VwGH vom 19.07.2011, 2011/02/0097
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2011/02/0100
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des CU in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, 1.) vom , Zl. Senat-KO-10-2017 (hg. Verfahren Zl. 2011/02/0097), und 2.) vom , Zl. Senat-KO-10-2018 (hg. Verfahren Zl. 2011/02/0100), betreffend Übertretungen der StVO 1960, des KFG 1967 und des FSG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 366,36 und dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 244,24 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH) vom wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er am von 21.33 Uhr bis 22.19 Uhr in 2102 Bisamberg, Föhrenstraße als Lenker eines näher bezeichneten PKW
1. sich am um 22.19 Uhr in Bisamberg, Eichenstraße (Garage) nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er in Verdacht gestanden sei, dass sein Verhalten als Lenker des angeführten Fahrzeuges am angeführten Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei,
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2. | auf dieser Fahrt den Zulassungsschein nicht mitgeführt habe, |
3. | bei einem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe, obwohl das Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen, |
4. | nicht die nächste Polizeiinspektion vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, obwohl das Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und |
5. | das Kraftfahrzeug ohne eine von der Behörde erteilte gültige Lenkberechtigung für die betreffende Klasse auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe, wobei er überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigungen besessen habe, da ihm diese mit Bescheid vom entzogen worden sei. |
Die BH verhängte in diesem Zusammenhang folgende Verwaltungsstrafen: | |
Zu 1.: Gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 4 und § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden), | |
zu 2.: Gemäß § 102 Abs. 5 lit. b iVm § 134 Abs. 1 KFG 1967 EUR 30,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden), | |
zu 3.: Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 EUR 220,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden), | |
zu 4.: Gemäß § 4 Abs. 5 iVm § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) und | |
zu 5.: Gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 37 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 FSG EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden). | |
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde. | |
Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom entschied die belangte Behörde wie folgt: | |
"Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, hinsichtlich des Punktes 1 des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend Folge gegeben, als das Ausmaß der verhängten Strafe von EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) auf EUR 3.000- - (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) herabgesetzt wird. | |
Weiters wird der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Punkt 1 dahingehend berichtigt, dass die Angabe 'Eichenstraße (Garage)' wie folgt zu lauten hat: | |
'Eichenstraße, Garage (ca. 50 m nach dem Haus Eichenstraße 54 auf der linken Seite).' | |
Der gesamte Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz (welche gemäß § 64 VStG mit EUR 300,-- festgesetzt werden) sind binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu zahlen (§ 59 Abs. 2 AVG)." | |
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom entschied die belangte Behörde wie folgt: | |
"I. | |
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, hinsichtlich der Punkte 2 bis 4 des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben. | |
II. | |
Hinsichtlich der Punkte 2 bis 5 des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass die Angabe der Tatzeit und des Tatortes wie folgt zu lauten haben: | |
' um 21.33 Uhr in 2102 Bisamberg, Föhrenstraße 2'. | |
III. | |
Weiters wird hinsichtlich des Punktes 5 des angefochtenen Straferkenntnisses der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend Folge gegeben, dass das Ausmaß der verhängten Strafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) auf EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) herabgesetzt wird. Im übrigen Inhalt wird der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in diesem Punkt bestätigt." | |
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. | |
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. |
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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen: |
Der Beschwerdeführer führt aus, dass eine Verfolgungshandlung - damit sie den Eintritt der Verjährung ausschließe - unter anderem wegen eines bestimmten strafbaren Sachverhaltes erfolgen müsse. Dies erfordere, dass sie sich auf alle die Taten betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen habe. Diesem Gesetzesauftrag sei die BH nicht nachgekommen, wodurch die Verfolgungsverjährung mit Ablauf des eingetreten sei. Die Berichtigung von Tatzeit und vor allem Tatort bzw. deren Präzisierung sei erst mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde - sohin 16 Monate nach Eintritt der Verfolgungsverjährung - erfolgt. |
Dem ist entgegenzuhalten, dass im zur Erkenntnis Bringen des Verwaltungsstrafaktes bei Gewährung des Parteiengehörs an den Beschuldigten eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG zu erblicken ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/02/0228 und vom , Zl. 96/03/0003). |
Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, erfolgte mit Schreiben der BH vom eine - auch die Anzeige umfassende - Übermittlung einer Kopie des Verwaltungsstrafaktes an den Vertreter des Beschwerdeführers. Diese Anzeige enthält bereits die mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vorgenommene Präzisierung von Tatort und Tatzeit. Die belangte Behörde war - ohne dass dadurch eine Auswechslung der Tat bzw. eine Überschreitung der "Sache" erfolgte - berechtigt, das dem Beschwerdeführer mit Übermittlung der Aktenkopie als Verfolgungshandlung (innerhalb der hier anzuwendenden sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG) vorgeworfene Verhalten in Abänderung der Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0090). |
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er zum Beweis der mangelnden Schuldfähigkeit im Übrigen die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt habe. Bei dessen Einholung hätten die Behörden "zu einem anderen Kalkül" gelangen können. |
Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, hat es der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren mehrmals abgelehnt, einer Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung Folge zu leisten bzw. eine fachärztliche Stellungnahme vorzulegen. |
Die vom Vertreter des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde vorgelegten psychiatrischen Gutachten lassen zudem nicht auf eine fehlende oder eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt schließen. |
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. |
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. |
Wien, am |
Fundstelle(n):
XAAAE-82925