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VwGH 26.01.2012, 2011/01/0206

VwGH 26.01.2012, 2011/01/0206

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §2 Abs1;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
RS 1
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der Frage der Unterkunftaufgabe nicht der Rechtstitel, der der Unterkunftaufgabe zu Grunde liegt, sondern die bloße Herstellung eines faktischen Zustandes maßgebend. Demnach ist die Aufgabe der Unterkunft mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, in dem die faktische Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft, wenn auch nur vorübergehend, gänzlich gelöst wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0108, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/01/0019, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0221). Entscheidend für die Abmeldung ist das faktische Verlassen der bisherigen Unterkunft und die Unmöglichkeit der Rückkehr; auf die Gründe, die dazu geführt haben, kommt es in melderechtlicher Hinsicht nicht an (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Normen
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §2 Abs1;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
RS 2
Auch eine zwangsweise Delogierung ist geeignet, die Unterkunftaufgabe zu begründen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/01/0209, 0301).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/01/0213

2011/01/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden der beschwerdeführenden Parteien 1. G B, 2. K B, 3. A B, alle in Y, alle vertreten durch Dr. Heinz Ager, Rechtsanwalt in 5061 Elsbethen, Gemeindeweg 12, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion Salzburg je vom ,

1.) Zl. E1/3411/2010, 2.) Zl. E1/3414/2010, 3.) Zl. E1/3416/2010, betreffend amtswegige Abmeldung nach dem Meldegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Mitglieder einer Familie; der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer ist deren gemeinsamer Sohn.

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde jeweils "gemäß § 13 und 15 Meldegesetz 1991 die amtswegige Abmeldung" der Beschwerdeführer von der Adresse Y, X-Straße 7/Top 2, verfügt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer seien seit  mit Hauptwohnsitz an dieser Adresse gemeldet gewesen. Am sei der Stadtgemeinde Y als erstinstanzlicher Meldebehörde zur Kenntnis gebracht worden, dass laut Grundbuchsauszug vom selben Tag Frau Sch. (die Schwester des Erstbeschwerdeführers) Eigentümerin der oberwähnten Wohnung sei. Frau Sch. habe der erstinstanzlichen Behörde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführer seit der am erfolgten zwangsweisen Delogierung nicht mehr an dieser Adresse wohnhaft seien und habe um deren amtswegige Abmeldung ersucht. Die Beschwerdeführer seien laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit  mit Nebenwohnsitz an einer näher genannten Adresse in Z gemeldet.

Mit Schreiben des Bezirksgerichts Y vom sei der Stadtgemeinde Y mitgeteilt worden, dass die Räumung an der Adresse Y, X-Straße 7/Top 2, hinsichtlich der Beschwerdeführer am vollzogen worden sei.

Mit Schreiben der Stadtgemeinde Y vom seien die Beschwerdeführer aufgefordert worden, eine Wohnsitzerklärung gemäß § 15a MeldeG abzugeben; dieser Aufforderung seien die Beschwerdeführer nach Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages nachgekommen.

Mit weiterem Schreiben der Stadtgemeinde Y vom seien die Beschwerdeführer über die Einleitung einer Berichtigung des Melderegisters und ihre beabsichtigte amtswegige Abmeldung von der erwähnten Adresse in Kenntnis gesetzt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden. Mit Bescheiden der Stadtgemeinde Y je vom sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführer jeweils spätestens seit nicht mehr an dieser Adresse wohnhaft seien und seien die Beschwerdeführer jeweils von dieser Adresse abgemeldet worden; entgegen ihrer Wohnsitzerklärung vom würden sich die Beschwerdeführer auch nicht an 180 (richtig: 190) Tagen im Jahr an dieser Adresse aufhalten. Die gegen diese Bescheide eingebrachte Berufung sei von der Bezirkshauptmannschaft A mit Bescheiden vom abgewiesen worden.

Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit den angefochtenen Bescheiden abzuweisen gewesen, weil die Pflicht zur An- und Abmeldung unabhängig vom Grund der Aufgabe einer Wohnung bzw. Unterkunft bestehe; auch nicht freiwillig ausgezogene Personen seien abzumelden. Die Aufgabe einer Unterkunft erfolge mit dem Zeitpunkt, in dem die Beziehung einer Person und der Unterkunft - wenn auch nur vorübergehend - gänzlich gelöst werde. Unbestritten sei, dass die Beschwerdeführer nach rechtskräftigem Gerichtsbeschluss am aus der erwähnten Wohnung zwangsweise delogiert worden seien. Entscheidungsrelevant für die Abmeldung sei das faktische Verlassen dieser Unterkunft und die - durch die Eigentümerin Sch. mehrfach zum Ausdruck gebrachte - Unmöglichkeit der Rückkehr. Unerheblich sei, ob die Beschwerdeführer als (vormalige) Unterkunftnehmer die Absicht hätten, die Unterkunft wieder aufzunehmen, da dieser Absicht der offensichtliche Wille der Wohnungseigentümerin entgegen stehe und sie diese Absicht daher auf Grund des Verhaltens des Unterkunftgebers nicht verwirklichen könnten. Vorbehalte rechtlicher Natur könnten am meldegesetzlichen Tatbestand der Unterkunftaufgabe nichts ändern.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden gleichlautenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 28/2001 (MeldeG), lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Unterkünfte sind Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden.

(2) Unterkunftgeber ist, wer jemandem, aus welchen Gründen immer, Unterkunft gewährt.

(4) Wohnungen sind Unterkünfte, soweit es sich nicht um Beherbergungsbetriebe handelt. …

(6) Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

Meldepflicht und Ausnahmen von der Meldepflicht

§ 2. (1) Wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt, ist zu melden.

Unterkunft in Wohnungen; Abmeldung

§ 4. (1) Wer seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, ist innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden.

Meldebehörden

§ 13. (1) Meldebehörden sind die Bürgermeister.

(2) Über Berufungen gegen Bescheide der Meldebehörden hat in letzter Instanz die Sicherheitsdirektion zu entscheiden.

Berichtigung des Melderegisters

§ 15. (1) Erhält die Meldebehörde vom Tod eines angemeldeten Menschen oder davon Kenntnis, daß eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, so hat sie die An- oder Abmeldung, in den Fällen des § 11 Abs. 1 auch die Ummeldung von Amts wegen vorzunehmen. Im übrigen hat sie das Melderegister, soweit es unrichtige oder unvollständige Meldedaten enthält, zu berichtigen. …

(2) Von einer beabsichtigten An-, Ab- oder Ummeldung von Amts wegen hat die Meldebehörde den Meldepflichtigen zu verständigen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Erhebt der Meldepflichtige gegen eine solche Maßnahme Einwendungen, so ist die An-, Ab- oder Ummeldung, falls die Einwendungen nicht berücksichtigt werden, mit Bescheid vorzunehmen.

Wohnsitzerklärung

§ 15a. (1) Der Bürgermeister ist ermächtigt, von Menschen, die in der Gemeinde angemeldet sind, zum Zweck der Überprüfung der Richtigkeit der im Melderegister gespeicherten Daten die Abgabe einer Wohnsitzerklärung zu verlangen. …

…"

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der Frage der Unterkunftaufgabe nicht der Rechtstitel, der der Unterkunftaufgabe zu Grunde liegt, sondern die bloße Herstellung eines faktischen Zustandes maßgebend. Demnach ist die Aufgabe der Unterkunft mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, in dem die faktische Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft, wenn auch nur vorübergehend, gänzlich gelöst wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0108, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/01/0019, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0221). Entscheidend für die Abmeldung ist das faktische Verlassen der bisherigen Unterkunft und die Unmöglichkeit der Rückkehr; auf die Gründe, die dazu geführt haben, kommt es in melderechtlicher Hinsicht nicht an (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist die Beschwerdeauffassung, dass die Aufgabe einer Wohnung im Sinne des Meldegesetzes lediglich im Falle einer diesbezüglich "freien Willensentscheidung" der Unterkunftnehmer anzunehmen und die amtswegige Abmeldung der Beschwerdeführer daher im vorliegenden Fall unzulässig gewesen sei, unzutreffend. Vielmehr ist auch eine zwangsweise Delogierung geeignet, die Unterkunftaufgabe zu begründen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/01/0209, 0301).

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - nämlich der unstrittig am erfolgten zwangsweisen Delogierung der Beschwerdeführer aus der erwähnten Wohnung sowie der einer neuerlichen Unterkunftnahme entgegen stehenden Willensbekundung der Wohnungseigentümerin (die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten das Gerichtsverfahren zur Delogierung der Beschwerdeführer angestrengt und die amtswegige Abmeldung der Beschwerdeführer bei der Meldebehörde erster Instanz mehrfach urgiert hat) - von der Aufgabe der Unterkunft durch die Beschwerdeführer ausging. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Annahme der belangten Behörde, dass die Angaben der Beschwerdeführer in den Wohnsitzerklärungen vom , wonach sie an der gegenständlichen Adresse 190 Tage im Jahr verbringen würden, nicht den Tatsachen entsprächen, keinen Bedenken, zumal die Beschwerdeführer in diesen Wohnsitzerklärungen aktenkundig übereinstimmend weiters ausführen, dass sie "durch unvorhersehbare Umstände vorübergehend nicht in der Lage (seien), unsere Wohnung zu benutzen", und im Übrigen auch in den Beschwerden explizit eingeräumt wird, dass die Beschwerdeführer im Gefolge der zwangsweisen Räumung über keine Schlüssel zur Wohnung verfügten und diese für Zwecke des Wohnens oder Schlafens nicht mehr nützen konnten.

Die von den Beschwerdeführern bereits in ihren Berufungen vorgebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des der Delogierung zu Grunde liegenden Gerichtsverfahrens - dieses Verfahren sei infolge Befangenheit des Richters für nichtig erklärt worden (wobei allerdings nach den Beschwerdeausführungen die Räumungsexekution mit Beschluss des BG Saalfelden vom neuerlich rechtskräftig bewilligt wurde) - sowie die Hinweise auf die von ihnen angestrengten zivilgerichtlichen Verfahren zur Bekämpfung des Räumungsbeschlusses und zur Bestreitung des Eigentums von Frau Sch. an der in Rede stehenden Wohnung stellen Vorbehalte rechtlicher Natur dar, die die Beschwerdeführer als Unterkunft Aufgebende weiter verfolgen wollen, die jedoch am meldegesetzlichen Tatbestand der Unterkunftaufgabe nichts zu ändern vermögen (vgl. auch dazu die erwähnten hg. Erkenntnisse vom und vom ).

Das Beschwerdevorbringen, wonach das "Mobiliar" der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Wohnung belassen worden sei, findet in den aktenkundigen Angaben der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Deckung und konnte die Beschwerde daher schon infolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbots nicht zum Erfolg führen.

Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte jeweils gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §2 Abs1;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2011010206.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-82667