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VwGH vom 27.02.2013, 2011/01/0262

VwGH vom 27.02.2013, 2011/01/0262

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Kocher Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA7C-2.0-M1.23- 1580/2011-29, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, hält sich seit Februar 2001 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er stellte am einen Asylantrag. Sein Asylantrag wurde vom Bundesasylamt abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Am zog er diese Berufung zurück, "da ich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet bin und ich eine Niederlassungsbewilligung erhalten werde".

Der Beschwerdeführer hat am vor dem Standesamt G mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes G vom wurde diese Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a Ehegesetz mit der Wirkung geschieden, dass sie mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses aufgelöst ist; der genannte Beschluss wurde am materiell rechtskräftig.

Am beantragte der Beschwerdeführer (als Angehöriger einer Österreicherin) die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne von § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997).

Am stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Verleihungsantrag gemäß "§§ 10 Abs. 1 Z 1 und 11a Abs. 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985 i.d.F. BGBl. I Nr. 38/2011" ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe - worauf in der Stellungnahme der Bundespolizeidirektion G hingewiesen worden sei - seinen Asylantrag am beim Bundesasylamt G zurückgezogen. Auf Grund der Eheschließung (am ) mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei ihm am eine Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bis erteilt worden. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 2001 "mit einer Unterbrechung vom - bis dato ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet".

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG deshalb nicht, weil sein Aufenthalt in Österreich die festgestellte Unterbrechung aufweise. Zu dieser Unterbrechung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 28 Abs. 5 FrG 1997 würden Fremde, denen in Österreich Asyl gewährt werde, Sichtvermerksfreiheit genießen. Fremde, die nach dem Asylgesetz 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien, würden hierfür keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel benötigen. Fremde, die Angehörige von Österreichern gewesen seien, hätten Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen können. Die Aufenthaltsbehörde habe daher den Rücktritt vom Asylantrag vor Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung verlangen müssen, um ein Aufenthaltsverfahren durchführen zu können. Die "dadurch entstehende Lücke eines rechtmäßigen Aufenthalts" könne nicht der Behörde zugeschrieben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der gegenständlich maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden ("ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0063, mwN).

Zum Erfordernis des rechtmäßigen (und ununterbrochenen) zehnjährigen Aufenthaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0316, bereits ausgesprochen, dass für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (am ) die Rechtmäßigkeit auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 und des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden kann. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 19. November bis ist daher nach dem Fremdengesetz 1997 zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/01/0063 mwN).

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 des bis in Geltung gestandenen Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

Gemäß § 31 Abs. 4 FrG halten sich Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Als Entscheidung in diesem Sinne gilt auch eine von der Behörde veranlasste Aufenthaltsbeendigung (§ 15).

Gemäß § 23 Abs. 1 letzter Satz FrG beginnt die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung mit dem Tag ihrer Erteilung.

Der Beschwerdeführer war (im maßgeblichen Zeitraum vom 19. November bis ) Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin und derart ein begünstigter Drittstaatsangehöriger (§ 47 Abs. 3 Z. 1 FrG).

Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit., die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen gemäß § 49 Abs. 1 FrG Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen.

Nach Artikel 5 Abs. 1 zweiter Satz der (während des maßgeblichen Zeitraumes geltenden) Richtlinie 64/221/EWG durfte der Beschwerdeführer als Ehegatte (vgl. Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie) sich bis zur Entscheidung über die Erteilung oder die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis vorläufig im Hoheitsgebiet aufhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass Angehörige eines österreichischen Staatsangehörigen gemäß § 49 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht nur Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen dürfen, sondern dass sie sich gleich den Angehörigen von (sonstigen) EWR-Bürgern nach Art. 5 Abs. 1 zweiter Satz der Richtlinie 64/221/EWG bis zur Entscheidung über die Erteilung oder die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis vorläufig im Bundesgebiet aufhalten dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/21/0120, und die darin zitierte hg. Judikatur). Da die belangte Behörde die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor dem Hintergrund seines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (lediglich) am Maßstab des § 31 Abs. 4 FrG beurteilte und dabei die dargestellte Rechtslage außer Acht gelassen hat, erweist sich ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe sich im Zeitraum vom 19. November bis nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, als rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer weist demnach die von der belangten Behörde angenommene Unterbrechung seines rechtmäßigen Aufenthalts nicht auf.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-82787