VwGH vom 22.02.2021, Ra 2019/11/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M V in F (Dänemark), vertreten durch Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottengasse 1, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Salzburg 1.) vom , Zl. 405-7/665/1/10-2019 (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2019/11/0093), und 2.) vom , Zl. 405-7/666/1/10-2019 (protokolliert zu hg. Zl. Ra 2019/11/0094), jeweils betreffend Übertretungen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revisionen werden im Umfang der Anfechtung der Schuldsprüche der angefochtenen Erkenntnisse jeweils zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
In ihrem über die Schuldsprüche hinausgehenden Umfang werden die angefochtenen Erkenntnisse jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber jeweils Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40, insgesamt somit € 2.692,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
11. Mit den angefochtenen Erkenntnissen wurde, in teilweiser Bestätigung zweier Straferkenntnisse der belangten Behörde jeweils vom , der Revisionswerber der Übertretung 1.) des § 19 Abs. 1 und 4 LSD-BG (hg. Zl. Ra 2019/11/0093) und 2.) des § 22 Abs. 1 und 2 LSD-BG (hg. Zl. Ra 2019/11/0094) schuldig erkannt, weil er es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S. ApS (einer Gesellschaft mit Sitz in Dänemark) zu verantworten habe, dass sechs namentlich genannte, von der S. ApS der S. GmbH (mit Sitz in Salzburg) überlassene (dänische) Arbeitnehmer von dieser am in einem näher bezeichneten Hotel in Österreich beschäftigt worden seien, ohne dass 1.) die erforderlichen Meldungen nach § 19 Abs. 1 und 4 LSD-BG an die Zentrale Koordinationsstelle erstattet worden seien und 2.) die S. ApS als Überlasser der S. GmbH als Beschäftiger die Lohnunterlagen gemäß § 22 Abs. 1 und 2 LSD-BG nachweislich bereitgestellt habe.
2Wegen dieser Übertretungen des LSD-BG wurden über den Revisionswerber 1.) gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG und 2.) gemäß § 28 Z 2 LSD-BG jeweils Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen pro betroffenem Arbeitnehmer verhängt.
3Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4In der Begründung führte das Verwaltungsgericht jeweils aus, der Revisionswerber habe in den gegen die genannten Straferkenntnisse erhobenen Beschwerden (soweit für die vorliegende Revision von Bedeutung) vorgebracht, die S. ApS hätte die Arbeitnehmer in Dänemark ausschließlich für die Tätigkeit in Österreich angestellt und deren Arbeitsverhältnisse auf die Dauer der Tätigkeit in Österreich befristet, ihre Arbeitsleistung hätten sie ausschließlich in Österreich nach den Anweisungen der S. GmbH erbracht. Daraus ergäbe sich nach Ansicht des Revisionswerbers, dass Österreich als der „gewöhnliche Arbeitsort“ dieser Arbeitnehmer anzusehen wäre und dass daher weder eine Entsendung von Arbeitskräften noch eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vorläge. Es wäre daher gegenständlich nicht nur die Kontrolle der Bereithaltung der Lohnunterlagen durch die Finanzpolizei rechtswidrig gewesen (gemäß § 12 LSD-BG seien bei einem gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich die Träger der Krankenversicherung zuständig), sondern mangels grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung auch die Annahme unzutreffend, dass die S. ApS als Überlasser, also den Revisionswerber als vertretungsbefugtes Organ der S. ApS, die gegenständliche Verpflichtung 1.) zur Meldung nach § 19 Abs. 1 und 4 LSD-BG an die Zentrale Koordinationsstelle und 2.) zur Bereitstellung der Lohnunterlagen an den Beschäftiger gemäß § 22 Abs. 2 LSD-BG, träfe.
5Nach durchgeführter Verhandlung stellte das Verwaltungsgericht als maßgebenden Sachverhalt fest, am habe die Finanzpolizei bei der gemäß § 12 LSD-BG durchgeführten Kontrolle des von der S. GmbH im Bundesland Salzburg betriebenen Hotels die in den beiden Straferkenntnissen jeweils genannten sechs dänischen Staatsangehörigen arbeitend angetroffen. Diese hätten jeweils über einen Arbeitsvertrag mit der S. ApS, einem Unternehmen mit Sitz in Kopenhagen, verfügt. Die Personalaufsicht über die Arbeitnehmer sei von einem Mitarbeiter der S. GmbH ausgeübt worden.
6Hinsichtlich der in den Straferkenntnissen jeweils genannten sechs dänischen Staatsangehörigen seien 1.) jeweils nach Arbeitsbeginn Meldungen an die Zentrale Koordinationsstelle gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG ergangen und 2.) von den in § 22 (Abs. 1) LSD-BG genannten Unterlagen lediglich die Dienstpläne am Arbeitsort bereitgehalten worden, wobei einzelne weitere Unterlagen während der Kontrolle, allerdings in dänischer Sprache, mit Email übermittelt worden seien, Nachweise über die Bereitstellung der Lohnunterlagen gemäß § 22 (Abs. 2) LSD-BG an den Beschäftiger jedoch nicht vorliegen würden.
7Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung der Rechtslage aus, die S. ApS habe ihren Sitz ausschließlich in Dänemark. Ihr Geschäftsgegenstand sei die „Ausbildung und Ausleihung von Personal an Firmen in der Hotellerie und der Reisebüro-Branche“. „Demgemäß“ habe sie mit den in Rede stehenden sechs dänischen Staatsangehörigen Arbeitsverträge abgeschlossen und diese „nach Österreich geschickt, um dort in den Hotels der S. GmbH zu arbeiten“, und zwar auf Anweisung und unter der Leitung des Verantwortlichen der letztgenannten Gesellschaft. In Österreich habe die S. ApS keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet und ihr Personal daher nicht zur Arbeitsleistung nach Österreich „entsendet“. Vielmehr habe die S. ApS das Personal „grenzüberschreitend von Dänemark“ an die S. GmbH in Österreich „überlassen“, zumal das Personal die Arbeit nach den Anweisungen der letztgenannten Gesellschaft verrichtet habe (Hinweis auf ). Auch die Anmeldung der Arbeitskräfte zur Sozialversicherung sei in Dänemark erfolgt.
8Daraus folge, dass die (durch den Revisionswerber vertretene) S. ApS als Überlasser dieser Arbeitskräfte 1.) zur vor Arbeitsaufnahme erfolgenden Meldung der grenzüberschreitenden Überlassung an den in Österreich ansässigen Beschäftiger an die Zentrale Koordinationsstelle (§ 19 Abs. 1 und 4 LSD-BG) und 2.) zur Bereitstellung der Lohnunterlagen an den Beschäftiger (§ 22 Abs. 2 LSD-BG) verpflichtet gewesen sei. Während 1.) die Meldungen verspätet eingereicht worden und falsch, nämlich als „Entsende-Meldungen“ gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG, deklariert gewesen seien, sei 2.) vom Revisionswerber selbst nicht in Abrede gestellt worden, dass die Lohnunterlagen zum Kontrollzeitpunkt nicht nachweislich bereitgestellt worden seien.
9Unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 LSD-BG begründete das Verwaltungsgericht im Übrigen die Zuständigkeit der Abgabenbehörde (Finanzpolizei) zur Kontrolle 1.) der Erstattung der Meldungen und 2.) der Bereitstellung der Lohnunterlagen.
10Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, die von der belangten Behörde verhängten und von ihm teilweise herabgesetzten Geldstrafen 1.) zu jeweils € 1.500,-- für zwei der Arbeitnehmer bzw. € 1.000,-- für vier der Arbeitnehmer und 2.) zu jeweils € 2.500,-- beruhten auf 1.) dem ersten Strafsatz des § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG, dessen Strafrahmen von € 1.000,-- bis € 10.000,-- pro Arbeitnehmer reiche und 2.) dem dritten Strafsatz des § 28 Z 2 LSD-BG, dessen Strafrahmen bei mehr als drei betroffenen Arbeitnehmern von € 2.000,-- bis € 20.000,-- pro Arbeitnehmer reiche, wobei bei der teilweisen Herabsetzung der von der Behörde zu 1.) verhängten Strafen das Vorliegen von - wenn auch unzutreffenden - ZKO-Meldungen für einzelne Arbeitnehmer zum Kontrollzeitpunkt als strafmildernd berücksichtigt worden sei, die bestätigten Strafen im untersten Bereich des jeweiligen Strafrahmens gelegen und die Strafen insgesamt daher jedenfalls angemessen seien.
112. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die - wegen ihres sachlichen, rechtlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - außerordentlichen Revisionen.
12Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
133. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
143.1 Ad I.:
15Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18Die Revisionen führen zu ihrer Zulässigkeit hinsichtlich der Schuldsprüche einerseits unter Hinweis auf hg. Judikatur übereinstimmend die mangelhafte Begründung der angefochtenen Erkenntnisse ins Treffen und machen andererseits geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob die Überlassung eines Arbeitnehmers mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich und einem Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich an einen Beschäftiger mit Sitz in Österreich eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung darstellt“ und „ob die Abgabenbehörden in der Vollziehung des LSD-BG für Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich zuständig sein können“.
19Mit diesem Vorbringen setzte sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in der hg. Entscheidung vom , Ra 2019/11/0091, bezüglich des „Beschäftigers“ in der vom Verwaltungsgericht hier wie dort als „grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung“ beurteilten Konstellation auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den damit aufgeworfenen Rechtsfragen deshalb nicht um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG handelt, weil der Erfolg der Revision nicht von der Beantwortung dieser Fragen abhinge. Auch fallgegenständlich hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen „grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung“ bereits aufgrund der Erfüllung der im hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0068, genannten Kriterien angenommen, weshalb sich auch hier die in der genannten Entscheidung vom Verwaltungsgerichtshof angegebenen Gründe - auf diese wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen - auf die gegenständlichen Revisionsfälle, denen die Bestrafung des Revisionswerbers als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des „Überlassers“ zugrunde liegt, übertragen lassen. Einer weiteren Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf es nicht.
203.2. Ad II.:
21Hinsichtlich der Strafaussprüche gleichen die Revisionsfälle in den entscheidungswesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten dem bereits oben genannten, mit hg. Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0091, entschiedenen Fall. Aus den dort dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweisen sich die vorliegenden Revisionen in dem über die Schuldsprüche der Erkenntnisse hinausgehenden Umfang als zulässig und begründet.
223.3. Die Revisionen waren daher I. im Umfang der Schuldsprüche der angefochtenen Erkenntnisse zurückzuweisen, II. in dem über die Schuldsprüche der Erkenntnisse hinausgehenden Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
23Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110093.L00 |
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