VwGH vom 26.01.2012, 2011/01/0233

VwGH vom 26.01.2012, 2011/01/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der Vollzugsdirektion in 1070 Wien, Kirchberggasse 33, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom , Zl. 2 Vk 34/11, betreffend Strafvollzug (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: H R in E, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Poschacherstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit (seit ) rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom wurde der Mitbeteiligte nach dem Strafsatz des § 129 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Auf diese Urteilsstrafe wurde ihm die erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom , 8.00 Uhr bis , 11.10 Uhr und vom , 11.10 Uhr bis , 00.00 Uhr angerechnet.

Mit Strafvollzugsanordnung des Landesgerichtes Salzburg vom wurde der Mitbeteiligte aus der Untersuchungshaft in den Strafvollzug in der Justizanstalt Salzburg übernommen. In der Justizanstalt Salzburg verbüßte der Mitbeteiligte die genannte Urteilsstrafe laut der Strafvollzugsanordnung des Landesgerichtes Salzburg vom (Zl. 569 035 HV 48/10 m - 34 (BS); Strafantritt ohne Abzug der Anrechnung am , 08.00 Uhr).

Mit Beschluss vom gewährte das Landesgericht Salzburg dem Mitbeteiligten gemäß § 39 Abs. 1 SMG einen Aufschub des Vollzuges der über ihn verhängten Freiheitsstrafe. Daraufhin wurde der Mitbeteiligte am aus der Justizanstalt Salzburg entlassen (enthaftet).

Mit Beschluss vom änderte das Oberlandesgericht Linz den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg dahin ab, dass der Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung eines Aufschubes des Strafvollzuges gemäß § 39 Abs. 1 SMG abgewiesen wurde.

Der danach gestellte Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung eines Aufschubes des Strafvollzuges gemäß § 6 StVG blieb erfolglos.

Am stellte der Mitbeteiligte an die Justizanstalt Salzburg den Antrag auf Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrestes (EÜH) und ein Ansuchen um Änderung des Strafvollzugsortes dahin, dass statt der Justizanstalt Salzburg die Justizanstalt Linz für zuständig bestimmt werde. Als Unterkunft im Inland, in der der EÜH verbracht werden soll, bezeichnete der Mitbeteiligte in diesem Antrag seine aktuelle Wohnung in E (Niederösterreich).

Mit Bescheid vom lehnte der Leiter der Justizanstalt St. Pölten den Antrag des Mitbeteiligten vom auf Bewilligung des Vollzuges der mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom verhängten Freiheitsstrafe in Form von elektronisch überwachtem Hausarrest ab.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde über diese Beschwerde des Mitbeteiligten wie folgt entschieden:

"Aus Anlass der Beschwerde wird der Bescheid des Leiters der Justizanstalt St. Pölten vom gemäß § 156d Abs 1 StVG iVm § 66 Abs 2 AVG aufgehoben und der Antrag des Beschwerdeführers betreffend Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest vom gemäß § 6 AVG der Direktion für den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen zuständigkeitshalber weitergeleitet."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Strafvollzug sei in der Justizanstalt Salzburg eingeleitet und begonnen worden. Im Sinne des Ansuchens des Mitbeteiligten sei die Justizanstalt Linz seine "Wunschstrafanstalt". Ausgehend von seinem Wohnsitz in der niederösterreichischen Gemeinde (E) sei die Justizanstalt St. Pölten für den Strafvollzug zuständig. Bei sprengelübergreifenden Sachverhalten (im Sinne der Sprengelverordnung für den Strafvollzug) und Anträgen, wie sie hier vorlägen, sei nicht der Leiter einer der genannten Justizanstalten sondern die Vollzugsdirektion zur Entscheidung über den Antrag auf Strafvollzug durch EÜH zuständig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Vollzugsdirektion (§ 121 Abs. 5 StVG).

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens ohne Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte, die Amtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlageaufwandes zu verpflichten.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Amtsbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG) in der am in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 64/2010 lauten (samt Überschriften):

"Anordnung des Vollzuges der auf Freiheitsstrafe lautenden Strafurteile Anordnung des Vollzuges

§ 3. (1) Ist an einem Verurteilten eine Freiheitsstrafe zu vollziehen, so ist der Strafvollzug anzuordnen und die nach § 9 zur Einleitung oder Durchführung des Strafvollzuges zuständige Anstalt von der Anordnung zu verständigen. Zugleich mit dieser Verständigung oder so bald wie möglich ist der Anstalt auch eine Ausfertigung des Strafurteiles zu übersenden. Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe hat jedoch zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt, durch eine öffentliche Urkunde nachweist, dass sie gezahlt ist, oder gemeinnützige Leistungen (§ 3a) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung ist auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§ 29b Bewährungshilfegesetz) zu übermitteln. Ist der psychische Zustand des Verurteilten oder sein sonstiger Gesundheitszustand im Zuge des Strafverfahrens durch sachverständige Personen untersucht worden, so ist der Verständigung auch eine Abschrift des Gutachtens anzuschließen.

(2) Tritt ein Verurteilter, der sich auf freiem Fuße befindet, die Strafe nicht sofort an, so ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung anzutreten. Die Aufforderung hat die Bezeichnung der zuständigen Anstalt und die Androhung zu enthalten, daß der Verurteilte im Falle seines Ausbleibens vorgeführt wird. Kommt der Verurteilte dieser Aufforderung nicht nach, so ist seine Vorführung zum Strafantritt anzuordnen. Die Vorführung ist auch anzuordnen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem Vollzuge der Freiheitsstrafe durch die Flucht zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, daß er das versuchen werde, oder wenn seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter angeordnet worden ist.

(3) Kann die Vorführung nicht vollzogen werden, weil der Verurteilte flüchtig oder sein Aufenthalt unbekannt ist, so ist neben einer Sachenfahndung und der Personenfahndung zur Festnahme auch


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1.
eine Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen,
2.
eine Identitätsfeststellung, eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen,
3.
Observation und verdeckte Ermittlung,
4.
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten und die optische und akustische Überwachung von Personen zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu erwarten ist, dass dadurch der Aufenthalt des Verurteilten ermittelt werden kann. Observation nach § 130 Abs. 3 StPO, verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 2 StPO, Beschlagnahme von Briefen nach § 135 Abs. 1 StPO und Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten nach § 135 Abs. 2 und 3 StPO und die optische Überwachung von Personen nach § 136 Abs. 3 Z 2 StPO sind überdies nur zulässig, wenn die Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ausgesprochen worden ist. Im Fall einer optischen und akustischen Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 3 muss die Verurteilung wegen einer dort angeführten Straftat erfolgt sein. Die Bestimmungen der §§ 5, 93, 109 Z 1 lit. a und
Z 2 lit. a, 110 Abs. 2 bis 4, 111 bis 115, 117 Z 1 und Z 2, 118 bis 120, 129 Z 1 und 2, 130 bis 133, 134 Z 2 bis 4, 135 bis 140 und 167 bis 169 StPO sind sinngemäß anzuwenden, wobei das Gericht (§ 7 Abs. 1) für das Verfahren der Anordnung und Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahmen § 210 Abs. 3 erster und zweiter Satz StPO anzuwenden hat.

(4) Verurteilte, die sich bereits in der zuständigen Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen in Haft befinden, sind in den Strafvollzug zu übernehmen. Verurteilte, die sich in einer anderen Anstalt in Haft befinden, sind in die zuständige Anstalt zu überstellen.

(5) Muss ein Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 StGB) zum Vollzug einer Freiheitsstrafe in Haft genommen werden, so ist der Leiter der Dienststelle davon zu verständigen.

Zuständigkeit

§ 9. (1) Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate übersteigt, sind in der nach § 134 zu bestimmenden Strafvollzugsanstalt zu vollziehen; bis zur Bestimmung der zuständigen Strafvollzugsanstalt ist der Strafvollzug jedoch im Gefangenenhaus (Justizanstalt eines Landesgerichtes) einzuleiten.

(2) Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, sind in den Gefangenenhäusern oder in Strafvollzugsanstalten, Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, ausschließlich in den Gefangenenhäusern zu vollziehen. Sind Strafen in einer Strafvollzugsanstalt zu vollziehen, die für die Einleitung des Strafvollzuges nicht eingerichtet ist, so ist der Strafvollzug im Gefangenenhaus einzuleiten. Das gleiche gilt, wenn es dem Verurteilten im Hinblick auf die Entfernung zwischen seinem Wohnsitz oder Aufenthalt (Abs. 3) und der Strafvollzugsanstalt offenbar nicht zumutbar ist, die Strafe in der Strafvollzugsanstalt anzutreten.

(3) Ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe im Gefangenenhaus einzuleiten oder durchzuführen, so ist örtlich zuständig das Gefangenenhaus desjenigen Landesgerichtes, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. Hat der Verurteilte keinen inländischen Wohnsitz, so ist der gewöhnliche Aufenthalt des Verurteilten, in Ermangelung eines solchen Aufenthaltes im Inland aber jeder andere Aufenthalt des Verurteilten im Inland maßgebend. Ist der Verurteilte in gerichtlicher Haft, so ist an Stelle des Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthaltes oder Aufenthaltes der Ort der Haft maßgebend.

(4) Besteht für einen Verurteilten kein nach Abs. 3 örtlich zuständiges Gefangenenhaus, so ist der Sitz des Gerichtes maßgebend, das in erster Instanz erkannt hat.

(5) Das Bundesministerium für Justiz hat durch Verordnung die Sprengel der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzuges so festzusetzen, dass die zur Verfügung stehenden Einrichtungen am besten ausgenützt werden können.

Strafvollzugsortsänderung

§ 10. (1) Die Vollzugsdirektion hat allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 zuständigen Anstalt anzuordnen,

1. wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzuges (§ 20) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzuges zweckmäßig ist oder

2. wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzuges entgegenstehen.

(1a) Während offener Berufungsfrist nach Zustellung eines Bescheides über ein Ansuchen um Strafvollzugsortsänderung nach Abs. 1 Z 2 sowie während anhängigen Berufungsverfahrens wegen eines solchen Bescheides ist die Einbringung eines weiteren Ansuchens nach Abs. 1 Z 2 nicht zulässig.

(2) Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, dürfen nur dann in Strafvollzugsanstalten vollzogen werden, wenn der Verurteilte damit einverstanden ist.

Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest Grundsätze des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten

Hausarrest

§ 156b. (1) Der Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests bedeutet, dass der Strafgefangene sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, einer geeigneten Beschäftigung (insbesondere einer Erwerbstätigkeit, einer Ausbildung, der Kinderbetreuung, gemeinnütziger Arbeit oder einer vergleichbaren der Wiedereingliederung dienenden Tätigkeit) nachzugehen und sich angemessenen Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt (Abs. 2) zu unterwerfen hat. Dem Strafgefangenen ist es untersagt, die Unterkunft außer zur Ausübung seiner Beschäftigung, zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs, zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe oder aus sonstigen in den Bedingungen genannten Gründen zu verlassen. Er ist durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht zu überwachen und soweit zu betreuen, als dies zur Erreichung des erzieherischen Strafzwecks erforderlich ist.

(2) Die Bedingungen sollen eine den Zwecken des Strafvollzugs dienende Lebensführung sicherstellen und insbesondere die in der Unterkunft zu verbringenden Zeiten sowie die Beschäftigungszeiten, welche tunlichst der Normalarbeitszeit zu entsprechen haben, festlegen. Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, durch Verordnung Richtlinien für die Gestaltung der Bedingungen der Lebensführung außerhalb der Anstalt sowie über die Art und die Durchführung der elektronischen Überwachung, einschließlich der Festlegung jener Justizanstalten, die über Einrichtungen zur elektronischen Aufsicht zu verfügen haben, zu erlassen.

(3) Der Strafgefangene hat die mit Verordnung der Bundesministerin für Justiz festzusetzenden Kosten des elektronischen Hausarrests zu ersetzen. Diese Verpflichtung entfällt, soweit durch ihre Erfüllung der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Strafgefangenen und der Personen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist, gefährdet wäre. Die Kosten sind monatlich im Nachhinein bis zum Fünften des Folgemonats zu entrichten. Die Verpflichtung zum Kostenersatz bildet einen gesonderten Ausspruch der Bewilligung (§ 156d Abs. 2).

(4) Die §§ 1 bis 3, 4 bis 20, 22, 26, 27, 30 Abs. 1, 32a, 35, 36 Abs. 1, 64 Abs. 2 letzter Satz, 72, 99, 99a, 102 Abs. 1, 102a, 103 Abs. 4 bis Abs. 6, 104 bis 106, 107, 108, 109 Z 1, 4 und 5, 110, 113 bis 116a, 118, 119 bis 122, 123, 126 Abs. 2 Z 4, 133, 144 Abs. 2, 145, 146 Abs. 1, 147, 148, 149 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5, 152, 152a, 153, 154 Abs. 2, 156 Abs. 1 erster Satz, 156a, 179, 179a, 180 und 180a gelten sinngemäß.

Bewilligung und Widerruf

§ 156c. (1) Der Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests ist auf Antrag des Strafgefangenen oder auf Grund eines schon vor Strafantritt zulässigen Antrags des Verurteilten zu bewilligen, wenn

1. die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs. 2 voraussichtlich nicht übersteigen wird,

2. der Rechtsbrecher im Inland


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a.
über eine geeignete Unterkunft verfügt,
b.
einer geeigneten Beschäftigung nachgeht,
c.
Einkommen bezieht, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann,
d.
Kranken- und Unfallversicherungsschutz genießt,
3.
die schriftliche Einwilligung der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen vorliegt, und
4.
nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der Bedingungen (§ 156b Abs. 2) anzunehmen ist, dass der Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird.

(2) Die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest ist zu widerrufen, wenn

1. eine für ihre Anordnung notwendige Voraussetzung wegfällt, wobei § 145 Abs. 3 sinngemäß gilt,

2. der Strafgefangene eine Anordnung oder eine ihm auferlegte Bedingung entweder in schwerwiegender Weise oder trotz einer förmlicher Mahnung nicht einhält,

3. der Strafgefangene länger als einen Monat mit der Zahlung des Kostenbeitrags in Verzug ist, wobei eine neuerliche Bewilligung nicht in Betracht kommt, bevor der rückständige Kostenbeitrag entrichtet worden ist,

4. der Strafgefangene erklärt, die Bedingungen nicht mehr einhalten zu können, oder

5. gegen den Strafgefangenen der dringende Verdacht besteht, eine vorsätzliche gerichtlich strafbare Handlung während des elektronisch überwachten Hausarrests oder eine vorsätzliche oder fahrlässige gerichtlich strafbare Handlung, deren Aburteilung nach Abs. 1 Z 4 einer Bewilligung des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest entgegenstehen würde, begangen zu haben oder sich dem weiteren Strafvollzug entziehen zu wollen.

Zuständigkeit und Verfahren

§ 156d. (1) Die Entscheidungen über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest und den Widerruf stehen dem Leiter der Justizanstalt zu, in der die Freiheitsstrafe im Zeitpunkt der Antragstellung vollzogen wird oder in der sie zu vollziehen wäre, wenn die Unterkunft des Strafgefangenen oder Verurteilten im Sprengel desjenigen Landesgerichtes gelegen ist, in dem auch die Justizanstalt liegt, und diese über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügt (§ 156b Abs. 2). Wird der Strafgefangene in einer anderen Anstalt angehalten, kommt die Entscheidung über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest der Vollzugsdirektion zu, die im Falle der Genehmigung des Antrags zugleich die erforderliche Strafvollzugsortsänderung zu verfügen hat. § 135 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz und zweiter Satz sowie Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Zugleich mit der Bewilligung des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests sind dem Strafgefangenen die Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt (§ 156b Abs. 2) sowie der von ihm zu entrichtende Betrag des Kostenersatzes (§ 156b Abs. 3) aufzuerlegen und ihm erforderlichenfalls Betreuung durch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person (§ 29c Bewährungshilfegesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2010) zu gewähren.

(3) Wurde der Rechtsbrecher wegen einer im § 52a Abs. 1 StGB genannten strafbaren Handlung verurteilt, so ist vor Entscheidung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 156c Abs. 1 Z 4 eine Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter einzuholen.

(4) Kann über den Antrag eines Verurteilten nicht innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 entschieden werden, so ist die Anordnung des Strafvollzuges bis zur rechtskräftigen Entscheidung vorläufig zu hemmen, wenn der Antrag nicht offenbar aussichtslos ist. Wird dem Antrag stattgegeben, hat sich die Aufnahme auf die in den §§ 131 Abs. 1 sowie 132 Abs. 4 und 7 vorgesehenen Maßnahmen zu beschränken."

Die Amtsbeschwerde macht im Wesentlichen geltend, die (sachliche und örtliche) Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf EÜH richte sich nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Freiheits- oder Haftstatus des Antragstellers unter Berücksichtigung seines für die Vollzugsform relevanten Wohnsitzes. Die Vollzugsdirektion sei nur nach § 156d Abs. 1 zweiter Satz StVG zuständig, in allen anderen Fällen sei die Vollzugsbehörde zuständig, die über die Einrichtung zur Überwachung verfüge, in deren Sprengel sich der Wohnsitz des Verurteilten zum Zeitpunkt der Antragstellung im Hinblick auf die beantragte Vollzugsform befinde. Im gegenständlichen Fall seien daher der Freiheits- und Haftstatus des Mitbeteiligten zum Zeitpunkt seiner Antragstellung bzw. der für die Vollzugsform relevante Wohnsitz entscheidend. Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung () sei der Mitbeteiligte nicht Strafgefangener gewesen (in keiner Anstalt angehalten worden). Daher sei für ihn die für sogenannte "Frontdoor-Fälle" vorgesehene Zuständigkeitsregelung anzuwenden. Danach sei auf Grund eines zwischenzeitig veränderten Wohnsitzes des Mitbeteiligten der Leiter der Justizanstalt St. Pölten zuständig. Dass der Mitbeteiligte sich in Strafhaft der Justizanstalt Salzburg befunden habe, führe nicht zu einer Zuständigkeit der Vollzugsdirektion. Als gemeinsame Vollzugsoberbehörde sei die Vollzugsdirektion im Falle entsprechender Sachlage systemisch tendenziell sekundär zuständig.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Amtsbeschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

§ 156d Abs. 1 erster Satz StVG bestimmt den Leiter der Justizanstalt, in der die Freiheitsstrafe im Zeitpunkt der Antragstellung vollzogen wird oder zu vollziehen wäre, als zuständig, wenn die Unterkunft des Antragstellers in diesem Sprengel einer landesgerichtlichen Justizanstalt liegt und diese Justizanstalt über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügt.

Als "Unterkunft" ist jene anzusehen, die der Antragsteller in seinem Antrag als solche bezeichnet, die die Voraussetzungen nach § 156c Abs. 1 Z. 2 lit. a StVG erfüllen muss und für den Vollzug des EÜH bestimmt ist. Entgegen der Ansicht der Amtsbeschwerde stellt § 156d Abs. 1 erster Satz StVG auf diese Unterkunft und nicht den Wohnsitz des Antragstellers ab; dieser ist demnach unerheblich.

§ 1 der im Sinne des § 156b Abs. 2 StVG von der Bundesministerin für Justiz erlassenen Verordnung vom (BGBl. II Nr. 279/2010; Hausarrestverordnung) bestimmt die landesgerichtlichen Gefangenenhäuser und in Wien die Justizanstalt Wien-Simmering als jene Justizanstalten, die über Einrichtungen zur elektronischen Aufsicht verfügen.

Der Leiter einer dieser im § 1 der Hausarrestverordnung bestimmten Justizanstalten ist jedoch nach § 156d Abs. 1 erster Satz StVG nur zuständig, wenn der tatsächliche oder präsumtive Strafvollzugsort und die Unterkunft des Antragstellers im Sprengel dieser Justizanstalt liegen. Liegen die für den EÜH vorgesehene Unterkunft und der (tatsächliche oder präsumtive) Strafvollzugsort in verschiedenen Sprengeln, dann ist der Leiter der Justizanstalt nicht zuständig. In einem solchen Fall bedarf es zugleich (auch) einer Strafvollzugsortsänderung, wie § 156d Abs. 1 zweiter Satz StVG dies ausdrücklich vorsieht.

Gemäß § 156d Abs. 1 zweiter Satz StVG ist die Vollzugsdirektion für die Entscheidung über die Anhaltung im EÜH zuständig, wenn der Strafgefangene in einer anderen Anstalt angehalten wird. Dies deshalb, weil die Änderung des Strafvollzugsortes gemäß § 10 StVG in die Kompetenz der Vollzugsdirektion fällt und daher diese im Falle der Genehmigung des EÜH zugleich die erforderliche Strafvollzugsortsänderung zu verfügen hat (vgl. den letzten Halbsatz dieser Regelung). Auch wenn der Wortlaut (des § 156d Abs. 1 zweiter Satz StVG) nur von der (tatsächlichen) "Anhaltung in einer anderen Anstalt" spricht, kann diese Regelung unter Berücksichtigung des § 10 StVG nur so verstanden werden, dass die Vollzugsdirektion in allen Fällen, die eine Vollzugsortsänderung erfordern, für die Entscheidung über die Anhaltung im EÜH zuständig ist. Diese Zuständigkeit umfasst also auch Fälle, bei der ein Antragsteller in der "anderen Anstalt" (nicht tatsächlich angehalten wird sondern) anzuhalten wäre.

Nach den in den Gesetzesmaterialien (vgl. ErlRV 772 BlgNR 24. GP, S 3) dargelegten Hauptgesichtspunkten der Regelung über den Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest sollen sozial hinreichend integrierte Personen, die eine voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben, diese zur Gänze (sogenannte "Frontdoor-Variante") oder teilweise ("Backdoor-Variante") in Form von elektronisch überwachtem Hausarrest absolvieren können.

Der Mitbeteiligte hat einen Teil seiner Urteilsstrafe in der Justizanstalt in Salzburg (bereits) verbüßt, sodass in seinem Fall von einer "Frontdoor-Variante" nicht gesprochen werden kann, soll der Mitbeteiligte doch - wie bei einem Fall einer "Backdoor-Variante" - einen offenen Rest einer Urteilsstrafe verbüßen.

Im Beschwerdefall ist es daher für die Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anhaltung im EÜH entscheidend, ob der Mitbeteiligte für die Verbüßung der Reststrafe im EÜH "in einer anderen Anstalt" anzuhalten wäre.

Die zur Einleitung und Durchführung des Strafvollzugs nach § 9 StVG zuständige Anstalt wird im Einzelfall in der Vollzugsanordnung gemäß § 3 Abs. 1 StVG bzw. der Aufforderung zum Strafantritt gemäß § 3 Abs. 2 StVG (im Folgenden: Strafvollzugsanordnung) bestimmt (vgl. § 3 Abs. 1 erster und § 3 Abs. 2 zweiter Satz StVG). Dies ergibt sich bereits aus § 10 StVG, wonach die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt, das heißt der in der Strafvollzugsanordnung als zuständig bestimmten Anstalt, durch die Vollzugsdirektion anzuordnen ist.

Im Beschwerdefall - in dem der Mitbeteiligte während eines Verfahrens auf Strafaufschub enthaftet wurde - ist damit weiterhin die in der Strafvollzugsanordnung bestimmte Justizanstalt (Salzburg) zuständig. Für die Anhaltung im EÜH hat der Mitbeteiligte jedoch eine Unterkunft im Sprengel einer anderen Justizanstalt (St. Pölten) angegeben. Er wäre daher im Falle der Genehmigung des EÜH "in einer anderen Anstalt" anzuhalten. Davon ausgehend bedarf es vorliegend einer Änderung des Strafvollzugsortes, weshalb die Vollzugsdirektion auch für die Entscheidung über die Anhaltung im EÜH zuständig ist.

Der Mitbeteiligte hat (gleichzeitig mit seinem Antrag auf Bewilligung des EÜH) ein Ansuchen um Änderung des Strafvollzugsortes gestellt, über das (von der Vollzugsdirektion) nicht entschieden wurde.

Die sich somit als unbegründet erweisende Amtsbeschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz (des Mitbeteiligten) beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in den dort bezeichneten Fällen für die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.

Wien, am