VwGH vom 28.11.2019, Ra 2019/11/0105
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG- 860/4/2018, betreffend Übertretung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee; mitbeteiligte Partei: Y C in J (Slowenien)), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A.d.o.o. (einer Gesellschaft mit Sitz in Slowenien) der Unterentlohnung eines im Zeitraum 22. Mai bis an einem näher bezeichnetem Arbeitsplatz in Österreich beschäftigten Arbeitnehmers schuldig erkannt. Wegen Übertretung des § 29 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, welcher das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gab und das genannte Straferkenntnis aufhob. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass der im Straferkenntnis genannte Tatzeitraum, weil er von jenem in der Anzeige der Revisionswerberin abweiche, "nicht nachvollziehbar" sei. Abgesehen davon weise das Straferkenntnis "essenzielle Spruchmängel" auf. So fehlten im Spruch Angaben einerseits betreffend das dem Arbeitnehmer tatsächlich ausbezahlte Entgelt und andererseits zu dessen Einstufung nach einem konkreten Kollektivvertrag und damit zum Ausmaß der Unterentlohnung; ebenso sei die konkrete Organfunktion, durch welche er die Vertretung der genannten Gesellschaft nach außen vornehme, nicht angegeben. Diese Spruchmängel, so die Ansicht des Verwaltungsgerichts, sei nur die belangte Behörde zu modifizieren berechtigt und daher das Straferkenntnis "gemäß § 50 VwGVG aufzuheben".
4 Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe somit entfallen können. Abschließend sei anzumerken, dass die belangte Behörde unter Berücksichtigung der Verjährungsbestimmungen "aus eigenem zu beurteilen hat, ob sie das Verwaltungsstrafverfahren fortsetzt, wobei dann in diesem Zuge auch die erforderliche Spruchkorrektur vorgenommen werden kann".
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene (offensichtlich auf § 32 Abs. 2 LSD-BG gestützte) außerordentliche Revision, zu der eine Revisionsbeantwortung nicht erfolgte, erwogen:
6 Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von (näher zitierter) hg. Rechtsprechung betreffend die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts in Verwaltungsstrafsachen geltend macht.
7 § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 44/2016 (LSD-BG), lautet auszugsweise:
"Unterentlohnung
§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. (....). Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1 000 Euro bis 10 000 Euro, ...."
8 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den wesentlichen Kriterien jenem, der dem (zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 7i Abs. 5 AVRAG ergangenen) hg. Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0053, zugrunde lag. Aus den dort dargelegten Entscheidungsründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, befindet sich das Verwaltungsgericht gegenständlich im Irrtum, wenn es meint, dass bereits im Spruch des Straferkenntnisses das dem Arbeitnehmer tatsächlich ausbezahlte Entgelt hätte angeführt werden müssen bzw. dass die Bezeichnung des für den Arbeitnehmer maßgebenden Kollektivvertrags samt zugehöriger Einstufung im Spruch des Straferkenntnisses vom Verwaltungsgericht nicht habe ergänzt werden können. 9 Die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Ergänzung des Spruches des Straferkenntnisses betrifft auch die Präzisierung der Funktion iSd § 9 Abs. 1 VStG (etwa , mwN) und führt, anders als das Verwaltungsgericht gegenständlich meint, in Bezug auf den Tatvorwurf zu keinem aliud (vgl. etwa , und , Ra 2017/17/0886).
10 Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht aber auch verkannt, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zur (bloßen) Aufhebung des Straferkenntnisses berechtigt ist (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Ra 2019/11/0053 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung). Sollte der Hinweis im angefochtenen Erkenntnis auf das von der belangten Behörde fortzusetzende Verwaltungsstrafverfahren allerdings als beabsichtigte Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde zu verstehen sein, so befände sich das Verwaltungsgericht auch damit im Widerspruch zur hg. Judikatur (vgl. zur Rechtswidrigkeit der Zurückverweisung in Verwaltungsstrafsachen etwa ).
11 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
12 Die Abweisung des Antrags auf Aufwandersatz beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110105.L00 |
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