VwGH vom 07.04.2020, Ra 2019/11/0199

VwGH vom 07.04.2020, Ra 2019/11/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-302266/10/GS/JB, betreffend Übertretungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes-LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Wels; mitbeteiligte Partei: I M in W (Deutschland), vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Neubaugasse 24), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S GmbH mit Sitz in Deutschland der Unterentlohnung betreffend fünf näher genannte Arbeitnehmer im Zeitraum von bis schuldig erkannt und über ihn gemäß § 29 LSD-BG eine Geldstrafe bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2 1.2. Der gegen dieses Straferkenntnis vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (in Folge: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am - Folge und hob das genannte Straferkenntnis auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Vorwurf der Unterentlohnung erfolge im gegenständlichen Fall lediglich pauschal und unter Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses sei weder der Anspruchslohn, der tatsächlich ausbezahlte Lohn, die prozentuelle Höhe der Unterentlohnung, noch die Nennung des entsprechenden Kollektivvertrages oder die Einstufung angeführt. Den Konkretisierungsanforderungen des § 44a VStG sei somit nicht entsprochen. Der Beschuldigte sei in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt, wenn ihm nicht konkret vorgehalten werde, welcher Kollektivvertrag anzuwenden und wie die betroffenen Arbeitnehmer einzustufen gewesen wären. Das Straferkenntnis sei daher aufzuheben gewesen.

4 1.3. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit insbesondere vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmung des § 50 VwGVG ab. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Möglichkeit einer ersatzlosen Behebung ebenso wie die einer Aufhebung des Erkenntnisses und Zurückverweisung der Sache an die Behörde gesetzlich nicht gegeben sei. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, das Straferkenntnis sei ersatzlos aufzuheben, widerspreche dem Gesetzeswortlaut und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er zusammengefasst vorbringt, das Verwaltungsgericht habe das angefochtene Straferkenntnis zu Recht aufgehoben, da den Konkretisierungsanforderungen des § 44a VStG nicht entsprochen worden sei, wodurch der Mitbeteiligte in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt worden sei.

6 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 2.1. Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von (näher zitierter) hg. Rechtsprechung betreffend die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes in Verwaltungsstrafsachen geltend macht.

2.2. § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 44/2016 (LSD-BG), lautet auszugsweise:

"Unterentlohnung

§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall.2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest, das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten. (...)"

8 2.3.1. Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der dem (zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 7i Abs. 5 AVRAG ergangenen) hg. Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0053, zugrunde lag. Aus den dort dargelegten Entscheidungsgründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, befindet sich das Verwaltungsgericht gegenständlich im Irrtum, wenn es meint, dass bereits im Spruch des Straferkenntnisses das dem Arbeitnehmer tatsächlich ausbezahlte Entgelt hätte angeführt werden müssen.

9 2.3.2. Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht aber auch verkannt, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zur (bloßen) Aufhebung des Straferkenntnisses berechtigt ist (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Ra 2019/11/0053 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung zu § 50 VwGVG).

10 2.4. Das angefochtene Erkenntnis war vor diesem Hintergrund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

11 Die Abweisung des Antrages auf Aufwandersatz beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG (vgl. z.B. ). Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110199.L00

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