VwGH vom 14.03.2008, 2006/10/0218
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des LW in P, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 52, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 6-SO-N1901/10-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/10/0215, war der im Instanzenzug ergangene Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 6-SO-N1901/1-2001, betreffend die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenersatz für Sozialhilfe, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Heranziehung des Beschwerdeführers zum (teilweisen) Kostenersatz für die seiner Tochter Claudia H. gewährte Sozialhilfe entspreche ohne vorherige Prüfung, ob und inwieweit der Claudia H. - wie der Beschwerdeführer behauptete - ein (vorrangiger) Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehegatten zukomme, nicht dem Gesetz. Des Näheren wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer (neuerlich) verpflichtet, zu den Kosten der seiner Tochter Claudia H. in der Zeit vom bis einschließlich November 2000 geleisteten Sozialhilfe in Höhe von EUR 3.893,23 einen Kostenersatz in Höhe von EUR 2.770,77 zu leisten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, laut Vergleichsausfertigung vom , GZ: Sch 12/88, des Bezirksgerichtes Bruck/Leitha wegen Scheidung der Ehe im Einvernehmen (§ 55a Ehegesetz) hätten Claudia H. und Gerhard H. für den Fall der Scheidung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach sie "jeweils auf Unterhalt, auch für den Fall der Not, geänderter Rechtslage oder geänderter Verhältnisse" verzichteten. Die Ehe zwischen Claudia H. und Gerhard H. sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck/Leitha vom unter Bezugnahme auf diesen Vergleich einvernehmlich geschieden worden. Claudia H. stehe somit kein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem geschiedenen Ehegatten zu. Ihr sei in den Jahren 1998 bis 2000 Sozialhilfe geleistet worden, deren Kosten sich auf insgesamt EUR 3.893,23 beliefen. Sie habe während der Zeit des Sozialhilfebezuges Geldleistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz in Höhe von monatlich EUR 386,18 bezogen; die durch das Arbeitsmarktservice vorgegebenen Termine seien von ihr regelmäßig eingehalten worden. Vor Bezug der Sozialhilfe sei sie mehrmals drogenabhängig gewesen. In der Zeit des Drogenkonsums habe sie eine Pistole aus dem Besitz des Beschwerdeführers entwendet und weitergegeben. Dem Beschwerdeführer sei daraufhin die Bewilligung zum Waffenbesitz wegen unzureichender Waffenverwahrung entzogen worden. Durch die Drogenabhängigkeit bzw. die physischen und psychischen Spätfolgen (medikamentöse und betreuerische Drogen-Nachbehandlung, psychische Probleme, Autoaggressionshandlungen, epileptische Anfälle) sei es der Claudia H. für einen längeren Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen unmöglich gewesen, einen Beruf auszuüben. Es sei somit zu einem Verlust ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit gekommen. Sie habe nachweislich alle zu erwartenden und zumutbaren Bemühungen unternommen, um einen Arbeitsplatz zu erlangen; dass diese Bemühungen fehlgeschlagen seien, könne ihr nicht angelastet werden. Selbst wenn sie an der Entstehung ihrer Drogenabhängigkeit und der damit verbundenen Spätfolgen ein Verschulden träfe, führte dies nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches gegenüber dem Beschwerdeführer. Auf die Frage, ob die Entwendung der Schusswaffe und der vom Beschwerdeführer behauptete "liederliche Lebenswandel" als Handlungen anzusehen seien, die einen Ausschluss vom Pflichtteil rechtfertigten und damit eine Beschränkung ihres Unterhaltsanspruches auf den notwendigen Unterhalt zur Folge hätten, könne dahingestellt bleiben, weil bei Sozialhilfeleistungen ohnedies nur vom "notwendigen Unterhalt" auszugehen sei. Angesichts eines monatlichen Nettoeinkommens des Beschwerdeführers in der Höhe von EUR 1.634,40 und der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht für erwachsene Kinder von in der Regel 22 % des Nettoeinkommens sei mit dem vorgeschriebenen Kostenersatz die Grenze der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers sicherlich nicht überschritten. Eine Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten monatlichen Kreditrückzahlungen in Höhe von EUR 726,73 komme allerdings nicht in Betracht, zumal diese Kreditraten erst nach Einleitung des gegenständlichen Verfahrens beginnend mit vereinbart worden seien und die berechnete Kreditzahlungslaufzeit am geendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 45 Abs. 1 Bgld. Sozialhilfegesetz 2000 (Bgld SHG) haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt der oder des Hilfe Empfangenden verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten, sofern nicht eine Anrechnung ihres Einkommens gemäß § 8 Abs. 5 erfolgt ist.
Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht gemäß § 45 Abs. 3 Bgld SHG nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt (§ 143 ABGB) wäre oder wenn er eine soziale Härte bedeuten würde.
Der Beschwerdeführer wendet gegen seine Heranziehung zum Kostenersatz für die seiner Tochter Claudia H. gewährte Sozialhilfe zunächst ein, diese sei sittlich nicht gerechtfertigt. Seine Tochter habe "einen äußerst liederlichen Lebenswandel" geführt, indem sie Schulden angehäuft habe, die von ihm hätten beglichen werden müssen, sich im Drogenmilieu aufgehalten habe und in einem Bordell tätig gewesen sei. Sie habe dadurch die soziale wie berufliche Stellung des Beschwerdeführers in Misskredit gebracht, sodass eine Ersatzpflicht im Rahmen seiner väterlichen Unterhaltspflicht sittlich nicht gerechtfertigt wäre.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass nicht jedes den gesellschaftlichen Wertvorstellungen widersprechende Verhalten des Hilfeempfängers bereits den ersten Ausnahmetatbestand des § 45 Abs. 3 Bgld SHG erfüllt. Durch Beifügung des Klammerausdrucks "(§ 143 ABGB") hat der Gesetzgeber vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass lediglich eine (seinerzeitige) gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflicht des nunmehr Unterhaltsbedürftigen gegenüber dem Unterhaltspflichtigen als Verhalten zu werten ist, das eine Ersatzpflicht als sittlich nicht gerechtfertigt ausschließt. Der vom Beschwerdeführer behauptete "liederliche Lebenswandel" seiner Tochter stellt daher kein Verhalten dar, das seine Ersatzpflicht als iSd § 45 Abs. 3 Bgld SHG sittlich nicht gerechtfertigt erscheinen ließe.
Der Beschwerdeführer ist weiters der Auffassung, seine Heranziehung zum Kostenersatz bedeute eine soziale Härte. Abzüglich der Kreditrückzahlungen verbliebe ihm von seiner monatlichen Netto-Pension lediglich ein Betrag von EUR 907,67 zur Deckung seines Lebensunterhaltes.
Bei diesem Vorbringen vernachlässigt der Beschwerdeführer den Umstand, dass die Laufzeit des erwähnten Kredits unbestrittener Maßen bereits mit geendet hat. Schon aus diesem Grund kann keine Rede davon sein, dass die dem Beschwerdeführer auferlegte Kostenersatzpflicht wegen der Verpflichtung zur Kreditrückzahlung eine soziale Härte bedeute.
Der Beschwerdeführer bringt noch vor, "es sei zu vermuten, dass die Drogenabhängigkeit der Hilfeempfängerin von dieser in der Absicht herbeigeführt wurde, sich die Unterhaltsansprüche gegenüber dem Vater zu erhalten", sodass die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei. Diese durch nichts begründete Vermutung des Beschwerdeführers ist allerdings nicht geeignet, die auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gestützte Auffassung der belangte Behörde in Zweifel zu ziehen, es bestehe keinerlei Grund zur Annahme, dass der bereits im hg. Erkenntnis vom erörterte Missbrauchsfall vorliege.
Schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der wechselseitige Unterhaltsverzicht sowie der Ausschluss der Umstandsklausel im gerichtlichen Vergleich vom sei sittenwidrig. Der physische wie auch psychische Zustand von Claudia H. habe sich nämlich nach der Scheidung massiv verschlechtert, sodass sie sich zweifellos in einer finanziellen Notlage befunden habe. Der geschiedene Gatte Gerhard H. sei daher ungeachtet des abgeschlossenen Vergleiches gegenüber Claudia H. vorrangig zum Unterhalt verpflichtet.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass der Ausschluss der so genannten "clausula rebus sic stantibus" insbesondere bei Unterhaltsvergleichen prinzipiell zulässig ist (vgl. Krejci in Rummel I3 (2000), Rz 103 zu § 879 ABGB). Dass demgegenüber im vorliegenden Fall besondere Umstände gegeben wären, die den erwähnten Vergleich dennoch als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, ist dem Beschwerdevorbringen konkret jedoch nicht zu entnehmen.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer noch, es seien die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen nicht vollständig vorgenommen bzw. deren Ergebnisse seien ihm nicht im Rahmen des Parteiengehörs vorgehalten worden. Andernfalls hätte er vorgebracht, dass ihn Claudia H. drei Mal ungerechtfertigter Weise wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt und dadurch den Tatbestand der Verleumdung erfüllt habe. Weiters hätte er vorgebracht, dass sich Claudia H. nach ihrer ersten Ehe noch ein zweites Mal verheiratet habe und dass auch diese Ehe geschieden worden sei. Auch der zweite geschiedene Ehegatte sei vorrangig zum Unterhalt verpflichtet. Schließlich hätte er vorbracht, dass der behördlichen Geltendmachung des Kostenersatzes die eingetretene Verjährung entgegenstehe.
Auch mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Was zunächst die Frage der Verjährung des Ersatzanspruches angehrt, bestimmt § 44 Abs. 5 Bgld SHG (der gemäß § 45 Abs. 6 Bgld SHG in den Fällen des Abs. 1 bis 3 sinngemäß anzuwenden ist), dass der Anspruch auf Kostenersatz nach drei Jahren vom Ablauf des Jahres an, in dem Sozialhilfe gewährt worden ist, verjährt. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).
Schon angesichts der Erlassung des erstinstanzlichen Kostenersatzbescheides am für der Claudia H. zwischen und Ende November 2000 gewährte Sozialhilfe besteht keinerlei Grund für die Annahme, es sei Verjährung eingetreten. Auf die Dauer des über den Kostenersatz geführten Verfahrens kommt es im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht an.
Mit dem übrigen Vorbringen fällt der Beschwerdeführer jedoch unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG. Er hat es nämlich unterlassen, im fortgesetzten Verwaltungsverfahren ein entsprechendes Vorbringen von sich aus zu erstatten.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am