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VwGH vom 24.02.2011, 2008/21/0149

VwGH vom 24.02.2011, 2008/21/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der E, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35 B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 331/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ghana, war mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Im Hinblick auf diese Ehe waren ihr ab 2002 Niederlassungsbewilligungen "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt worden, und zwar zuletzt mit Gültigkeit bis . Seit September 2002 befindet sie sich in Österreich.

Mit Bescheid vom verhängte die Bundespolizeidirektion Linz gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 5 iVm § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dabei ging die Bundespolizeidirektion Linz im Wesentlichen davon aus, dass sich die Beschwerdeführerin wissentlich in drei Geburtsurkunden von drei ghanaischen Staatsangehörigen als leibliche Mutter habe eintragen lassen, obwohl sie tatsächlich nicht deren leibliche Mutter sei. Auf Grund dieser Geburtsurkunden seien für diese Personen - als (vermeintliche) Stiefkinder des österreichischen Ehegatten der Beschwerdeführerin - Niederlassungsbewilligungen ausgestellt worden, sodass sie nach Österreich hätten einreisen können. Die Beschwerdeführerin habe dadurch "unzweifelhaft an der Schleppung dieser drei Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union zumindest mitgewirkt".

Mit Bescheid vom gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Dabei führte die belangte Behörde aus, hinsichtlich der Erfüllung des Tatbestandes nach § 60Abs. 2 Z 5 FPG auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, welchen sie sich vollinhaltlich anschließe und die sie zum Inhalt ihres Bescheides erhebe, zu verweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren ua. vorgebracht, sie leide seit Oktober 2005 an Krebs, und zwar an Morbus Hodgkin im II Stadium, weswegen sie im AKH Linz laufend in Behandlung sei; im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der damit notwendigerweise verbundenen Ausreise aus Österreich in ihre Heimat Ghana wäre ihre Gesundheit stark gefährdet, da eine ordnungsgemäße medizinische Behandlung ihrer Krankheit dort nicht gewährleistet sei.

Auf dieses Vorbringen ist weder die Bundespolizeidirektion Linz noch die belangte Behörde eingegangen. Eine Beschäftigung damit wäre aber vor dem Hintergrund des § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG geboten gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon wiederholt ausgesprochen, dass bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch dem Umstand Bedeutung zukommt, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird. Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort einer allfälligen Ausreise oder Abschiebung überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das - abhängig von den dann zu erwartenden Folgen - eine maßgebliche Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich darstellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0260).

Da im Hinblick auf die der gegenständlichen Beschwerde angeschlossenen Befunde nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei gebotener Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Sinn der dargestellten Judikatur zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 5 FPG verwirklichte - was in der Beschwerde (wie schon in der Berufung) unter dem Gesichtspunkt, die Beschwerdeführerin habe nicht wissentlich gehandelt, weshalb ihr Schlepperei nicht angelastet werden könne, bestritten wird -, braucht bei diesem Ergebnis nicht näher eingegangen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-82716