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VwGH vom 30.03.2011, 2011/02/0036

VwGH vom 30.03.2011, 2011/02/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des T G in P, vertreten durch Mag. Peter Edelsbrunner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Raubergasse 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-165357/9/Zo/Th, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Der Beschwerdeführer lenkte am einen LKW mit Anhänger. Sowohl auf dem Lkw als auch auf dem Anhänger waren Baumstämme mit einer Länge von 4 m geladen. Der Abstand der Baumstämme zur vorderen Bordwand des LKW betrug ca. 60 cm. Die Baumstämme ragten nicht über die Rungen hinaus, sie waren nicht mit Gurten niedergezurrt oder sonstwie gesichert.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - neben einer hier nicht mehr interessierenden Überladung - vorgeworfen, er habe sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der in Rede stehenden Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG 1967 entspreche, da festgestellt worden sei, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert gewesen sei, obwohl die Ladung und auch einzelne Teile dieser auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sein müssten, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften stand hielten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet würde. Am Anhänger und am LKW sei Rundholz ohne Sicherung (Gurten) zugeladen gewesen (zufolge des angefochtenen Bescheides Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom ).

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 101 Abs. 1 lit. e KFG 1967 iVm § 102 Abs. 1 KFG 1967 begangen, wofür gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt worden sei.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, es wäre notwendig gewesen, das Rundholz mit Zurrgurten zu sichern, weil die Ladung nur dadurch bei einem starken Bremsmanöver oder bei einem raschen Ausweichen gegen Verrutschen nach vorne gesichert gewesen wäre. Auch sei ein Herabfallen der Ladung ohne Sicherung nicht ausgeschlossen.

Nur gegen den angeführten Spruchpunkt 2. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig bleibt im vorliegenden Verfahren die Beantwortung der Frage, ob unter den Begriff des "normalen Fahrbetriebs" im Sinne des § 101 Abs. 1 lit. e KFG 1967 auch eine Voll(Not)bremsung fällt. In diesem Fall wäre nämlich nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Ladung unzureichend verwahrt bzw. gesichert gewesen. Gehörte die Voll(Not)bremsung nicht zum "normalen Fahrbetrieb", wäre die Beladung des Lkws - ordnete man auch ein "rasches Ausweichen" nicht dem "normalen Fahrbetrieb" zu -

im Sinne des § 101 Abs. 1 lit. e KFG 1967 zulässig und die Bestrafung des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen.

Die lit. e wurde dem § 101 Abs. 1 KFG 1967 mit der Novelle BGBl. I Nr. 60/2003 (22. KFG-Novelle) neu angefügt (Fassung wie unten bis zur eckigen Klammer) und hat in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 57/2007 (28. KFG-Novelle), mit der der Text in der eckigen Klammer unten hinzugefügt wurde, folgenden Wortlaut:

"Die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig, wenn

e) die Ladung und auch einzelne Teile dieser, auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sind, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhalten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die einzelnen Teile einer Ladung müssen so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern können; dies gilt jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die Ladung oder einzelne Teile sind erforderlichenfalls zB durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt ist, (sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein Herabfallen des Ladegutes oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhindern. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann durch Verordnung nähere Bestimmungen festsetzen, in welchen Fällen eine Ladung mangelhaft gesichert ist. Dabei können auch verschiedene Mängel in der Ladungssicherung zu Mängelgruppen zusammengefasst sowie ein Formblatt für die Befundaufnahme bei Kontrollen festgesetzt werden.)"

In den Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 60/2003 (Erläuterungen zur RV, 23 BlgNR XXII. GP) heißt es zur neu angefügten lit. e:

"Die bisher geltenden Bestimmungen über die Beladung und Sicherung der Ladung waren zu allgemein und erlaubten kaum ein behördliches Einschreiten bei fraglicher Ladungssicherung. Es soll daher nach dem Vorbild des Gefahrengutbereiches eine exakte Regelung erfolgen, damit eine einwandfreie Ladungssicherung gewährleistet wird. Eine entsprechende Ladungssicherung wird jedenfalls dann gegeben sein, wenn die Vorschriften der ÖNORM V 5750 ff eingehalten werden. Beim Transport von Tieren sind die speziellen Bestimmungen des Tiertransportgesetzes zu beachten."

Die Ergänzung der lit. e durch die Novelle BGBl. I Nr. 57/2007 wird in den Materialien (Erläuterungen zur RV, 136 BlgNR XXIII. GP) wie folgt erläutert:

"Die derzeitige Formulierung im zweiten Satz, wonach die einzelnen Teile der Ladung ihre Lage nur geringfügig verändern können dürfen, führt in der Praxis zu massiven Problemen. So müssten z. B auch einzelne Pakete in einem Zustellfahrzeug der Post bzw. von Paketdiensten gesichert werden - und das bei jeder Teilfahrt zwischen den einzelnen Zustellungen. Daher soll diese Bestimmung nicht gelten, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt wird und niemand gefährdet wird. Weiters erfolgt eine Klarstellung im letzten Satz. Nach der derzeitigen Formulierung würde ein vollständiges Ausfüllen der Ladefläche auch ausreichen, wenn keine ausreichend festen Laderaumbegrenzungen vorhanden sind. Schließlich wird die Möglichkeit geschaffen, dass der Bundesminister durch Verordnung festlegen kann, in welchen Fällen Ladungssicherungsmängel vorliegen. Dabei soll auch eine Kategorisierung von solchen Ladungssicherungsmängeln in verschiedenen Gruppen (leichte Mängel bis hin zu Mängeln mit Gefahr im Verzug) vorgenommen werden können."

Somit gibt weder das Gesetz noch geben die Erläuterungen Auskunft darüber, was unter einem "normalen Fahrbetrieb" im gegebenen Zusammenhang zu verstehen ist. Der Beschwerdeführer greift zur Deutung dieser Formulierung auf Verbotsnormen der StVO 1960 zurück, die sich jedoch nicht mit dem "Fahrbetrieb" beschäftigen und daher keinen Rückschluss auf die zu behandelnde Frage zulassen.

Ein konkreter Bezug zum "Fahrbetrieb" von Kraftfahrzeugen findet sich hingegen im Bundesgesetz vom über die Haftung für den Ersatz von Schäden aus Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen und beim Betrieb von Kraftfahrzeugen (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz - EKHG.). Dort heißt es im § 9 (Haftungsbefreiung):

§ 9. (1) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeugs beruhte.

(2) Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten, eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist, sowohl der Betriebsunternehmer oder Halter als auch die mit Willen des Betriebsunternehmers oder Halters beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben und der Unfall nicht unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist."

Der OGH grenzt in seiner Rechtsprechung die außergewöhnliche Betriebsgefahr von der gewöhnlichen Betriebsgefahr folgendermaßen ab:

Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr sei darin zu erblicken, dass zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzuträten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben seien, dass ein Fahrzeug überhaupt in Betrieb gesetzt worden sei (vgl. aus jüngerer Zeit ). Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 2 EKHG sei dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden seien, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb gelegener Umstände vergrößert würden. Das entscheidende Kriterium für die Annahme einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr liege also darin, dass das Kraftfahrzeug in einer Weise verwendet werde, dass dadurch eine Gefahrenlage eintrete, die mit dem normalen und ordnungsgemäßen Betrieb nicht verbunden sei (vgl. etwa ).

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Lenker beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges auch mit einer Voll(Not)bremsung rechnen muss. Der OGH zählt in seiner verkehrsrechtlichen Judikatur jedenfalls neben einem kontrollierten Auslenken eine Vollbremsung zu einer "normalen" Abwehrreaktion, die von einem Fahrzeuglenker verlangt werden könne (vgl. ). Im Hinblick auf § 9 EKHG bedeute eine Vollbremsung ohne Hinzutreten besonderer Gefahrenmomente (Schleudern, instabiles Fahrverhalten) keine außergewöhnliche, sondern nur eine gewöhnliche Betriebsgefahr (vgl. ), wobei zum Betrieb eines Kraftfahrzeuges auch das Herunterfallen der Ladung zähle (vgl. ).

Der OGH setzt in seiner Rechtsprechung zu § 9 EKHG die gewöhnliche Betriebsgefahr dem "normalen Betrieb" eines Kraftfahrzeuges gleich. Abgesehen von dieser sprachlichen Entsprechung mit dem Begriff "normaler Fahrbetrieb" im § 101 Abs. 1 lit. e KFG 1967 ist auch die inhaltliche Nähe zu der im Beschwerdefall auszulegenden Bestimmung gegeben, weil es in beiden Bereichen um die Abgrenzung zwischen vorhersehbaren und beherrschbaren Gefahrensituationen im Straßenverkehr und solchen geht, die nicht mehr kalkuliert und kontrolliert werden können. Gerät eine Gefahrensituation außer Kontrolle und ist unbeherrschbar, kann in der Regel auch nicht vorausgesehen werden, wie die Ladung eines Kraftfahrzeuges reagiert. Nur für absehbare Kräfteeinwirkungen kann sinnvoll Vorsorge getroffen werden. Dies trifft - wie der Beschwerdefall zeigt - auch auf die Sicherheit der Ladung für den Fall einer Vollbremsung zu.

Führt man sich die dargestellte Rechtsprechung des OGH zum "normalen Betrieb" eines Kraftfahrzeuges vor Augen und berücksichtigt die Verpflichtung des Lenkers zu einer Vollbremsung im Bedarfsfall, umfasst in Anbetracht der technisch möglichen Berechnung der Ladungssicherheit gerade auch für den Fall einer Vollbremsung ein "normaler Fahrbetrieb" im Sinne des § 101 Abs. 1 lit. e KFG 1967 auch eine Vollbremsung.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht einmal für eine Vollbremsung, sondern schon für den Fall eines starken Abbremsens festgestellt, dass es notwendig gewesen wäre, das Rundholz mit Zurrgurten zu sichern, weil die Ladung nur dadurch gegen Verrutschen nach vorne gesichert gewesen wäre; auch sei ein Herabfallen der Ladung ohne Sicherung nicht ausgeschlossen. Daraus ergibt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage, dass die Beladung auf dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug nicht den Anforderungen an die Sicherheit im normalen Fahrbetrieb entsprach und demnach unzulässig war. Auf den Abstand der Rundhölzer zur Bordwand und damit auf die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Geringfügigkeit der Veränderung der Lage der Ladung kommt es nicht an, weil nach den Feststellungen ohne weitere Sicherung auch ein Herabfallen der Ladung nicht auszuschließen war; dabei handelt es sich jedenfalls nicht um eine geringfügige Lageänderung.

Die belangte Behörde ist nach dem Gesagten zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vollbremsung zum "normalen Fahrbetrieb" im Sinne des § 101 KFG 1967 gehört, weshalb sich die Bestrafung des Beschwerdeführers als frei von Rechtsirrtum erweist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am