VwGH vom 19.03.2014, 2013/09/0167
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des NZ in W, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alexander Operenyi, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/A/6/4807/2013-7, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesminister für Finanzen ), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Bundeshauptstadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber in seinem Obst- und Gemüsehandel in 1050 Wien vom bis zumindest den serbischen Staatsangehörigen A.M. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) als Arbeiter beschäftigt, obwohl für diese Beschäftigung keine Bewilligung oder Bestätigung gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG ausgestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 AuslBG verletzt und über ihn wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 zweiter Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.800,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und 16 Stunden verhängt und ihm die Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
Der Beschwerdeführer brachte mit Bezug auf diesen Bescheid ein als "Einspruch" bezeichnetes Schreiben ein und wurde von der belangten Behörde zu einer "Einvernahme als Partei vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien" am um 9.00 Uhr geladen. Am wurde vor der belangten Behörde durch ein Mitglied des Senates, der den angefochtenen Bescheid erlassen hat, eine Parteieneinvernahme durchgeführt und darüber eine Niederschrift aufgenommen, wonach dem Beschwerdeführer der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht worden sei, er Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht habe und worin seine Eingabe als Berufung gewertet und ausgeführt wurde, dass er die Berufung auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt habe.
Die belangte Behörde erließ sodann nach Beschlussfassung am durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer den angefochtenen Bescheid vom , mit welchem sie ausführte, dass sie am eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt habe, und in welchem sie der auf die Bekämpfung des Strafmaßes eingeschränkten Berufung insoweit Folge gab, als sie die verhängte Geldstrafe von EUR 2.800,-- auf EUR 1.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und 16 Stunden auf einen Tag herabsetzte und die Verfahrenskosten reduzierte.
Die Strafsanktionsnorm laute richtig § 28 Abs. 1 Z. 1 erster Strafsatz AuslBG. Eine bestehende Vormerkung bezüglich des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses sei nämlich bereits getilgt gewesen. Das Verschulden des Beschwerdeführers könne nicht als geringfügig angesehen werden, weil weder hervorgekommen sei, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen sei, dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Als mildernd sei die Anmeldung des Ausländers zur Sozialversicherung zu werten, eine weitere Herabsetzung der Strafe käme nicht in Betracht, solle doch der Beschwerdeführer von Tatwiederholungen möglichst wirksam abgehalten werden.
Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig sei, trotzdem sei seine Parteieneinvernahme ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt worden. Er bringt vor, dass der Ausländer sehr wohl eine Beschäftigungsbewilligung gehabt habe, diese jedoch am abgelaufen sei. Im November 2011 sei der Ausländer schwer erkrankt (Leukämie) und nicht mehr an seine Arbeitsstelle zurückgekehrt und in der Folge verstorben. Der Ausländer habe eine Beschäftigung auf Grund seiner Erkrankung ab überhaupt nicht mehr ausüben können und habe sich im Krankenstand befunden.
Es lägen lediglich Milderungsgründe vor. Der Beschwerdeführer befinde sich in Pension und führe überhaupt kein Unternehmen mehr, sodass eine Tatwiederholung ausgeschlossen sei.
Es fällt auf, dass die belangte Behörde zwar im angefochtenen Bescheid ausführt, sie habe am eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Tatsächlich hat nach der Aktenlage am vor der belangten Behörde jedoch keine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung stattgefunden, sondern nur eine niederschriftliche Parteieneinvernahme des Beschwerdeführers durch ein Mitglied der belangten Behörde. Der angefochtene Bescheid ist in dieser Hinsicht daher aktenwidrig.
§ 51e VStG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 lautet auszugsweise:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung
zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht,
daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder
abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer
Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche
Beurteilung behauptet wird oder
2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe
richtet oder
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht
übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen
Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt
hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in
der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist
Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer
Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer
Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien
zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht beantragt; ein Verzicht darauf liegt allerdings auch nicht ausdrücklich vor.
Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in seinen Erkenntnissen vom , B 1312/02, Slg. Nr. 16.894, und vom , B 931/03, Slg. Nr. 17121, unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, das in § 51e Abs. 3 VStG dem unabhängigen Verwaltungssenat eingeräumte Ermessen, ob er eine mündliche Verhandlung durchführe, sei dergestalt auszulegen, dass die Unterlassung der Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung dann nicht zum Nachteil und zum Verlust prozessualer Rechte der Partei führen kann, wenn diese zum Zeitpunkt der Einbringung ihrer Berufung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, weil die Antragstellung (wie auch der schlüssige Verzicht auf ein Recht) die Kenntnis dieses Rechts voraussetze. Dieser Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/09/0110, vom , Zl. 2010/10/0168, vom , Zl. 2010/02/0099, und vom , Zl. 2010/09/0225).
Dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren als nicht anwaltlich vertretener Berufungswerber in seiner Berufung keinen ausdrücklichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, berechtigte daher die belangte Behörde nicht zu der Annahme, dass damit bereits ein konkludenter Verzicht auf die in Strafsachen grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung abgegeben worden wäre, zumal weder im erstinstanzlichen Straferkenntnis noch im Berufungsverfahren eine Belehrung über die Antragstellung stattgefunden hat; es deuten auch sonst keine Umstände darauf hin, dass der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Antragstellung hätte wissen müssen. Zu Unrecht hat daher die belangte Behörde - auch unter dem Aspekt des § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG - von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Auch wenn man aber die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers am als "Verhandlung" wertete, wäre der angefochtene Bescheid schon deswegen aufzuheben, weil daran nicht alle Mitglieder der belangten Behörde teilgenommen haben (Art. 83 Abs. 2 B-VG, Unmittelbarkeit des Verfahrens gemäß § 51i VStG).
Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-82840