VwGH vom 30.06.2022, Ra 2019/11/0203
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz-Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des W S in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das am mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG-651478/10/ZO/KA, betreffend Aufforderung nach § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
11.1. Mit Erkenntnis vom bestätigte das Verwaltungsgericht Oberösterreich den Bescheid der belangten Behörde vom , mit welchem dem Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 und 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für einen Zeitraum von acht Monaten berechnet ab (Zeitpunkt der Führerscheinabnahme) entzogen und er verpflichtet wurde, sich vor Ablauf der Entziehungsdauer einer begleitenden Maßnahme (Nachschulung für alkoholauffällige Lenker) zu unterziehen, ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung sowie zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen. Begründend stützte sich das Verwaltungsgericht auf einen Vorfall vom , bei welchem der Revisionswerber seinen PKW in stark alkoholbeeinträchtigtem Zustand gelenkt (Alkoholgehalt der Atemluft von 1,03 mg/l) und dabei eine Person leicht verletzt habe, weswegen er wegen des Vergehens nach § 88 StGB verurteilt worden sei, wobei das Gericht von einer Tatbegehung unter Alkoholeinwirkung ausgegangen sei.
2Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die hg. zu Ra 2019/11/0061 protokollierte Revision, welche mit hg. Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen wurde.
31.2.1. Mit Bescheid vom forderte die belangte Behörde den Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 4 FSG auf, innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme betreffend die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen näher bezeichneter Klassen sowie eine (näher umschriebene) Haaranalyse beizubringen.
41.2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise statt und sprach aus, dass der Revisionswerber zur Beibringung einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme betreffend seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen binnen sechs Wochen verpflichtet sei, die Verpflichtung zur Haaranalyse jedoch entfalle. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
5Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe „in der Zwischenzeit“ (gemeint: in Befolgung des eingangs genannten, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom bestätigten Bescheides der belangten Behörde vom ) die Nachschulung und die verkehrspsychologische Untersuchung absolviert und sei am amtsärztlich untersucht worden. Sodann habe ihm die belangte Behörde den Führerschein wieder ausgefolgt.
6Beweiswürdigend gab das Verwaltungsgericht die amtsärztliche Stellungnahme wieder, nach welcher der Revisionswerber im Jahr 2005 ein Alkoholdelikt begangen habe. Im Jahr 2011 sei ein schädlicher Gebrauch von Alkohol festgestellt und der Revisionswerber als gesundheitlich nur bedingt geeignet eingeschätzt und eine Befristung seiner Lenkberechtigung ausgesprochen worden. Im Jahr 2013 sei der Revisionswerber zum Lenken geeignet gewesen. Entsprechend der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom bemühe sich der Revisionswerber seit dem Vorfall vom Mai 2018 um weitgehenden Alkoholverzicht, ein Veränderungsprozess sei begonnen worden, welcher aber auf Grund der kurzen Zeitdauer und der „massiven Vorfälle“ im Alkohol- und Fahrverhalten als noch nicht stabil zu werten sei. Der Revisionswerber stehe seiner diesbezüglichen Vorgeschichte problembewusst gegenüber. Um Trink- und Fahrkonflikte zu vermeiden, werde er gesellschaftliche Trinkanlässe besser planen und organisieren.
7Auf Grundlage dieser Anamnese sei der Sachverständige zum Schluss gekommen, dass beim Revisionswerber eine erhebliche Alkoholgewöhnung vorliege. Die Mehrheit der Bevölkerung sei laut Trinkversuchen gar nicht in der Lage, Blutalkoholkonzentrationswerte von 1,5 bis 1,6 Promille zu erreichen. Eine „Metaanalyse“ komme zum Schluss, dass Alkoholkonzentrationen von über 1,3 Promille nicht mit dem im gesellschaftlichen Rahmen üblichen Alkoholkonsum vereinbar seien. Der beim Revisionswerber gemessen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,03 mg/l sei nur durch Bypass-Abbauwege in der Leber vereinbar, welche durch regelmäßigen Alkoholkonsum gebildet würden. Entsprechend der ICD-Kodierung lägen die Kriterien für einen schädlichen Gebrauch von Alkohol vor, weshalb zur Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung eine psychiatrische Stellungnahme erforderlich sei.
8In der mündlichen Verhandlung habe der Sachverständige ausgeführt, dass auf Grund des Alkoholisierungsgrades ein längerer und intensiverer Gebrauch von Alkohol stattgefunden habe müsse, weshalb aus medizinischer Sicht die Diagnose eines gehäuften Missbrauchs bestehe. Es sei daher zur Abklärung, ob es sich um einen schädlichen Gebrauch bzw. allenfalls bereits um eine beginnende Alkoholabhängigkeit handle, eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme notwendig.
9Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, beim Revisionswerber liege nach Einschätzung des medizinischen Sachverständigen ein schädlicher Gebrauch von Alkohol „zumindest im Zeitraum um Mai 2018“ vor. Diese Einschätzung sei insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bereits um das dritte aktenkundige Alkoholdelikt innerhalb von 12 Jahren handle und beim Revisionswerber bereits im Jahr 2011 ein C2-Abusus diagnostiziert worden sei, nachvollziehbar. Auch die Ausführungen des Sachverständigen, dass der hohe Alkoholisierungsgrad auf einen länger andauernden Konsum größerer Mengen Alkohols schließen ließen, seien nachvollziehbar. Der Revisionswerber habe diesen Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene widersprochen. Es bestünden daher begründete Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV sei bei Personen, welche von Alkohol abhängig waren oder einen gehäuften Missbrauch begangen hätten, zwingend eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme einzuholen.
10Die belangte Behörde habe vorerst im Entziehungsbescheid (vom ) gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 angeordnet. Die Notwendigkeit einer fachärztlichen psychiatrischen Untersuchung habe sich erst auf Grund der amtsärztlichen Untersuchung ergeben. Die belangte Behörde habe dem Revisionswerber nach dieser Untersuchung seinen Führerschein ausgefolgt und ihn gleichzeitig gemäß § 24 Abs. 4 FSG zur Beibringung der fachärztlichen Stellungnahme mit Bescheid aufgefordert. Dafür sei eine neue angemessene Frist zu setzen gewesen.
11Die Verpflichtung zur Beibringung einer Haaranalyse sei aufzuheben gewesen, weil deren Notwendigkeit zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung auf Grund der bisherigen Untersuchungsergebnisse nicht zwingend feststehe und § 14 Abs. 5 FSG-GV Laborbefunde zur Beurteilung des Alkoholkonsumverhaltens nicht vorsehe.
121.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
13Die belangte Behörde hat nach Einleitung des Vorverfahrens mitgeteilt, von einer Revisionsbeantwortung abzusehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
142. Die Revision ist zur weiteren Klarstellung des in ihrer Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Verhältnisses von § 24 Abs. 3 und 4 FSG zulässig.
153.1. Das Führerscheingesetz - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 76/2019, lautet (auszugsweise):
„Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2.verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3.gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. ...
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ...
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen: ‚geeignet‘, ‚bedingt geeignet‘, ‚beschränkt geeignet‘ oder ‚nicht geeignet‘. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
1.gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten ‚geeignet‘ für diese Klassen zu lauten;
2.zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten ‚bedingt geeignet‘ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
...
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. ... Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. ... Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen. ...
...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
...“
16Die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 228/2019, lautet (auszugsweise):
„Begriffsbestimmungen
§ 1. Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
1.ärztliches Gutachten: ein von einem Amtsarzt oder von einem gemäß § 34 FSG bestellten sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin gemäß der Anlage erstelltes Gutachten, das in begründeten Fällen auch fachärztliche Stellungnahmen, gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG oder erforderlichenfalls auch eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu umfassen hat.
...
Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
(2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, haben ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.
...
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
...“
174. Die Revision ist nicht begründet:
184.1.1. Das FSG sieht im Verfahren zur Erteilung (Verlängerung) einer Lenkberechtigung Aufforderungsbescheide gemäß § 24 Abs. 4 FSG nicht vor (vgl. , unter Hinweis auf ). Ergibt sich in einem solchen Verfahren im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, hat gemäß § 3 Abs. 3 erster Satz FSG-GV die Führerscheinbehörde dem Antragsteller - gestützt auf § 8 Abs. 2 erster Satz FSG - im Wege einer Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die Vorlage der zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde und/oder Stellungnahmen aufzutragen (vgl. ; , Ra 2019/11/0152).
19Liegt hingegen eine aufrechte Lenkberechtigung vor, bestehen jedoch Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist der Besitzer der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 FSG mit Bescheid aufzufordern, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen (sog. Aufforderungsbescheid; vgl. zur Unzulässigkeit eines Ladungsbescheides in einer solchen Konstellation ).
204.1.2. Im Revisionsfall liegt die Besonderheit vor, dass die auf § 24 Abs. 4 FSG gestützte Aufforderung zur Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme als erforderlich zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung erachtet wurde, welche gemäß § 24 Abs. 3 FSG bei einer Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet worden war.
21Zu dem damit angesprochenen Verhältnis von § 24 Abs. 3 und 4 FSG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2014/11/0087, ausgeführt, dass gemäß § 24 Abs. 3 FSG in der Fassung der 5. FSG-Novelle bereits anlässlich der Entziehung der Lenkberechtigung und nicht erst anlässlich der Wiederausfolgung des Führerscheins von der Behörde zu prüfen und gegebenenfalls darüber abzusprechen ist, ob bzw. welche weiteren Nachweise der Betroffene zu erbringen hat. Die Behörde hat also die Möglichkeit, bereits im Zeitpunkt der Entziehung absehbar notwendige weitere Maßnahmen anzuordnen. Demgegenüber eröffnet § 24 Abs. 4 FSG der Behörde die Vorschreibung der erforderlichen Maßnahmen abseits eines Entziehungsverfahrens. Die Behörde kann bei Ablauf der (insbesondere wegen Verkehrsunzuverlässigkeit ausgesprochenen) Entziehungsdauer auf bestehende Bedenken an der gesundheitlichen Eignung adäquat reagieren, nämlich nach der Konzeption des § 24 Abs. 4 FSG durch Erlassung eines Aufforderungsbescheids. Eine „Beibringung“ eines gemäß § 24 Abs. 3 FSG aufgetragenen amtsärztlichen Gutachtens (§ 24 Abs. 3 erster Satz FSG) und insoweit eine „Befolgung“ der diesbezüglichen Anordnung (§ 24 Abs. 3 sechster Satz FSG) liegt schon dann vor, wenn sich der Betreffende der amtsärztlichen Untersuchung unterzogen und an ihr mitgewirkt hat. Wurde die Beibringung von Befunden nicht durch Bescheid aufgetragen, meint aber der Amtsarzt, solche Befunde zur Erstattung seines Gutachtens zu benötigen, hat die Behörde gegebenenfalls (teilt sie diese Auffassung) mit Bescheid einen Auftrag zur Beibringung dieser Befunde zu erlassen.
224.1.3. Auch ein solcher ergänzender Aufforderungsbescheid, der zur Ermöglichung der Erstellung eines gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordneten amtsärztlichen Gutachtens erlassen wird, muss den Anforderungen des § 24 Abs. 4 FSG entsprechen (vgl. , Rn. 31).
23Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn bei der Behörde im Zeitpunkt seiner Erlassung (bzw. im Fall einer Rechtsmittelentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung derselben) nach wie vor begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige aktuelle Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. aus vielen , mwN).
244.2. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes:
254.2.1. Es geht zunächst das Revisionsvorbringen ins Leere, das Verwaltungsgericht sei schon deswegen zu Unrecht von der Anwendbarkeit des § 24 Abs. 4 FSG ausgegangen, weil das auf Grund des Vorfalls vom geführte Führerscheinentziehungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Revisionswerber hat sich nämlich der im Entziehungsverfahren angeordneten amtsärztlichen Untersuchung, ungeachtet der Erhebung einer Revision gegen das diesbezügliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom , tatsächlich unterzogen, weswegen es auf die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision die aufschiebende Wirkung zuerkannte, nicht weiter ankommt. Der Führerschein wurde dem Revisionswerber, nachdem er sich der amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hatte, auch wieder ausgefolgt. Der Amtsarzt hielt jedoch die Beibringung einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung für erforderlich, weswegen die belangte Behörde den Revisionswerber mit Bescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG zur Beibringung eines solchen Befundes aufforderte. Sie hat damit eben jene Vorgangsweise gewählt, wie sie im oben wiedergegebenen hg. Erkenntnis Ra 2014/11/0087 vorgezeichnet ist.
264.2.2. Die Revision bestreitet auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG. Seit Wiedererteilung der Lenkberechtigung an den Revisionswerber im Jahr 2013 liege ein einziges Alkoholdelikt (besagter Vorfall vom ) vor. Dies begründe aber weder einen „gehäuften Missbrauch von Alkohol“ iSd. § 14 FSG-GV, welcher Voraussetzung für einen Aufforderungsbescheid sei, noch aktuelle Bedenken an der gesundheitlichen Eignung, welche auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorliegen müssten.
27Auch damit zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht auf:
284.2.2.1. Die Revision ist zunächst mit ihrem Vorbringen im Recht, dass Umstände, welche vor dem Zeitpunkt der - unstrittigen - (Wieder-)Erteilung der Lenkberechtigung an den Revisionswerber im Jahr 2013 gelegen sind, nicht geeignet waren, Bedenken im Sinn des § 24 Abs. 4 FSG hervorzurufen (vgl. [VwSlg. 19.027/A]; , Ra 2017/11/0232).
29Das Verwaltungsgericht stützte seine Bedenken aber nicht bloß auf ein Alkohol(verweigerungs)delikt im Jahr 2005 und die Diagnose eines Alkoholabusus im Jahr 2011, sondern primär auf den Vorfall vom , bei welchem der Revisionswerber - unbestritten - ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 1,03 mg/l gelenkt und dabei eine andere Person verletzt hat, sowie auf die amtsärztliche Stellungnahme im Zusammenhang mit der gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordneten amtsärztlichen Untersuchung. Es hat daraus den Schluss gezogen, dass „zumindest im Zeitraum um Mai 2018“ ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vorgelegen sei.
304.2.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0232, ausgeführt, dass gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV auch eine in der Vergangenheit liegende Abhängigkeit oder ein in der Vergangenheit erfolgter gehäufter Missbrauch die Annahme einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen. Vielmehr liege in solchen Fällen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 FSG eine nur bedingte gesundheitliche Eignung vor. Im Hinblick darauf sei aber davon auszugehen, dass auch eine Abhängigkeit oder ein gehäufter Missbrauch, die bzw. der in der Vergangenheit vorlag, Bedenken ob der gesundheitlichen Eignung auslösen können. Dies habe zur Konsequenz, dass auch in solchen Konstellationen ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 FSG zur Sicherstellung der in § 14 Abs. 5 FSG-GV angeordneten Vorgangsweise in Betracht kommt. Ein Aufforderungsbescheid, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, sei allerdings nur zulässig, wenn begründete Bedenken dahin bestehen, dass einerseits ein Konsum von Alkohol, Suchtmitteln oder Arzneimitteln stattgefunden hat, und andererseits, dass dieser Konsum eine Häufigkeit und Intensität aufwies, die ihn zu einem gehäuften Missbrauch iSd. § 14 Abs. 5 FSG-GV macht.
31Zu § 14 Abs. 5 FSG-GV hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass (bloße) „Hinweise“ bzw. der „Verdacht“ auf den gehäuften Missbrauch von Alkohol in der Vergangenheit für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 5 FSG-GV, welche die Annahme einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen, nicht ausreichen (vgl. ; , Ra 2020/11/0101; , Ra 2021/11/0164; , Ra 2022/11/0018).
324.2.2.3. Im vorliegenden Fall geht es allerdings (noch) nicht um die Einschränkung einer bestehenden Lenkberechtigung, sondern um einen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG. Es ist daher, anders als es die Revision meint, auch nicht jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einschlägig, nach welcher die erstmalige Begehung eines Alkoholdelikts nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 zwar zwingend eine sechsmonatige Verkehrsunzuverlässigkeit nach sich zieht, das Führerscheingesetz jedoch ungeachtet des Lenkens mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,8 mg/l (oder mehr) nicht davon ausgeht, dass dem Betreffenden allein schon wegen der - voraussetzungsgemäß - hohen Alkoholisierung (zumindest 0,8 mg/l Atemluft) beim Lenken eines Kraftfahrzeugs die gesundheitliche Eignung fehlt (vgl. ).
33Vielmehr ist im Hinblick auf § 14 Abs. 5 FSG-GV Voraussetzung einer Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG (lediglich) das Vorliegen begründeter Bedenken in die Richtung eines gehäuften Missbrauchs von Alkohol in der Vergangenheit, welche die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen erlassen. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Revisionswerber unbestritten ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von über 0,8 mg/l gelenkt hat, lässt schon die FSG-GV, welche in einem solchen Fall in § 14 Abs. 2 zwingend den Nachweis der psychologischen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorsieht, erkennen, dass Bedenken an der uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung bestehen (vgl. ).
344.2.2.4. Das Verwaltungsgericht hat seine diesbezüglichen Bedenken auf die amtsärztliche Stellungnahme vom gestützt. Die Revision wendet dagegen ein, das „amtsärztliche Sachverständigengutachten“ sei unschlüssig.
35§ 8 FSG sieht für die Erteilung der Lenkberechtigung sowie für deren Entziehung und Einschränkung ein ärztliches Gutachten (iSd. § 1 Z 1 FSG-GV) über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vor. Ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG ist gemäß § 24 Abs. 4 FSG auch bei Bedenken einzuholen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen ist. Weder das FSG noch die FSG-GV sehen allerdings vor, dass dann, wenn im Rahmen einer gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordneten amtsärztlichen Untersuchung der Amtsarzt meint, zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens wären weitere Befunde notwendig, schon eine diesbezügliche Mitteilung des Amtsarztes an die belangte Behörde bzw. das Verwaltungsgericht (vgl. dazu neuerlich das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/11/0087, Rn. 32) in Form eines ärztlichen Gutachtens iSd. § 1 Z 1 FSG-GV ergehen müsste.
36Im Revisionsfall führte der Amtsarzt in seiner Stellungnahme vom zusammengefasst aus, dass auf Grund des hohen Alkoholisierungsgrades (1,03 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) beim Vorfall vom beim Revisionswerber auf eine „erhebliche Alkoholgewöhnung“ und einen „schädlichen Gebrauch von Alkohol“ zu schließen sei, weil die Mehrheit der Bevölkerung einen solchen Alkoholisierungsgrad durch gesellschaftlich übliche Trinkmengen nicht erreichen könne. Dem Verwaltungsgericht kann nicht entgegengetreten werden, wenn es daraus den Schluss gezogen hat, es bestünden beim Revisionswerber infolge des (wenn auch singulären) Alkoholvorfalles vom ausreichende Anhaltspunkte für einen gehäuften Alkoholmissbrauch in der Zeit vor dem erwähnten Vorfall und damit für Bedenken dagegen, dass seine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung) noch vorgelegen sei, und es zur Erstellung des im Entziehungsverfahren gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordneten amtsärztlichen Gutachtens - entsprechend den Angaben des Amtsarztes - einer neuen fachärztlichen (psychiatrischen) Stellungnahme bedürfe.
374.3. Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass das angefochtene Erkenntnis an einem relevanten Begründungsmangel leiden würde. Ebenso wenig zeigt die Revision auf, dass die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist für die Beibringung der fachärztlichen Stellungnahme fallbezogen unvertretbar wäre.
384.4. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
395. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil sie in dem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz lediglich mitgeteilt hat, von einer solchen abzusehen.
Wien, am
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