VwGH vom 19.03.2014, 2013/09/0185

VwGH vom 19.03.2014, 2013/09/0185

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. des K M, und

2. der M R, beide in W, beide vertreten durch Dr. Gernot Moser, Mag. Philipp Moser und Mag. Dominik Kellerer, Rechtsanwälte in 6130 Schwaz, Ludwig Penz Straße 2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-33.102/0003-IV/3/2013, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Angelegenheit nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom stellte das Bundesdenkmalamt gemäß § 2 Abs. 1 DMSG fest, dass an der Erhaltung des Kerngebäudes (ohne Zubauten des 20. Jahrhunderts) und des Wandfreskos des (im grundbücherlichen Eigentum der römischkatholischen Filialkirche W stehenden) Widums in W ein öffentliches Interesse tatsächlich gegeben sei. Die Bescheidbegründung stützte sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Amtssachverständigen Dr. R und die Ergebnisse eines Lokalaugenscheins, wobei die dabei anwesenden Vertreter der Pfarre und der Gemeinde mit dem Umfang der Teilunterschutzstellung einverstanden gewesen wären. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom beantragte die Diözese Y die Aufhebung des Denkmalschutzes für das Widum W gemäß § 5 DMSG. Im Dezember 2011 wurde das Widum noch vor Entscheidung über diesen Antrag abgebrochen.

In der Folge erstattete das Bundesenkmalamt mit Schreiben vom wegen der entgegen §§ 4 und 5 DMSG erfolgten Zerstörung dieses Denkmals gemäß § 37 Abs. 1 DMSG Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Y.

Mit Bescheid von stellte das Bundesdenkmalamt gemäß § 5 Abs. 7 DMSG fest, dass der Denkmalschutz durch (restlose) Zerstörung des Widums erloschen sei; gleichzeitig wurde der oben genannte Antrag der Diözese Y mit der Begründung zurückgewiesen, dass auf Grund der Zerstörung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin nicht mehr möglich sei. Ausfertigungen dieser Entscheidung wurden auch dem Bürgermeister und der Gemeinde W zugestellt.

Der gegen diesen Bescheid (von der römisch-katholischen Filialkirche W) erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich.

Mit Schreiben vom beantragten die Beschwerdeführer beim Bundesdenkmalamt, dieses möge "in Anwendung von § 37 Abs. 6 DMSG" feststellen, dass an der Erhaltung des Kerngebäudes (ohne Zubauten des 20. Jahrhunderts) und des Wandfreskos des Widums in W ein öffentliches Interesse tatsächlich nicht gegeben sei bzw. nicht gegeben gewesen sei; eventualiter solle nachträglich die Zerstörung des Kerngebäudes und des Wandfreskos bewilligt werden.

Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen, weil über den Antrag der Diözese Y vom , der ebenso auf die Aufhebung des Denkmalschutzes abgezielt habe, bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge.

In der Bescheidbegründung bejahte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen das Vorliegen einer res iudicata, wozu sie ausführte, es sei Zweck des § 68 Abs. 1 AVG, die wiederholte Aufrollung bereits entschiedener Sachen (ohne nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage) zu verhindern. Auf eine solche neuerliche Aufrollung würden nicht nur Anbringen abzielen, mit denen expressis verbis die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt werde, sondern auch solche, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits formell rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckten. Identität der Sache sei dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt nicht geändert habe. Bei dinglichen Bescheiden, die der Rechtsnatur nach nicht auf die persönlichen Eigenschaften des Bescheidadressaten, sondern nur auf die Eigenschaften der Sache abstellen, vermöge der Umstand, dass der frühere Bescheid über Antrag einer anderen Person ergangen ist, für sich allein keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes zu bewirken (vgl. Zl. 2001/03/0329; Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, § 68, Rz 32 ff). Der gegenständliche Antrag ziele - wie auch der Antrag der Diözese Y vom - auf die Aufhebung des Denkmalschutzes nach § 5 DSMG ab und es sei eine Änderung der dem früheren Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom (bestätigt mit Bescheid der belangten Behörde vom ) zugrundeliegenden Sachlage in der Zwischenzeit nicht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes (DMSG), BGBl. Nr. 533/1923, in der Fassung BGBl. I Nr. 170/1999 lauten (auszugsweise):

§ 4. (1) Bei Denkmalen, die unter Denkmalschutz stehen, ist die Zerstörung sowie jede Veränderung, die den Bestand (Substanz), die überlieferte (gewachsene) Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte, ohne Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 verboten. ...

...

§ 5. (1) Die Zerstörung sowie jede Veränderung eines Denkmals gemäß § 4 Abs. 1 bedarf der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, es sei denn, es handelt sich um eine Maßnahme bei Gefahr im Verzug (§ 4 Abs. 2). Der Nachweis des Zutreffens der für eine Zerstörung oder Veränderung geltendgemachten Gründe obliegt dem Antragsteller. ...

...

(7) Denkmale (einschließlich Ensembles und Sammlungen), die unter Denkmalschutz stehen und die etwa durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung (§ 5 Abs. 1) zerstört oder verändert wurden oder aus sonstigen Gründen, wie etwa eine wissenschaftliche Neubewertung, jede Bedeutung als schützenswertes Denkmal, derentwegen sie unter Denkmalschutz gestellt wurden oder unter Denkmalschutz gestellt werden könnten, verloren haben, stehen weiterhin (auch hinsichtlich bloßer Reste) so lange unter Denkmalschutz, bis das Bundesdenkmalamt von Amts wegen oder über Antrag (§ 26f) bescheidmäßig festgestellt hat, dass an der Erhaltung kein öffentliches Interesse mehr (oder einschränkend nur mehr an Teilen) besteht (Denkmalschutzaufhebungsverfahren). Vom Antragsteller ist das Zutreffen der für die Denkmalschutzaufhebung geltend gemachten Gründe nachzuweisen, soweit diese nicht offenkundig sind. Ein Rechtsanspruch auf Aufrechterhaltung der Unterschutzstellung besteht - ebenso wie ein Rechtsanspruch auf Unterschutzstellung - in keinem Fall. Sind von einem Denkmal nicht einmal mehr Reste vorhanden, so ist diese Tatsache des Erlöschens durch restlose Zerstörung vom Bundesdenkmalamt innerhalb von sechs Monaten nachdem es von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat, gleichermaßen bescheidmäßig festzustellen.

...

§ 37. (1) Wer entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 ein Einzeldenkmal oder ein als Einheit unter Denkmalschutz gestelltes Ensemble oder eine als Einheit unter Denkmalschutz gestellte Sammlung zerstört, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer gerichtlicher Strafe bedroht ist, vom Gericht mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Neben der Geldstrafe ist für den Fall, dass die in § 36 vorgesehene Wiederherstellung nicht verfügt oder die zwar verfügte Wiederherstellung vorsätzlich trotz förmlicher Mahnung nicht vorgenommen wird, auf eine Wertersatzstrafe zu erkennen. Unter diesen Voraussetzungen ist auf eine Wertersatzstrafe auch dann zu erkennen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer gerichtlicher Strafe bedroht ist. Die Höhe der Wertersatzstrafe hat entweder den Kosten, die zur Wiederherstellung oder zur Herstellung eines gleichwertigen Gegenstandes aufgewendet hätten werden müssen, oder dem höheren durch die Tat erzielten Nutzen zu entsprechen. Die Wertersatzstrafe ist allen an der Tat Beteiligten unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Strafbemessung (§§ 32 bis 35 StGB) anteilsmäßig aufzuerlegen. Das Strafverfahren obliegt den Gerichtshöfen erster Instanz.

(2) ...

(6) Soweit das Bundesdenkmalamt in Fällen, in denen ein Strafverfahren bereits läuft, eine nachträgliche Bewilligung erteilt oder bescheidmäßig feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Denkmals tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat, ist dieses einzustellen.

(7) ...

(8) In Strafverfahren gemäß Abs. 1 bis 4 sind Äußerungen des Bundesdenkmalamtes einzuholen.

..."

In der Beschwerde wird zunächst ergänzend zum Verfahrensgang vorgebracht, dass auf Grund der eingangs genannten Strafanzeige des Bundesdenkmalamtes (auch) gegen die beschwerdeführenden Gemeinderäte ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und Missbrauchs der Amtsgewalt eingeleitet worden sei. Das Strafverfahren, in welchem die Beschwerdeführer vom Landesgericht Y der Beitragstäterschaft hinsichtlich des Vorwurfes nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu Geldstrafen sowie gemäß § 37 Abs. 1 DMSG zu Wertersatzstrafen in näher bezeichneter Höhe verurteilt worden seien, sei infolge Erhebung von Rechtsmitteln seitens der Beschwerdeführer noch nicht abgeschlossen.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 37 Abs. 6 DMSG wird ausgeführt, dass dieser Bestimmung bei widerrechtlichen Handlungen bei lediglich kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehenden Objekten Bedeutung zukommen soll, bei denen - nach erfolgter Handlung - festgestellt wird, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung tatsächlich gar nicht gegeben war (BlgNR 1769, 20. GP, 66).

Um einen solchen Fall handelt es sich in der gegenständlichen Angelegenheit hingegen nicht: Hier bestand keinerlei Unklarheit über Art und Umfang der Unterschutzstellung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes, wie dies in einem Fall der Unterschutzstellung bloß kraft gesetzlicher Vermutung der Fall gewesen ist. Unbestritten hat nämlich das Bundesdenkmalamt mit dem rechtskräftigen Bescheid vom gemäß § 2 Abs. 1 DMSG festgestellt, dass an der Erhaltung des Kerngebäudes (ohne Zubauten des 20. Jahrhunderts) und des Wandfreskos des Widums in W ein öffentliches Interesse tatsächlich gegeben ist.

Das Bundesdenkmalamt hat in diesem Bescheid vom seine ausführliche und mit Hinweisen auf die Fachliteratur belegte Begründung dahingehend zusammengefasst, dass der im Kern aus dem 17. Jahrhundert stammende Widum nicht nur durch seine Lage in unmittelbarer Nähe der barocken Pfarrkirche von Bedeutung sei, sondern zugleich auch ein wichtiges bauliches Dokument für die Entwicklung der Seelsorge des Ortes darstelle. Mit dem Wandgemälde des J.O., einem bedeutenden Vertreter der Malerei in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts im Tiroler Unterland, komme dem Objekt auch künstlerische Bedeutung zu.

Die belangte Behörde hat dem nach der bereits erfolgten Zerstörung des geschützten Gebäudes gestellten Antrag der Beschwerdeführer vom auf nachträgliche Bewilligung und Feststellung, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung nicht oder nicht mehr bestehe, u.a. mit der Begründung keine Folge gegeben, dass der Antrag der Beschwerdeführer im Ergebnis darauf hinauslaufe, eine bereits entschiedene Sache neuerlich aufzurollen.

Durch diese Beurteilung wurden die Beschwerdeführer nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Sie haben nämlich weder aufgezeigt, noch ist dies zu ersehen, dass sich vor der Zerstörung des geschützten Denkmals die für die Feststellung eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Gebäudes maßgeblichen Umstände gegenüber dem Bescheid vom in wesentlicher Hinsicht geändert hätten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am