VwGH vom 27.02.2013, 2011/01/0279
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia-370-2011/0191, betreffend Staatsbürgerschaft,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Erstreckung der dem Beschwerdeführer zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf sein Kind richtet, als unzulässig zurückgewiesen.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein in Kabul geborener Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, hält sich seit (durchgehend) im Bundesgebiet auf. Er stellte am einen Asylantrag.
Mit (in Rechtskraft erwachsenem) Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für nicht zulässig erklärt und ihm gemäß § 15 Abs. 1 iVm mit § 15 Abs. 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Am stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde dieser Verleihungsantrag gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 38/2011, abgewiesen (I.); gleichzeitig wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstreckung der Verleihung auf sein 2011 geborenes Kind A Q abgewiesen (II.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verleihungstatbestand gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG "beginnt ab dem Zeitpunkt, wo dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, zu wirken". Die Zeiten im laufenden Asylverfahren könnten berücksichtigt werden, sofern der Aufenthalt rechtmäßig gewesen sei; die Beurteilung liege "im Ermessen der Behörde". Die Anrechnung der Zeit als subsidiär Schutzberechtigter auf die erforderliche Dauer eines ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthaltes von sechs Jahren sei nicht möglich, weil "§ 45 Abs. 1a NAG keine Fiktion darstellt, dass die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter als Niederlassung gilt". Zeiten als subsidiär Schutzberechtigter würden "daher" nicht auf die nach § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG erforderliche Dauer eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts von sechs Jahren angerechnet. Der Beschwerdeführer sei erst seit Asylberechtigter und erfülle daher die Voraussetzung des § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG derzeit nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerdekosten kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu I.:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 38/2011 (StbG), darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.
Gemäß § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn ihm der Statuts als Asylberechtigter zukommt, sofern das Bundesasylamt auf Anfrage mitteilt, dass weder ein Verfahren nach § 7 AsylG 2005 eingeleitet wurde, noch die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer erfülle die zeitliche Begünstigung des sechsjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht, weil seine Aufenthaltszeiten von bis als subsidiär Schutzberechtigter nicht in die Frist des § 11a Abs. 4 Z. 1 StbG einzurechnen seien.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ("rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten") bzw. des § 11a Abs. 4 ("nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von") Verleihungsvoraussetzung, dass ein Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden legalen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestzeit von 10 bzw. 6 Jahren aufweisen kann.
Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerkfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG. Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 oder des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0043, mwN).
Für die Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet nach § 11a Abs. 4 StbG sind die während des Asylverfahrens zurückgelegten Zeiten eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts und nicht bloß die Zeiten ab der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einzuberechnen. Für eine der Behörde dabei eingeräumte "Beurteilung im Ermessen" besteht keine gesetzliche Grundlage.
Asylberechtigte gehören, soweit dieser Status zwischenzeitlich nicht entzogen wurde, auf Grund des § 11a Abs. 4 StbG zu den Personen, die einen Anspruch auf Einbürgerung besitzen und die Staatsbürgerschaft zeitlich privilegiert erhalten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/01/0004, und vom , Zl. 2009/01/0050).
Abweichend von § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ist einem Asylberechtigten bereits nach sechs Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 leg. cit. erfüllt. Die im angefochtenen Bescheid insoweit dargelegte gegenteilige Auffassung der belangten Behörde ist rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid, soweit damit der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Zu II.:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nicht nur der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abgewiesen; spruchgemäß wurde auch der Antrag auf Erstreckung, den der Beschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter für sein minderjähriges Kind eingebracht hatte, abgewiesen. Demgemäß wurde der angefochtene Bescheid des Beschwerdeführers auch in seiner Eigenschaft als Vertreter des namentlich angeführten minderjährigen Kindes zugestellt. Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Daher sind Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem zu führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind. Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt.
Die gegenständliche Beschwerde wendet sich - wie insbesondere aus dem diesbezüglich nicht differenzierenden Antrag deutlich wird - gegen den gesamten ("angefochtenen") Bescheid der belangten Behörde und damit auch gegen die abweisende Erstreckungsentscheidung. Da die Beschwerde ausschließlich vom Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben wurde - das Kind ist nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer im Namen des Kindes auftritt, nicht bestehen, kann der Beschwerdeführer, der nicht Adressat des negativen Erstreckungsbescheides ist, diesbezüglich nicht in Rechten verletzt sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0028, mwH). Die Beschwerde war daher insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Erstreckung der den Beschwerdeführer zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf sein Kind richtet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 50 VwGG) in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am