VwGH vom 26.04.2010, 2006/10/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Dr. T H in G, vertreten durch Dr. Marlene Klein und Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwälte in 1100 Wien, Quellenstraße 137/2/5/31, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-590119/2/Gf/Ga, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. G D, in E), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom gab die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung den Einsprüchen der Mag. pharm. K. K KG und des Beschwerdeführers (Inhaber benachbarter öffentlicher Apotheken) statt und wies den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in E ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei insoweit statt, als der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.103/1998 die eine Bedarfsprüfung normierende Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG in der Fassung BGBl. Nr. 362/1990 als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend habe er zusammengefasst ausgeführt, eine Zutrittsschranke wie eine Bedarfsprüfung stelle schon grundsätzlich einen schweren Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit dar. Es sei im Zusammenhang mit Apothekenkonzessionen insgesamt nicht zu erkennen, weshalb das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch die Neuerrichtung einer Apotheke auch in jenen Fällen gefährdet sein könne, in welchen der Versorgungsbereich der bestehenden öffentlichen Apotheken ohnehin dadurch gesichert bleibe, dass jene - auf Grund der bis zu dieser Entscheidung geltenden gesetzlichen Regelung - ja ein Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen hätten, demgegenüber aber bei neu (das heiße nach Umsetzung dieses Erkenntnisses) zu errichtenden Apotheken dieses Kriterium eben nicht mehr zu beachten sein werde. Hinsichtlich der künftig, das heiße nach dieser Entscheidung neu geschaffenen Apotheken bleibe es sohin aber letztlich der Einschätzung des jeweiligen Konzessionswerbers überlassen, ob er auch ohne einen "garantierten Mindestkundenstock" gleichzeitig einerseits die mit dem Betrieb einer Apotheke einhergehenden Verpflichtungen erfüllen und andererseits ein wirtschaftlich lebensfähiges Unternehmen führen könne. Mehr eine Annäherung denn eine Polarisierung zwischen "bestehenden" und "neuen" Apotheken habe sich nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes vor allem aus dem Umstand ergeben, dass auch eine neue Apotheke insofern Bestandsschutz genieße, als einerseits die Behörde zu einer Entziehung der Konzession bloß wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht befugt sei und auf der anderen Seite "in ihrem Bereich" - gemeint wohl offenkundig:
die 500-Meter-Grenze gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG - "eine weitere Errichtung nicht in Betracht kommt".
Davon ausgehend sei aber der Mitbeteiligten insofern beizupflichten, als unter "bestehender öffentlicher Apotheke" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG eine solche, deren Genehmigung zur Errichtung erst nach der Kundmachung des vorgenannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes durch BGBl. I Nr. 53/1998 am erfolgt sei, nicht zu verstehen sei. Da der Beschwerdeführer aber in diesem Sinne allseits unbestritten nicht eine "Alt-", sondern vielmehr eine "Neuapotheke" betreibe, sei es sohin im Ergebnis unzulässig, diesbezüglich ein Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen im Zuge der den Antrag der mitbeteiligten Partei betreffenden Bedarfsprüfung zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sei jedoch sowohl der belangten Behörde als auch der Gutachterin zu Gute zu halten, dass der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des § 10 Abs. 2 ApG durch BGBl. I Nr. 16/2001 gut daran getan hätte, dem Erkenntnis VfSlg. 15.103/1998 entsprechend auch im Normtext ausdrücklich zwischen "Alt-" und "Neuapotheken" zu unterscheiden bzw. den Begriff der "bestehenden öffentlichen Apotheken" als mit "vor dem errichtet" näher zu umschreiben.
Vielmehr komme sohin - da es sich in beiden Fällen um "Neuapotheken" handle - weder der Mitbeteiligten noch dem Beschwerdeführer ein entsprechend garantierter Kundenstock zu.
Allerdings sei von der belangten Behörde nicht ermittelt worden, ob im gegenständlichen Fall "echte Altapotheken", deren Mindestversorgungspotenzial von 5.500 Personen durch die von der Mitbeteiligten in Aussicht genommene Errichtung einer neuen Apotheke unterschritten werde, bestünden.
Insbesondere sei auch von der österreichischen Apothekerkammer in ihrem Gutachten vom auf den primär gerade darauf abzielenden Einspruch der Mag. pharm. K. K KG nicht eingegangen worden (wobei für den unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar sei, ob es sich insoweit um eine "Altapotheke" im dargestellten Sinn handle oder nicht).
Das erstbehördliche Ermittlungsverfahren sei damit im Ergebnis aber in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben. Der vorliegenden Berufung sei daher gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit stattzugeben gewesen, als der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Die mitbeteiligte Partei machte von der eingeräumten Möglichkeit, eine Gegenschrift einzubringen, keinen Gebrauch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, die belangte Behörde sei in ihrem aufhebenden Bescheid von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde würden nicht nur vor dem gegründete Apotheken Bestandsschutz genießen, sondern alle bereits bestehenden Apotheken. Die Grundidee des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.103/1998 habe lediglich darin bestanden, dem Konzessionswerber für seine neu zu gründende Apotheke die Bescheinigung seiner künftigen Existenzfähigkeit zu ersparen, indem bei künftigen Konzessionsverfahren nur noch das verbleibende Versorgungspotenzial der bereits bestehenden Apotheken zu prüfen sei, nicht jedoch auch jenes des Konzessionswerbers selbst. Dies sei in diesem Erkenntnis auch ausdrücklich festgehalten worden.
Die Beschwerde ist zulässig.
Hat die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid gem. § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Bescheiderlassung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen, so kann ein solcher Bescheid eine Rechtsverletzung dadurch bewirken, dass die Berufungsbehörde entweder von der Regelung des § 66 Abs. 2 AVG zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung erlassen hat, oder von einer für die betroffene Partei nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0162).
Die Beschwerde ist auch berechtigt.
§ 10 ApG idF BGBl. Nr. 362/1990 lautet auszugsweise:
"Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
...
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
..."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG (arg. a minori ad maius) zu folgern, dass nicht nur eine Verringerung des Versorgungspotenzials einer bestehenden Apotheke von über 5.500 Personen auf unter 5.500, sondern umso mehr eine weitere Beeinträchtigung eines bereits vor Errichtung der neuen Apotheke unter 5.500 Personen liegenden Versorgungspotenzials durch die geplante neue Apotheke zur Versagung der beantragten Konzession führen muss (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/10/0078, vom , Zl. 95/10/0099, vom , Zl. 98/10/0070, und vom , Zl. 2001/10/0015 = VwSlg. 15.794/A).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde liegt der nach der Aufhebung von Teilen des § 10 ApG durch den Verfassungsgerichtshof bereinigten Rechtslage keine Differenzierung zwischen vor und nach dem Wirksamwerden der Aufhebung erteilten Apothekenkonzessionen zu Grunde.
Demgemäß hat der Verfassungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis VfSlg. 15.103/1998 ausgeführt, dass auch die neu errichtete Apotheke, deren Versorgungspotenzial unter
5.500 Personen liegt, insoweit Bestandsschutz genießt, als in ihrem Bereich eine weitere Errichtung nicht in Betracht kommt. Sie hat damit die gleiche Stellung wie eine bestehende öffentliche Apotheke, deren Versorgungspotenzial aus irgendeinem Grund unter die Zahl von 5.500 Personen gesunken ist.
"In ihrem Bereich" im Sinne der zitierten Darlegungen bezieht sich somit - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht (allein) auf den 500m-Bereich. Vielmehr kommt hinreichend klar die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck, dass auch jene Apotheken als "bestehende Apotheken" im Sinne des Gesetzes Bestandsschutz genießen, deren Versorgungspotenzial auch im Zeitpunkt der Erteilung der Konzession weniger als 5.500 zu versorgende Personen betragen hat.
Vom Gesetzgeber wurde mittlerweile ausdrücklich in § 10 Abs. 8 ApG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006, der im Beschwerdefall allerdings (noch) nicht anzuwenden war, klargestellt, dass als bestehende Apotheken im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 2 und 3 ApG auch alle nach der Kundmachung BGBl. I Nr. 53/1998 (am ), rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke gelten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0218).
Indem die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, hat sie somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-82713