VwGH vom 28.06.2010, 2006/10/0145

VwGH vom 28.06.2010, 2006/10/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. in Y, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Gartengasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A- 32-1021/04-5, betreffend Ersatz der Verpflegskosten für einen Krankenhausaufenthalt aus Sozialhilfemitteln, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Übernahme der Verpflegskosten des H. S. in der Landesnervenklinik Z in Y für den Zeitraum vom 28. April bis , vom 5. Mai bis und vom 28. Mai bis in Höhe von jeweils täglich EUR 256,70 abgelehnt. Begründend wurde ausgeführt, es liege kein Asylierungsfall vor, die Kosten wären von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zu übernehmen.

Der dagegen erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass der Sozialhilfeverband A verpflichtet wurde, der beschwerdeführenden Partei die Verpflegskosten für den Zeitraum vom 28. April bis , vom 11. Mai bis und vom 30. Mai bis in der Höhe von jeweils täglich EUR 256,70 zu ersetzen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, Herr S. habe sich in den von der Beschwerdeführerin in ihren Anträgen genannten Zeiträumen in stationärer Behandlung befunden. Er habe die Kosten des Krankenhausaufenthaltes nicht selbst zu tragen gehabt. Die Kostenübernahme durch den Krankenversicherungsträger setze eine Behandlungsbedürftigkeit eines Leidens voraus. Es komme zu einem Leistungsausschluss des Krankenversicherungsträgers, wenn die Pflege des Patienten die stationäre Unterbringung notwendig mache und nicht die ärztliche Behandlung. Soweit es sich um einen sogenannten Asylierungsfall (Unterbringung lediglich zur Pflege) gehandelt habe, seien die Kosten nicht von der beschwerdeführenden Partei zu tragen. Aus dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten ergäben sich die im Spruch genannten Zeiträume der Asylierung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Stmk. Sozialhilfegesetz (Stmk SHG) soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Die Sozialhilfe umfasst gemäß § 1 Abs. 2 Stmk SHG


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a)
Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes,
b)
Hilfe in besonderen Lebenslagen,
c)
Soziale Dienste.
Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht gemäß §
4 Abs. 1 Stmk SHG für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes II ein Rechtsanspruch.
Zum Lebensbedarf gehört u.a. gemäß §
7 Abs. 1 lit. c Stmk SHG die Krankenhilfe gemäß § 10. Die Krankenhilfe umfasst gemäß § 10 Abs. 1 Stmk SHG
a)
Heilbehandlung einschließlich Zahnbehandlung;
b)
Versorgung mit Heilmitteln, Heilbehelfen, Körperersatzstücken und Zahnersatz;
c)
Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten;
d)
Krankentransport.
Gemäß §
31 Abs. 1 Stmk SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war,
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte,
c)
der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
Gemäß §
31 Abs. 3 Stmk SHG hat der Sozialhilfeträger dem Dritten nicht mehr zu ersetzen, als er selbst nach diesem Gesetz aufzuwenden gehabt hätte.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht das Erfordernis der Anstaltspflege des H.
S. in den in den Anträgen der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz angeführten Zeiträumen unbestritten fest. Umstritten ist lediglich die Frage, ob H. S. in Ansehung der erforderlichen Anstaltspflege im Sinne des Stmk SHG hilfebedürftig war. Im angefochtenen Bescheid wird diese Frage für jene Zeiträume verneint, in denen der Krankenhausaufenthalt im Sinne des § 144 Abs. 3 ASVG durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt gewesen sei, sodass die Anstaltspflege während dieser Zeiträume durch den Krankenversicherungsträger gewährt werden müsse. Eine Kostentragung durch den Sozialhilfeträger - so folgerte die belangte Behörde offenbar - käme insoweit nicht in Betracht.
Nun schließt §
4 Abs. 1 Stmk SHG einen Anspruch auf Sicherung des Lebensbedarfes - nur im Umfang dieses Anspruches besteht gemäß § 31 Abs. 3 Stmk SHG eine Rückersatzpflicht des Sozialhilfeträgers - dann aus, wenn der Hilfesuchende seinen Lebensbedarf (Behandlung und Pflege im Krankenhaus) entweder selbst ausreichend beschaffen kann oder von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Der angefochtene Bescheid geht offenbar davon aus, dass H.
S. nicht in der Lage war, die erforderliche Behandlung und Pflege im Krankenhaus aus seinen eigenen Mitteln ausreichend zu beschaffen. Ob es ihm möglich gewesen wäre, einen allfälligen Leistungsanspruch gegenüber dem Krankenversicherungsträger rechtzeitig - bezogen auf die erforderliche Anstaltspflege - durchzusetzen, hat die belangte Behörde unerörtert gelassen. Vielmehr hat sie eine Gefährdung seines Lebensbedarfes (Krankenhilfe) ausschließlich aus der Erwägung verneint, es bestehe ihres Erachtens eine Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers.
Dabei hat die belangte Behörde übersehen, dass nach der hg.
Judikatur die Hilfsbedürftigkeit eines Hilfesuchenden im Sinne der sozialhilferechtlichen Regelungen nicht bereits mit dem Hinweis verneint werden kann, dieser habe gegenüber einem Dritten einen Anspruch auf die erforderliche Leistung. Entscheidend ist vielmehr, ob der Hilfesuchende die erforderliche Leistung auf Grund dieses Anspruches auch so rechtzeitig erhalten kann, dass er in seinem Bedarf nicht gefährdet wird. Andernfalls hat der Sozialhilfeträger - mit der allfälligen Möglichkeit eines Ersatzanspruches gegenüber dem primär Leistungspflichtigen - in Vorlage zu treten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0082, mwN).
Indem die belangte Behörde dies verkannte und eine Gefährdung des Lebensbedarfes des H.
S. für jene Zeiträume, für die nach ihrer Ansicht eine Leistungspflicht der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse besteht, verneinte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§
47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am