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VwGH vom 17.12.2013, 2013/09/0153

VwGH vom 17.12.2013, 2013/09/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des YP in S, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Kärnten des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGS/Abt.SfU/ABA 1573227/2011, betreffend Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines ukrainischen Staatsangehörigen, auf Ausstellung einer Bestätigung, dass er vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen sei, gemäß § 3 Abs. 8 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) iVm § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG abgewiesen.

Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, dass er seit dem mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und der Ehe eine Tochter entstamme, welche ebenfalls österreichische Staatsbürgerin sei, beide hätten gemäß § 20 AEUV auch die Unionsbürgerschaft. Er berufe sich auf das Metock, Rs C- 127/08, und es sei im Sinne dieses Urteiles nicht zulässig, ihm im Hinblick darauf, dass er seiner minderjährigen Tochter Unterhalt gewähre, die Arbeitserlaubnis zu verwehren. Mit dem Recht auf Arbeitsaufnahme sei zwingend die Ausstellung der begehrten Ausnahmebestätigung verbunden.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer ukrainischer Staatsbürger sei und seit dem mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Sein Antrag auf Gewährung von Asyl sei rechtskräftig abgewiesen worden und er verfüge über kein gültiges Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Nach Darstellung der Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde aus, es finde sich kein Hinweis darauf, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers einen Freizügigkeitssachverhalt gesetzt habe und ein europarechtliches Aufenthaltsrecht hätte. Es seien daher die (einschränkenden) österreichischen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 lit. l des Ausländerbeschäftigungsgesetzes anzuwenden.

Diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die , "Zambrano", und vom , Rechtssache C-256/11, "Dereci u.a.", und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0054, aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0309 und weitere Zlen., in Beschwerdefällen betreffend Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln an Ehegatten von österreichischen Staatsbürger/innen ebenfalls unter Hinweis auf das , in der Rechtssache Dereci et al, dargelegt, dass es zwar das Unionsrecht einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, einen Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet zu verweigern, wenn dieser Drittstaatsangehörige dort zusammen mit einem Familienangehörigen wohnen möchte, der Unionsbürger ist, sich in diesem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält und nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, allerdings nur dann, sofern eine solche Weigerung nicht dazu führt, dass dem betreffenden Unionsbürger der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird.

Diese Überlegungen träfen auch auf die Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG zu. Zur Sicherung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, seien nämlich sowohl das Recht auf Aufenthalt als auch das Recht auf eine Arbeitserlaubnis jener einem Drittstaat angehörenden Person zu gewährleisten, auf deren Unterhalt die betroffenen Unionsbürger angewiesen sind (vgl. das Urteil Zambrano, RandNr. 43, und das Urteil Dereci, RandNr. 65; vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0160, mwN).

Die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Versagung des Rechts, sich in Österreich aufzuhalten und in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen, für den Beschwerdeführer im Ergebnis zur Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, für die Ehegattin und minderjährige Tochter des Beschwerdeführers, die beide österreichische Staatsbürgerinnen sind, führen würde (Randnummer 68 des angeführten EuGH-Urteiles Dereci).

Die belangte Behörde stellte im fortgesetzten Verfahren weitere Ermittlungen an und wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG neuerlich ab.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer Vater einer 2010 geborenen österreichischen Staatsbürgerin sei. Deren Mutter sei seine Ehegattin, die ebenfalls österreichische Staatsbürgerin sei, verfüge über keine Ausbildung und arbeite immer wieder als Hilfsarbeiterin. In der Zeit vom 11. April bis zum 2. Mai habe sie in rund drei Wochen EUR 779,25 brutto, somit täglich rund EUR 39,-- verdient und in der Zeit vom bis Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 27,19 plus zwei Familienzuschläge (für den Beschwerdeführer und dessen Tochter), zusammen rund EUR 29,-- täglich bezogen.

Der Beschwerdeführer selbst habe in dieser Zeit kein Einkommen bezogen. Seine Ehegattin habe beim Arbeitsmarktservice angegeben, dass er die Kinderbetreuungspflichten wahrnehmen werde, sollte sie eine Beschäftigung aufnehmen. Sie habe im Jahr 2011 Familienbeihilfe zuzüglich Kinderabsetzbetrag in der Höhe von monatlich EUR 163,80 und im Zeitraum vom bis Kinderbetreuungsgeld von EUR 20,90 täglich bezogen.

Um seiner Ehegattin die Beschäftigung im April/Mai 2011 zu ermöglichen, habe der Beschwerdeführer die Tochter in dieser Zeit betreut. Weder die Ehegattin des Beschwerdeführers noch seine Tochter hätten einen Freizügigkeitssachverhalt gesetzt.

Nach Darstellung von Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Versagung des Rechts für den Beschwerdeführer, sich in Österreich aufzuhalten und in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen, für seine Ehegattin und seine minderjährige Tochter, die beide österreichische Staatsbürgerinnen seien, nicht im Ergebnis zur Verwehrung des Kernbestands der Rechte führen würde, die der Unionsbürgerstatus verleiht.

Die Familie habe nämlich im April 2011 und im Mai 2011 über ein gesichertes Einkommen verfügt, nämlich im April über hochgerechnet rund EUR 1.950,-- und im Mai rund EUR 1.700,--.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass der Unterhalt der Familie wegen der durch Nichtausstellung der Ausnahmebestätigung de facto verhinderten Arbeitsaufnahme "überwiegendst" aus staatlichen Sozialmitteln bestritten habe werden müssen. Dies treffe jedoch nicht zu, weil die bezogenen Leistungen Arbeitslosengeld, Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe unabhängig vom Familieneinkommen und unabhängig von der Ausstellung der vom Beschwerdeführer begehrten Ausnahmebestätigung bezahlt würden.

Mit der Nichtausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG sei dem Beschwerdeführer auch nicht generell eine Arbeitsaufnahme, sondern lediglich die begehrte Bestätigung verwehrt worden.

Würde die Ehegattin des Beschwerdeführers und seine Tochter das Bundesgebiet verlassen und mit dem Beschwerdeführer in sein Heimatland der Ukraine folgen, so würde sich das Familieneinkommen drastisch verschlechtern, weil die in Österreich bezogenen Familien- und Versicherungsleistungen an einen Aufenthalt in Österreich gebunden seien. Es sei amtsbekannt, dass bei nahezu gleichen Preisen das Lohnniveau und die Beschäftigungschancen in der Ukraine wesentlich niedriger bzw. schlechter seien als in Österreich. Die Ehegattin und die Tochter des Beschwerdeführers seien daher im Fall der Ausreise des Beschwerdeführers keinesfalls de facto gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0142, unter Hinweis auf das zum Aufenthaltsrecht ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2009/22//0054, dargelegt, dass die in den Urteilen des EuGH Zambrano und Dereci zum Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen angestellten Erwägungen auch für den Zugang von Drittstaatsangehörigen zu einer Beschäftigung nach dem AuslBG auf dem österreichischen Arbeitsmarkt Geltung haben, wenn die Nichtzulassung eines Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt dazu führen würde, dass sich Unionsbürger wie die Ehegattin und Tochter des Beschwerdeführers de facto gezwungen sähen, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem sie angehören, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes und dergestalt ihre Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Im Übrigen wird auf das angeführte Erkenntnis gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Der Beschwerdeführer beruft sich neuerlich darauf, dass ihm die Ausstellung einer Ausnahmebestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG im Lichte des Urteiles des EuGH in der Rechtssache Zambrano nicht verweigert hätte werden dürfen. Er meint, im Sinne des § 7 Abs. 5 Z. 2 AlVG dürfe bei Bezug von Kinderbetreuungsgeld Arbeitslosengeld nur dann bezogen werden, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut werde. Wäre er in Arbeit und nicht zur Kinderbetreuung zur Verfügung gestanden, dann hätte das Kind von seiner arbeitslosen Ehegattin betreut werden müssen, diese hätte dann wegen Nichtverfügbarkeit am Arbeitsmarkt Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 815,70 monatlich nicht beziehen können. Das Einkommen seiner Ehegattin hätte sich daher um rund EUR 800,-- monatlich verringert.

Mit einem 40-Stunden Job auf der Baustelle hätte der Beschwerdeführer aber wesentlich mehr als EUR 800,-- ins Verdienen bringen können, dadurch sei das Familieneinkommen im Sinne des Urteils Zambrano verkürzt gewesen und es habe im Sinne der Rz 44 des Urteils die Gefahr bestanden, "dass eine solche Person, wenn ihr keine Arbeitserlaubnis erteilt wird, nicht über die für ihren Unterhalt und den ihrer Angehörigen erforderlichen Mittel verfügt". Die begehrte Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG hätte daher ausgestellt werden müssen.

Damit zeigt der Beschwerdeführer, der unbestritten lässt, dass seine österreichischen Angehörigen von ihrer unionsrechtlichen Freizügigkeit in hier relevanter Weise nicht Gebrauch gemacht haben (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/09/0210, und vom , Zl. 2008/09/0302) keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Aus dem Hinweis darauf, dass sich das Familieneinkommen im Fall seiner Zulassung zum Arbeitsmarkt erhöhen würde, ist nämlich noch nicht abzuleiten, dass seine Ehegattin und seine Tochter, die beide die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sich im Sinne der RandNr. 66 des Urteiles Zambrano im Fall der Nichtzulassung des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt de facto gezwungen sähen, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem sie angehören, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes und dergestalt ihre Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Der EuGH hat in Randnr. 68 seines Urteiles Zambrano dargelegt, die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme rechtfertige, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde. Ebenso ist daraus, dass es aus der Sicht der Ehegattin des Beschwerdeführers und seiner Tochter wünschenswert wäre, wenn der Beschwerdeführer eine unselbständige Arbeit aufnehmen dürfte, noch nicht abzuleiten, dass dem Beschwerdeführer dieses Recht auch tatsächlich eingeräumt werden muss. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass dies notwendig wäre, um zu verhindern, dass seine Ehegattin und seine Tochter das Unionsgebiet verlassen.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, ihm sei von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt am ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG erteilt worden, zeigt er keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er nicht darlegt, dass dieser Aufenthaltstitel auch zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigen würde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/09/0242, vom , Zl. 2007/09/0217, und vom , Zl. 2012/09/0003).

Bereits die Beschwerde und der mit dieser angefochtene Bescheid lassen sohin erkennen, dass sie unbegründet ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-82783