VwGH vom 11.10.2012, 2011/01/0263
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des J P in S, (Deutschland), vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Döllacherstraße 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/III-P 28/2010, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom stellte die belangte Behörde in Erledigung eines Antrages des Beschwerdeführers, eines am in Starnberg geborenen deutschen Staatsangehörigen, "gemäß § 42 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, in der geltenden Fassung" fest, dass dieser die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 7 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 250/1965 idF der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 170/1983 (StbG 1965), mit Geburt kraft Abstammung nach seiner Mutter M.P. erworben und am durch den freiwilligen Verbleib im Militärdienst des deutschen Staates gemäß § 32 StbG in der bis geltenden Fassung verloren habe. Er sei nicht österreichischer Staatsbürger.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am einen Antrag auf Feststellung seiner Staatsbürgerschaft eingebracht. Die am in Badgastein geborene eheliche Mutter des Beschwerdeführers M.P. sei laut Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom seit Geburt österreichische Staatsbürgerin. Gemäß § 7 Abs. 1 StbG 1965 in der seit geltenden Fassung würden eheliche Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt erwerben, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil österreichischer Staatsbürger sei. Der Beschwerdeführer habe daher die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt kraft Abstammung nach seiner Mutter -
der eheliche Vater sei offenbar deutscher Staatsangehöriger - erworben.
Der Beschwerdeführer habe laut seiner Wehrdienstzeitbescheinigung vom bis der deutschen Bundeswehr angehört, zuletzt als Soldat im freiwilligen Wehrdienst. Sein Grundwehrdienst habe die Zeit vom bis umfasst; vom bis habe er der deutschen Bundeswehr freiwillig angehört. Der Beschwerdeführer habe in seinem Lebenslauf dazu angegeben, in der deutschen Bundeswehr als "Soldat im freiwilligen Wehrdienst bei den Feldjägern" gedient zu haben. Gemäß § 32 StbG in der bis geltenden Fassung verliere die österreichische Staatsbürgerschaft, wer freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates trete. Der freiwillige Verbleib im Militärdienst eines fremden Staates nach Beendigung des gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtdienstes sei dem Neueintritt gleichzusetzen. Der Beschwerdeführer habe daher am dadurch, dass er nach Beendigung des gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtdienstes freiwillig im Dienst der deutschen Bundeswehr verblieben sei, gemäß § 32 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verloren.
Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er seinen Wehrdienst nur deshalb um drei Monate freiwillig verlängert habe, weil er die Zeit bis zum Beginn seines Studiums überbrücken habe wollen, und zwischen den den Grundwehrdienst freiwillig verlängernden Soldaten einerseits und den Zeit- und Berufssoldaten andererseits zu unterscheiden sei, wobei die erste Gruppe weiterhin den Wehrpflichtigen zuzuordnen sei, sei dem entgegenzuhalten, dass § 32 StbG lediglich auf das Moment der Freiwilligkeit des Militärdienstes abstelle. Wie dieser Dienst bzw. die ihn Ausübenden bezeichnet würden sei ebenso ohne Belang wie die Dauer dieses Militärdienstes. Die Freiwilligkeit der Militärdienstverlängerung, die der Beschwerdeführer selbst einräume, sei in seinem Fall nicht zweifelhaft.
Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Zeitpunkt der Verlängerung seines Militärdienstes nicht gewusst habe, dass er österreichischer Staatsbürger sei, hätte er davon Kenntnis gehabt, hätte er keine Wehrdienstverlängerung vorgenommen, sei auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/01/0213, zu verweisen. Diesem Erkenntnis zufolge führe der durch einen diesbezüglichen Antrag erfolgte Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gemäß § 27 StbG zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, obwohl der Betroffene im Zeitpunkt der Antragstellung infolge einer falschen Behördenauskunft irrtümlich vom bereits eingetretenen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgegangen sei. Dieses Erkenntnis könne sinngemäß auch auf den Fall des Beschwerdeführers angewendet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Sie bringt im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer sei nicht freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates eingetreten, er sei vielmehr zum Pflichtwehrdienst in der deutschen Bundeswehr einberufen worden. Im Rahmen der Musterung habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, den Pflichtdienst um drei Monate zu verlängern, um die Zeit bis zum Beginn seines Studiums zu überbrücken. Es handle sich daher um eine lediglich geringfügige Verlängerung der Mindestwehrpflicht, welche ein probates Mittel darstelle, die Zeit zwischen dem Ende des Wehrdienstes und dem Beginn des Studiums zu überbrücken, um wirtschaftlich und sozial abgesichert zu sein. In der Bundesrepublik Deutschland sei es möglich, die allgemeine Wehrpflicht auf eine maximale Dauer von 23 Monate zu verlängern. Dieser Umstand ändere jedoch nichts daran, dass Soldaten im freiwilligen Wehrdienst weiterhin dem Status der Wehrpflichtigen zuzuordnen seien. Davon abzugrenzen seien Soldaten auf Zeit, die sich für eine Minimalwehrdienstzeit von zwei Jahren verpflichten müssten, und Berufssoldaten. Der Beschwerdeführer habe zu keinem Zeitpunkt "den Status eines freiwilligen Soldaten auf Zeit" gehabt, sondern sei vielmehr immer wehrpflichtig gewesen. Soweit die belangte Behörde auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren verweise, wonach er als "Soldat im freiwilligen Wehrdienst bei den Feldjägern" gedient habe, so ändere dies nichts am tatsächlichen Status als Wehrpflichtiger. Die Ansicht der belangten Behörde, § 32 StbG stelle lediglich auf das Moment der Freiwilligkeit des Militärdienstes ab, sei unzutreffend, vielmehr sei der "tatsächliche Status" des Beschwerdeführers maßgeblich. Ein freiwilliger Eintritt in den Militärdienst könne nur angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer "sich freiwillig einer umfangreicheren Militärpflicht" unterworfen hätte. Davon könne keine Rede sein, da der Beschwerdeführer lediglich drei Monate länger im Militärdienst im Status eines Wehrpflichtigen bei der deutschen Bundeswehr verblieben sei. Bei Ausscheiden aus dem Wehrdienst nach neun Monaten wäre der Beschwerdeführer "unverschuldet in eine Notlage geraten". Hätte der Beschwerdeführer den Militärdienst nicht verlängert, hätte dies für ihn "vor allem wirtschaftliche und erhebliche soziale Nachteile (keine gesetzliche Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung)" mit sich gebracht. Der Weiterverbleib für die Dauer von drei Monaten sei für den Beschwerdeführer die einzige Möglichkeit zur Überwindung dieser Notlage gewesen.
Der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Absolvierung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland auch keine Kenntnis von seiner österreichischen Staatsbürgerschaft gehabt. Hätte er davon Kenntnis gehabt und hätte er gewusst, welche Folgen eine Verlängerung der Wehrpflicht nach sich ziehen würde, hätte er eine derartige Verlängerung nicht vorgenommen, obwohl dies für ihn existenzbedrohende Auswirkungen hätte haben können. Der Beschwerdeführer habe die Unkenntnis von der österreichischen Staatsbürgerschaft auch nicht zu vertreten, da dessen Mutter infolge behördlicher Fehlinformation schon vor dem Zeitpunkt seiner Geburt davon ausgegangen sei, dass sie ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die zum Zeitpunkt des Weiterverbleibs des Beschwerdeführers in der deutschen Bundeswehr am in Geltung gestandene Bestimmung des § 32 StbG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 (zur Beurteilung staatsbürgerschaftsrechtlicher Sachverhalte nach der zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Rechtslage vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0482, mwN), hatte folgenden Wortlaut:
"Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates
§ 32. Die Staatsbürgerschaft verliert, wer freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates tritt. § 27 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."
2. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht insoweit, als es für den Tatbestand des Verlustes der Staatsbürgerschaft durch den Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates bzw. den Weiterverbleib im Militärdienst eines fremden Staates (nach Beendigung des Pflichtdienstes) auf die Voraussetzung der Freiwilligkeit ankommt, jenen Fällen, die mit den hg. Erkenntnissen jeweils vom , Zlen. 2007/01/0482, 2008/01/0150 und 2008/01/0274 entschieden wurden. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen werden (vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0889).
3. Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie fallbezogen von einem freiwilligen Weiterverbleib des Beschwerdeführers in der deutschen Bundeswehr nach Beendigung des Pflichtdienstes ausgegangen ist. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend macht, er sei auch während der Zeit der Verlängerung des Wehrdienstes "im Status eines Wehrpflichtigen" verblieben, so kann dieses Vorbringen der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es für die Frage des Verlustes der Staatsbürgerschaft nach § 32 StbG insofern allein auf den freiwilligen Weiterverbleib im Militärdienst eines fremden Staates ankommt, der auch dann vorliegt, wenn der Betroffene sich - ohne dazu nach der fremden Rechtsordnung verpflichtet zu sein - freiwillig einer umfangreicheren Militärpflicht unterwirft (vgl. Thienel , Österreichische Staatsbürgerschaft, Bd. II (1990) S. 314 f).
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, bei Ausscheiden aus dem Wehrdienst nach neun Monaten wäre der Beschwerdeführer "unverschuldet in eine Notlage geraten", so unterliegt dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 41 Abs. 1 VwGG). Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom (bloß) ausgeführt, er habe den Pflichtwehrdienst "lediglich deshalb freiwillig um drei Monate verlängert, um die Zeit bis zum Beginn" seines Studiums (an anderer Stelle der Stellungnahme: zeitlich und finanziell) zu überbrücken; eine andernfalls drohende Notlage wurde hingegen nicht behauptet. Davon abgesehen wird aber mit dem bloßen Verweis auf "vor allem wirtschaftliche und erhebliche soziale Nachteile (keine gesetzliche Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung)", die mit dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst nach neun Monaten verbunden gewesen wären, weder das Bestehen eine Notlage nachvollziehbar aufgezeigt noch konkret dargelegt, warum der Weiterverbleib im Militärdienst für die Dauer von drei Monaten für den Beschwerdeführer die einzige Möglichkeit zur Überwindung der behaupteten Notlage war.
Ob der Beschwerdeführer aber vom Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft wusste, ist in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-82791