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VwGH vom 19.05.2014, 2013/09/0186

VwGH vom 19.05.2014, 2013/09/0186

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Strohmayer, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Dr. HH in W, vertreten durch die Noll, Keider Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Schellinggasse 3/3, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 83/10-DOK/12, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (weitere Parteien: Bundeskanzler; Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein seit August 2011 im Ruhestand befindlicher Beamter des Bundesministeriums für Inneres, wurde mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom im Wesentlichen im Zusammenhang mit von ihm im Aktivstand im Jahr 2008 gemachter öffentlicher Äußerungen mehrerer Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt und über ihn die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.500,-- verhängt. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt mit Disziplinarerkenntnis vom teilweise Folge, sprach ihn von näher genannten Tatvorwürfen frei und verhängte über ihn die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 2.000,--.

Aus Anlass der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sprach dieser nach einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einzelner Bestimmungen der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2009 mit Erkenntnis vom , V75/11, aus, dass die vorgenannte Geschäftseinteilung gesetzwidrig war. Mit Erkenntnis vom , B 1057/10-12, hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Disziplinaroberkommission vom wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung zur Gänze auf.

Mit Disziplinarerkenntnis vom hob sodann die Disziplinaroberkommission das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Disziplinarkommission gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 105 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) auf.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom wurde der Beschwerdeführer nach einer in seiner Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung neuerlich wegen mehrerer Dienstpflichtverletzungen schuldig erkannt und über ihn gemäß § 134 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- verhängt.

Soweit im vorliegenden Fall von Relevanz führte die Disziplinarkommission zu dem vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringen, er habe die Ladung nicht persönlich übernommen, aus, dass dies mit der Aktenlage im Widerspruch stehe, wonach im Akt ein am mit dem Namen des Beschwerdeführers unterfertigter RSa-Zustellschein aufliege. Aus diesem gehe im Hinblick auf die darauf befindliche Aktenzahl und die Ordnungsnummer weiter hervor, dass mit diesem Brief dem Beschwerdeführer die Ladung zur Verhandlung zugestellt worden sei. Überdies sei die Sendung von der Post nicht retourniert worden. Zwar weiche die Unterschrift am RSa-Zustellschein im Schriftbild von der am Schreiben (des Beschwerdeführers) vom ab, doch sei dem Senat durchaus bekannt, dass ein und dieselbe Person auf verschiedene Arten unterschreiben könne, wobei Unterschriften im Schriftbild stark voneinander abweichen könnten. Abgesehen davon sei eine Zustellung an einen anderen als den auf der RSa-Sendung ausgewiesenen Adressaten unzulässig und dürfe nicht vorgenommen werden. Der Senat habe daher zur Recht davon ausgehen können, dass der Beschwerdeführer die Ladung persönlich übernommen habe.

Mit dem über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung in nichtöffentlicher Sitzung ergangenen Disziplinarerkenntnis - dem nunmehr angefochtenen Bescheid - erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 iVm § 91 BDG 1979 und einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 iVm § 91 BDG 1979 schuldig und verhängte über ihn gemäß § 134 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 800,--. Von den weiteren disziplinären Vorwürfen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen. Ferner wurden - wie bereits in den zuvor ergangenen Disziplinarerkenntnissen - gemäß § 128 Abs. 1 BDG 1979 Spruch und Begründung der Bescheide von der Veröffentlichung ausgeschlossen.

Soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich führte die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer habe die Ladung zur Verhandlung vor der erstinstanzlichen Disziplinarbehörde nicht persönlich übernommen, aus, dass dieses Vorbringen offenbar der Verfahrensverschleppung diene. Die Unterschrift auf dem in Rede stehenden RSa-Schein sei "(für den Laien) offenkundig mit mehr als mittlerer Wahrscheinlichkeit" dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Berufungsverhandlung habe gemäß § 125a Abs. 3 Z 5 BDG 1979 Abstand genommen werden können, weil der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt unstrittig sei und die Schuldsprüche von ihm lediglich hinsichtlich ihrer disziplinären Relevanz konkret bestritten würden. Des Weiteren bekämpfe er die Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 570/2013-8, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis geltenden Fassung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich daher auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.

Soweit der Beschwerdeführer zunächst vorbringt, dass die vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehobene Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres bereits dem Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission zugrunde gelegen sei und es ohne gesetzmäßigen Einleitungsbeschluss auch zu keinem Disziplinarerkenntnis gegen ihn kommen dürfe, ist ihm zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der Grundsatz, dass ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid nicht nichtig, sondern nur vernichtbar ist, auch im öffentlichen Dienstrecht gilt (vgl. das Erkenntnis vom , 2013/09/0012, mwN). Die im Verfahren gegen den Beschwerdeführer ergangenen Einleitungsbeschlüsse sind unbestrittenermaßen in Rechtskraft erwachsen. Sie wurden nicht aufgehoben, sodass sie ohne Einschränkung (bis zum Ende des Disziplinarverfahrens) ihre Rechtswirkungen entfalten.

Der Beschwerdeführer macht des Weiteren geltend, dass ihm die Möglichkeit am Verfahren teilzunehmen, entzogen worden sei. Er habe keine Ladung zur Disziplinarverhandlung bekommen. Dies habe er sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in seiner Berufung geltend gemacht. Die belangte Behörde habe dieses Vorbringen jedoch nicht beachtet. Wären Erhebungen angestellt worden, hätte sich herausgestellt, dass die Unterschrift am Rückschein nicht von ihm stamme. Das Poststück sei von seiner Gattin entgegengenommen und in weiterer Folge verlegt worden. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung sei ihm daher nicht zugestellt worden. Die belangte Behörde habe zudem seinen Antrag auf eine mündliche Berufungsverhandlung ohne zureichende Gründe abgewiesen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

§ 125a BDG 1979 idF BGBl. I Nr. 123/1998 lautet:

"Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von der mündlichen Verhandlung

§ 125a. (1) Die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, sofern er nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden ist.

(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.

(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn


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1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4.
sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5.
der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.

(4) In den Fällen des Abs. 1 ist vor schriftlicher Erlassung des Disziplinarerkenntnisses dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen."

Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten ist nach § 125a Abs. 1 BDG 1979 einerseits die ausdrücklich geforderte ordnungsgemäße Zustellung der Ladung an diesen. Darüber hinaus muss der Beschuldigte nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden sein. Die Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten ist daher nur zulässig, wenn die - eine Belehrung über die Säumnisfolgen enthaltende - Ladung fehlerfrei erfolgt, und dem Disziplinarbeschuldigten nachweislich zugekommen ist. Das heißt, jeder Mangel der Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei (vgl. dazu auch das zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 51f Abs. 2 VStG ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0353, mwN).

Der - im neudurchgeführten Verfahren unvertretene - Beschwerdeführer hat bereits anlässlich der ihm gemäß § 125a Abs. 4 BDG 1979 eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass ihm die Ladung nicht zugestellt worden sei. Die Disziplinarkommission hat dies jedoch - obgleich sie ein Abweichen der Unterschrift von jener des Beschwerdeführers selbst feststellte - nicht zum Anlass genommen, den Zustellvorgang zu überprüfen, sondern sie ist mit einer unzureichenden Begründung über das Vorbringen hinweggegangen. So lässt der von der Disziplinarkommission ins Treffen geführte Umstand, dass ein und dieselbe Person unterschiedlich unterschreiben kann, noch nicht den - im erstinstanzlichen Bescheid jedoch gezogenen - (Umkehr )Schluss zu, dass unterschiedliche Unterschriften mit demselben Namen jedenfalls von ein und derselben Person, nämlich dem Namensträger, stammen. Die weitere Begründung im erstinstanzlichen Bescheid, dass eine Ersatzzustellung im Übrigen unzulässig wäre, geht in ihrem Gehalt über den (ironisch zu verstehenden) Stehsatz "dass nicht sein kann, was nicht sein darf" nicht hinaus. Auch daraus lässt sich jedoch für die tatsächliche Urheberschaft der Unterschrift auf dem Rückschein nichts gewinnen.

Aber auch die belangte Behörde setzte sich nicht in nachvollziehbarer Weise mit dem in diesem Zusammenhang erstatteten Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers auseinander. So begründete sie nicht, weshalb sie annahm, das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die Ladung nicht zugestellt erhalten, sei in Verschleppungsabsicht erstattet worden. Eine solche ist zudem nicht ohne weiteres anzunehmen, machte der Beschwerdeführer doch bereits im erstinstanzlichen Verfahren bei erster Gelegenheit geltend, die Ladung zur mündlichen Disziplinarverhandlung nicht zugestellt erhalten zu haben. Aus welchen Erwägungen heraus die belangte Behörde im Übrigen (einerseits) "offenkundig" (andererseits bloß) "mit mehr als mittlerer Wahrscheinlichkeit" von einer dem Beschwerdeführer zuzurechnenden Unterschrift ausging, legte sie im angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht dar. Eine solche Wahrscheinlichkeitsbetrachtung reicht jedoch zum einen schon von vornherein nicht aus, um von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgehen zu können; zum anderen ist diese Einschätzung aber angesichts der im Verwaltungsakt befindlichen und unstrittig vom Beschwerdeführer stammenden Unterschriften auch inhaltlich an Hand der Aktenlage nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer zeigte somit einen Zustellmangel hinsichtlich der Ladung auf, der bei Zutreffen seiner Behauptung die Unzulässigkeit der Durchführung der mündlichen Verhandlung in seiner Abwesenheit im Sinn des § 125a Abs. 1 BDG 1979 bewirken könnte. Das bereits von der Disziplinarkommission attestierte Abweichen des Schriftbilds der Unterschrift auf dem Rückschein von der im Verwaltungsakt befindlichen Unterschrift des Beschwerdeführers hätte im Zusammenhang mit dem Vorbringen daher zu einer Überprüfung des Zustellvorgangs führen müssen.

Schon weil die von der Disziplinarkommission durchgeführte mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers stattfand, waren aber auch die von der belangten Behörde angestellten Zweckmäßigkeitserwägungen hinsichtlich der Möglichkeit des Absehens von einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 125a BDG 1979 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht angebracht (siehe zur Frage der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die Disziplinaroberkommission etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2013/09/0183, sowie vom , Zl. 2012/09/0101, je mwN).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG, wobei die darin angeordnete Pauschalierung den (gesonderten) Zuspruch von Umsatzsteuer nicht vorsieht, weshalb das dahingehende Mehrbegehren abzuweisen war (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung das Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0025).

Wien, am