wäre, behauptet der Revisionswerber nicht.
32 Wenn der Revisionswerber als Geschäftsführer einer in der Wettbranche tätigen Gesellschaft bei dieser klaren Rechtslage eine abweichende Rechtsansicht vertreten hat, so liegt insoweit kein das Verschulden ausschließender Rechtsirrtum vor.
33 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher, soweit sie die Bestätigung der Haftung durch das angefochtene Erkenntnis betrifft, zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130029.L00 |
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