VwGH 11.10.2012, 2011/01/0231
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 83/05/0073, VwSlg 11633 A/1985, dargelegt, dass im Fall der Einbringung eines Rechtsmittels durch einen Winkelschreiber oder eine damals von der Vertretung gemäß § 10 Abs. 1 AVG ausgeschlossene juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts ein Verbesserungsauftrag nicht an die zur Vertretung nicht befugten Personen, sondern an die Partei selbst zu richten ist. Diese ist in einem solchen Fall als Einschreiter im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG anzusehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0181). Nichts anderes kann für den hier vorliegenden Fall gelten, dass die als Vertreter auftretende Person mangels Eigenberechtigung gemäß § 10 Abs. 1 AVG von der Vertretung ausgeschlossen ist (in diesem Sinne auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 5, und Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 103 f, jeweils unter Hinweis u.a. auf das zitierte hg. Erkenntnis vom ). Auf die (Un-)Kenntnis der den Verbesserungsauftrag erteilenden Behörde von der fehlenden Eigenberechtigung der als Vertreter auftretenden Person kommt es insofern nicht an. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2011/01/0229 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des I L in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/11/1087/2011, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge langte bei der belangten Behörde am eine von Dr. S, "Präsident der Afrikanischen Minderheit in Österreich", unterzeichnete Eingabe ein, in der im Namen der "Afrikanischen Minderheit" in Österreich "Klage" gegen die an einem näher genannten Polizeieinsatz beteiligten Polizisten geführt wird. Anschließend an die Unterschrift sind darin mehrere Personen - unter anderem der nunmehrige Beschwerdeführer - mit Adresse und (zum Teil) Geburtsdatum angeführt. Die belangte Behörde wertete diese Eingabe als - von Dr. S als Vertreter der genannten Personen eingebrachte -
Beschwerde gemäß § 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und richtete (nach Einholung einer Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien) an diesen als Einschreiter (zu insgesamt 13 Geschäftszahlen) einen Verbesserungsauftrag gemäß § 67c Abs. 2 iVm § 13 Abs. 3 AVG, in dem sie ihn aufforderte, innerhalb einer Frist von einem Monat "die belangte Behörde und die dieser zuzurechnenden und angefochtenen Verwaltungsakte näher zu determinieren". Weiters sei bei allfälligem Einschreiten im Vollmachtsverhältnis eine Vollmacht vorzulegen und seien in englischer Sprache abgefasste Schriftstücke zu übersetzen. Sollte diesem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen werden, seien die eingebrachten Beschwerden als zurückgezogen zu betrachten.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde (u.a.) die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 67c Abs. 2 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, die (insgesamt zwölf) nunmehr zurückgewiesenen Beschwerden vom , von denen drei in englischer Sprache eingebracht worden seien, richteten sich vorgeblich gegen das Einschreiten von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien am 24. und . In den Beschwerden werde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten in einem näher genannten Lokal in 1160 Wien gefeiert. Da die Sperrstunde überschritten worden sei, habe es eine Polizeikontrolle gegeben, bei der die Polizeiorgane überzogen und aggressiv reagiert hätten. Beim Verlassen des Lokals sei es zu einem Tumult gekommen, der von den Polizeiorganen verursacht worden sei. Mit Schreiben vom habe die Bundespolizeidirektion Wien zu diesem Vorbringen dahingehend Stellung genommen, dass daraus nicht hervorgehe, worüber sich die Beschwerdeführer konkret beschweren wollten; die genannte Amtshandlung sei für die Gewerbebehörde durchgeführt worden, weshalb der Bundespolizeidirektion Wien insofern keine behördliche Zuständigkeit zukomme. Mit Schreiben vom (abgefertigt am ) habe die belangte Behörde den Beschwerdeführern "im Wege des Herrn Rechtsanwaltes Dr. S" diese Äußerung der Bundespolizeidirektion Wien mitgeteilt und den oben zitierten Verbesserungsauftrag erteilt. Da der - am durch Hinterlegung beim Postamt 1060 Wien zugestellte - Verbesserungsauftrag sowohl innerhalb der gesetzten Frist "als auch bis dato" unbeantwortet geblieben sei, seien die "unkonkretisierten Anträge" als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf inhaltliche Behandlung seiner Maßnahmenbeschwerde verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008 (AVG), können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, nach dem Vorfall in der Nacht vom 24. auf den habe einer der Betroffenen Herrn S als "lawyer" zu Hilfe gerufen. Dem Beschwerdeführer sei dieser als Rechtsanwalt und leitender Mitarbeiter eines Menschenrechtsvereines vorgestellt worden, sodass er ihn - wie auch andere Personen - mit der Beschwerdeerhebung beauftragt habe. Herr S habe ihm in der Folge auch mitgeteilt, dass er Beschwerde erhoben bzw. das schriftliche Vorbringen des Beschwerdeführers als Beschwerde an die belangte Behörde weitergeleitet habe.
Tatsächlich sei der als Parteienvertreter aufgetretene S (mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt zur Zl. 59 P 105/04g) besachwaltet und scheide daher schon wegen des Fehlens der von § 10 Abs. 1 AVG geforderten Eigenberechtigung als Parteienvertreter aus. Er sei auch nicht Rechtsanwalt. Die belangte Behörde hätte den Verbesserungsauftrag somit nicht dem besachwalteten Herrn S zustellen dürfen, sondern diesen - ebenso wie den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid - an den Beschwerdeführer selbst richten müssen, der die Beschwerde in diesem Fall gesetzmäßig verbessert hätte.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zur hg. Zl. 2011/01/0229 (auf die sie in der Gegenschrift zur gegenständlichen Beschwerde verweist) unter Zitierung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom , mit dem die ursprünglich mit Beschluss vom verfügte Sachwalterschaft ausgeweitet wurde, zugesteht, war der vom Beschwerdeführer beauftragte Vertreter zum Zeitpunkt der Einbringung der Maßnahmenbeschwerde (und der Zustellung des Verbesserungsauftrages) besachwaltet, wobei der Aufgabenkreis des Sachwalters (u.a.) die Angelegenheiten Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie Vertretung vor privaten Vertragspartnern umfasste.
Damit fehlte diesem aber die von § 10 Abs. 1 AVG geforderte Eigenberechtigung im Hinblick auf die Vertretung des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, war er doch zur eigenen Willensbildung im Hinblick auf den Verkehr mit Behörden nicht fähig. Dies wäre aber zur wirksamen Vertretung notwendig, zumal für das Vertretungsverhältnis kennzeichnend ist, dass der Vertreter anstelle des Vertretenen und mit Wirkung für diesen eine eigene Erklärung abgibt, also selbst den Willen bildet (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 3, mwH).
Davon ausgehend ging der an eine insoweit geschäftsunfähige Person gerichtete Verbesserungsauftrag ins Leere, weshalb sich die auf dessen Nichterfüllung gestützte Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde als rechtswidrig erweist.
Vielmehr hätte die belangte Behörde - ausgehend davon, dass eine Vertretung des Beschwerdeführers durch den Einschreiter S gemäß § 10 Abs. 1 AVG nicht in Betracht kam - im Grunde des § 13 Abs. 3 AVG den Beschwerdeführer selbst zur Verbesserung der Beschwerde auffordern und an diesen einen Verbesserungsauftrag richten müssen.
Zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 83/05/0073, Slg. Nr. 11.633/A, dargelegt, dass im Fall der Einbringung eines Rechtsmittels durch einen Winkelschreiber oder eine damals von der Vertretung gemäß § 10 Abs. 1 AVG ausgeschlossene juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts ein Verbesserungsauftrag nicht an die zur Vertretung nicht befugten Personen, sondern an die Partei selbst zu richten ist. Diese ist in einem solchen Fall als Einschreiter im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG anzusehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0181). Nichts anderes kann für den hier vorliegenden Fall gelten, dass die als Vertreter auftretende Person mangels Eigenberechtigung gemäß § 10 Abs. 1 AVG von der Vertretung ausgeschlossen ist (in diesem Sinne auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 5, und Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 103 f, jeweils unter Hinweis u.a. auf das zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Auf die (Un-)Kenntnis der belangten Behörde von der fehlenden Eigenberechtigung der als Vertreter auftretenden Person kommt es insofern nicht an.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Vertretungsbefugter physische Person Eigenberechtigung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2011010231.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-82710