VwGH vom 11.10.2012, 2011/01/0270
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Y N in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(Stb)-421422/16-2011- Ja, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß "§§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. 311 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 (StbG)" ab. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen seines Rechtsvertreters) am zugestellt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei vorerst von bis als Asylwerber vorläufig rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Das Asylverfahren sei am in zweiter Instanz gemäß §§ 7 und 8 (Asylgesetz 1997) negativ entschieden worden. Am sei dem Beschwerdeführer erstmals ein bis gültiges humanitäres Aufenthaltsrecht "in Form einer Aufenthaltserlaubnis" gewährt worden (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Linz gemäß § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 (FrG) von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "Aufenthalt aus humanitären Gründen" erteilt). In der Folge habe der Beschwerdeführer in seiner Heimat die Ausstellung eines Reisepasses beantragt. Nach Erhalt des Dokuments sei ihm eine Aufenthaltsberechtigung "in Vignettenform" von bis erteilt worden, wobei die Gültigkeitsdauer an jene des Reisepasses angeglichen worden sei. Am habe der Beschwerdeführer beim Magistrat Linz einen Antrag auf Weitergewährung seines humanitären Aufenthaltsrechts gestellt.
Daraufhin sei ihm eine Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen (mit Gültigkeit) vom bis erteilt worden.
Der nachfolgende Verlängerungsantrag sei vom Beschwerdeführer verspätet, am , gestellt worden; die Bewilligung sei (mit Gültigkeit) vom bis ausgestellt worden.
Seither halte sich der Beschwerdeführer ununterbrochen rechtmäßig in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer habe unbestritten im Sinne des § 24 Abs. 2 NAG vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels (der bis gültigen Niederlassungsbewilligung), nämlich am , einen entsprechenden (Verlängerungs)Antrag eingebracht. Die Zeit zwischen diesen beiden Zeitpunkten könne jedoch nicht als rechtmäßiger Aufenthalt gewertet werden, weil der rechtmäßige Aufenthalt erst nach Stellung eines Verlängerungsantrages vorliege. Der Beschwerdeführer habe daher erst seit dem einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich.
Selbst wenn man aber - so die belangte Behörde weiter - der vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers abgegebenen Stellungnahme, wonach die Bestimmung des § 24 Abs. 2 NAG dahin gehend zu interpretieren sei, dass im Falle der Stellung eines Verlängerungsantrages innerhalb der Sechs-Monatefrist der gesamte Aufenthalt als rechtmäßig zu qualifizieren sei, folgen wollte, hätte der Beschwerdeführer die Voraussetzungen (des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG) von mindestens zehn Jahren ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich, davon mindestens fünf Jahre niedergelassen, im Entscheidungszeitpunkt noch nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.
Gemäß § 24 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 (NAG), gelten Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, nur dann als Verlängerungsanträge, wenn der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurde. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer erfülle die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG aus zwei Erwägungen nicht:
a) Der Beschwerdeführer sei ab dem Ende der Gültigkeitsdauer seines (bis befristeten) Aufenthaltstitels infolge verspäteter Stellung des Verlängerungsantrages (am ) nicht rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen; ein rechtmäßiger Aufenthalt liege erst (wieder) seit der Wirksamkeit der Bewilligung des Antrages () vor.
b) Der Beschwerdeführer erfülle selbst bei Annahme eines rechtmäßigen Aufenthalts im Zeitraum vom 10. bis das Erfordernis des durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalts, davon zumindest fünf Jahre niedergelassen, nicht.
3. Die Beschwerde tritt lediglich der unter Pkt. 2.a) dargestellten Auffassung entgegen und bringt dazu (näher begründet) vor, die belangte Behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung gemäß § 24 Abs. 2 NAG auch den "Zeitraum vom 19. (richtig: 10.) 11. 2007 bis " als rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers werten müssen.
Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im Übrigen getroffenen Feststellungen bestreitet die Beschwerde nicht.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0003, mwN).
Zum Erfordernis des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0316, ausgesprochen, dass für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (am ) die Rechtmäßigkeit auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 und des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden kann.
Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erfordert, dass der Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit zumindest fünf Jahre niedergelassen ist, wobei diese beiden Verleihungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0008, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2006/01/0520, unter Hinweis auf Vorjudikatur das Kriterium des zehnjährigen und rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet zusammenfassend erläutert sowie die Voraussetzungen für die Erfüllung des Erfordernisses der fünfjährigen Niederlassung dargelegt.
"Niedergelassen" im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ist demnach, wer - als Drittstaatsangehöriger - zu einem der in § 2 Abs. 2 NAG genannten Zwecke auf der Grundlage eines entsprechenden Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung bzw. Niederlassungsberechtigung) mindestens fünf Jahre in Österreich aufhältig ist (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0008, mwN).
5. Die unter Pkt. 2.a) dargestellte Auffassung der belangten Behörde entspricht aus den im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/01/0211, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, nicht der Rechtslage.
Dies bedeutet für den Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer - der nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels (der bis befristeten Niederlassungsbewilligung) einen Verlängerungsantrag gestellt hat -
in den Genuss der aus § 24 Abs. 2 letzter Satz NAG resultierenden Rechtsfolgen kommt, nämlich dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet (auch) im fraglichen Zeitraum vom bis als "weiterhin rechtmäßig" anzusehen war.
6. Davon ausgehend sowie unter Zugrundelegung der - unstrittigen - sonstigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hatte der Beschwerdeführer jedoch erst seit dem einen ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet.
Es kann der belangten Behörde daher im Ergebnis (vgl. oben Pkt. 2.b) nicht entgegen getreten werden, wenn sie gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung des zehnjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts durch den Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt - das ist der Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () - verneinte.
Unbeschadet des Umstandes, dass nach den weiteren Feststellungen im angefochtenen Bescheid davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt das Erfordernis der mindestens fünfjährigen Niederlassung (eine Niederlassungsbewilligung wurde erstmals mit Wirksamkeit vom erteilt) erfüllte, erfolgte die Abweisung des Verleihungsantrages somit zu Recht.
7. Da sich die dagegen erhobene Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im begehrten Umfang - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-82809