VwGH vom 09.12.2010, 2006/09/0220
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des WW in W, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-MD-05-1456, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied der L-AG (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) bestraft, weil er dafür verantwortlich sei, dass im Zeitraum vom 1. Jänner bis zum am Firmensitz (in einer näher angeführten Gemeinde in Niederösterreich) sowie in einer Filiale des Unternehmens im Bereich KA ein namentlich angeführter ungarischer Staatsbürger (BM) als Arbeiter beschäftigt worden sei, obwohl dieser nicht im Besitz einer EU-Freizügigkeitsbestätigung, welche das Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt bescheinigt, gewesen sei. Eine derartige Bestätigung sei gemäß § 32a Abs. 2 und 3 AuslBG somit vor Beginn der Beschäftigung nicht eingeholt worden. Der Beschwerdeführer habe § 32a Abs. 4 iVm § 28 Abs. 1 Z. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) übertreten und über ihn wurde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG eine Geldstrafe von EUR 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt und ihm die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der ungarische Staatsangehörige als Arbeiter vom bis zum bei der Firma A und vom bis zum bei der L-AG beschäftigt gewesen sei. Er habe vom bis zum über einen Befreiungsschein verfügt. Ab diesem Zeitpunkt habe er bis zum "31. 14. 2004" (gemeint wohl: ) ohne arbeitsmarktbehördliche Papiere bei der Firma A und in der Folge bis zum gegenständlichen Kontrollzeitpunkt am bei der L-AG gearbeitet, deren Vorstandsmitglied der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gewesen sei.
Zum Kontrollsystem sei auszuführen, dass sich der verantwortliche Beauftragte in der L-AG lediglich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses um den betreffenden ausländischen Arbeitnehmer gekümmert habe. In weiterer Folge sei es Aufgabe der Personalleitung am Konzernsitz, zu überprüfen, ob die arbeitsmarktbehördlichen Papiere noch gültig seien. Die Bezug habenden Unterlagen würden bei Aufnahme des Arbeitsverhältnisses von der betreffenden Filiale an die Personalabteilung im Original übermittelt. Der verantwortliche Beauftragte habe daher keine Möglichkeit, in weiterer Folge zu kontrollieren, ob die arbeitsmarktbehördlichen Papiere schon abgelaufen seien.
Sämtliche bei der Firma A beschäftigten Arbeitnehmer seien am von der L-AG übernommen worden. Im Zuge dieser Übernahme sei der Beschwerdeführer als der für die L-AG gemäß § 9 VStG Verantwortliche verpflichtet gewesen, hinsichtlich der übernommenen ausländischen Arbeitnehmer die arbeitsmarktbehördlichen Papiere zu überprüfen. In Ansehung des ungarischen Staatsangehörigen BM sei offensichtlich keine Überprüfung erfolgt, ansonsten wäre es aufgefallen, dass keine EU-Freizügigkeitsbestätigung vorgelegen sei. Erst durch Benachrichtigung des AMS KA habe die Personalabteilung davon Kenntnis erlangt, dass BM über die EU-Freizügigkeitsbestätigung nicht verfüge.
Die belangte Behörde führte wie folgt aus:
"Der ungarische Staatsangehörige BM verfügte im Tatzeitraum über keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Nachdem er die Voraussetzungen für einen Befreiungsschein gemäß § 15 AuslBG erfüllt hat, hätte ihm vom zuständigen Arbeitsmarktservice das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schriftlich bestätigt werden können. Er wäre dann berechtigt gewesen, legal in Österreich zu arbeiten."
Der Beschwerdeführer habe es als Vorstand des Arbeitgebers, der L-AG, und damit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ, zu verantworten, dass der ungarische Staatsangehörige ohne EU-Freizügigkeitsbestätigung in einer für die L-AG betriebenen Filiale als Arbeiter beschäftigt worden sei. Der objektive Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z. 6 iVm § 32a Abs. 4 AuslBG sei daher vom Beschwerdeführer verwirklicht.
Ein wirksames Kontrollsystem, um derartige verwaltungsstrafrechtliche Übertretungen hintanzuhalten, habe von der belangten Behörde nicht festgestellt werden können. Es möge daher zwar richtig sein, dass die Personalabteilung grundsätzlich dafür verantwortlich sei, dass die arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen für die ausländischen Arbeitskräfte rechtzeitig eingeholt würden. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls trotz Verschmelzung der Firma A mit der L-AG verabsäumt, seine Angestellten anzuweisen, die von der Firma A übernommenen Arbeitskräfte im Hinblick auf die arbeitsmarktbehördlichen Genehmigungen zu überprüfen. Dass das vom Beschwerdeführer angesprochene Kontrollsystem nur unzureichend funktioniere, könne auch daraus abgeleitet werden, dass über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M vom wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Ermahnung erteilt worden sei. Aus dem in den Verwaltungsakten befindlichen Vorstrafenregister ergebe sich weiters, dass mehrere Vormerkungen wegen diverser Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz, nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz, nach der Fertigpackungsverordnung, nach dem ARG, nach dem AStV, nach dem LMHV und nach dem MEG und dem LMG vorlägen. Schon aus diesen vielen Vormerkungen lasse sich ableiten, dass das Kontrollsystem nur teilweise funktioniert habe, zumal hinsichtlich vieler anderer Übertretungen nicht der Beschwerdeführer selbst, sondern oft nur der verantwortliche Beauftragte bestraft worden sei.
Zur Strafzumessung führte die belangte Behörde aus, dass § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG für eine Übertretung wie im gegenständlichen Fall eine Geldstrafe bis zu EUR 500,-- vorsehe. Die erstinstanzliche Behörde habe das mögliche Strafausmaß nur bis zur Hälfte ausgeschöpft, sie habe weder einen Umstand als erschwerend noch einen Umstand als mildernd angenommen. Die belangte Behörde sehe die einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung als Erschwerungsgrund an. Als mildernd könne kein Umstand gewertet werden. In Anbetracht eines von der belangten Behörde als überdurchschnittlich geschätzten Einkommens von EUR 5.000,-- netto monatlich und eines Vermögens von einem Haus mit Grundbesitz sowie von keinen Sorgepflichten, vermeine die belangte Behörde, dass die verhängte Geld-/Ersatzfreiheitsstrafe tat- und schuldangemessen sei, dies auch unter generalpräventiven Aspekten.
Spezialpräventive Gründe seien im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen, da sich der Beschwerdeführer mittlerweile in Pension befinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 28/2004, lauten:
"Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.
(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf
...
l) EWR-Bürger, drittstaatsangehörige Ehegatten eines
österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers sowie drittstaatsangehörige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger bzw. der EWR-Bürger Unterhalt gewährt, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind.
...
Strafbestimmungen
§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen
...
6. wer entgegen dem § 32a Abs. 4 einen EU-Bürger, dessen Ehegatten oder Kind ohne Bestätigung gemäß § 32a Abs. 2 oder 3 beschäftigt, mit Geldstrafe bis zu 500 Euro.
...
Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung
§ 32a. (1) § 1 Abs. 2 lit. l gilt - mit Ausnahme der Staatsangehörigen der Republik Malta und der Republik Zypern - nicht für Staatsangehörige jener Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am auf Grund des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom , Seite 17 und Nr. C 227 E vom , der Europäischen Union beitreten, es sei denn, sie sind Ehegatten oder Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), der bereits vor In-Kraft-Treten des Beitrittsvertrages dem EWR angehörte.
(2) Den EU-Bürgern gemäß Abs. 1 ist vom Arbeitsmarktservice
das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schriftlich zu bestätigen,
wenn sie
1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt
rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen
mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder
2. die Voraussetzungen für einen Befreiungsschein
(§ 15) erfüllen oder
3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd
niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen. ...
...
(4) Bestätigungen gemäß Abs. 2 und 3 sind vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigungen erlöschen bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde.
..."
Die Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof stimmen darin überein, dass der ungarische Staatsbürger BM die Voraussetzungen zur Erteilung eines Befreiungsscheines im Sinne des § 32a Abs. 2 Z. 2 AuslBG erfüllt hat.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften des AuslBG in dem von ihm vertretenen Unternehmen trug. Er hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil zwar der Ausländer zu dem gegebenen Zeitpunkt keine Freizügigkeitsbestätigung gehabt habe, aber doch jedenfalls die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Freizügigkeitsbestätigung vorgelegen gewesen wären, dies zeige auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer mittlerweile über eine solche Freizügigkeitsbestätigung verfüge.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er die in § 32a Abs. 4 mit Bezug auf den Fall des § 32a Abs. 2 Z. 2 und Abs. 4 leg. cit. normierte Ordnungsvorschrift verletzt hat, einen in § 32a Abs. 1 AuslBG genannten EU-Bürger, der die Voraussetzungen für die Erteilung eines Befreiungsscheines erfüllte, ohne eine Freizügigkeitsbestätigung zu beschäftigen.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass ein wirksames Kontrollsystem vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt worden sei, ist nicht zu beanstanden. Wenn er meint, angesichts der Vielzahl der Filialen, die von dem von ihm vertretenen Unternehmen betrieben würden, das den Ausländer unbestritten beschäftigt hat, sei es nicht sinnvoll, wenn er persönlich Kontrollen durchführe, es sei vielmehr sinnvoll, wenn stichprobenartige Kontrollen stattfänden, und es habe nur ein Arbeitnehmer in einer Filiale über keine Freizügigkeitsbescheinigung verfügt, so zeigt er damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG gehört, da zu ihrer Strafbarkeit weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr erforderlich ist, zu den so genannten "Ungehorsamsdelikten", bei denen im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG der Täter glaubhaft zu machen hat, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0158, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung). Wenn in einem Unternehmen andere Personen mit der faktischen Durchführung der Einstellung neuer Arbeitnehmer betraut werden, obliegt es dem verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen. Ein funktionierendes Kontrollsystem liegt etwa dann vor, wenn die Überprüfung der Arbeitspapiere durch das damit betraute Personalbüro vor Arbeitsaufnahme erfolgt und durch den Verantwortlichen die lückenlose Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen auf effektive Weise überwacht wird. Der Beschwerdeführer hätte daher zu seiner verwaltungsstrafrechtlichen Entlastung das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems darzutun und nachzuweisen gehabt. Die bloße Vornahme von nicht näher dargelegten stichprobenartigen Kontrollen reicht dazu jedenfalls nicht aus (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0073). Wesentlich wäre es im vorliegenden Fall zumindest gewesen, in jenem Zeitpunkt, in welchem die Beschäftigung der Arbeitskraft durch das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen begonnen hat, eine effektive Kontrolle vorzunehmen. Dass dies geschehen wäre, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren, noch in der Beschwerde geltend gemacht. Dem Beschwerdeführer ist die Glaubhaftmachung gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG daher nicht gelungen, dass ihn im vorliegenden Fall an der Verletzung des § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG kein Verschulden traf.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-82637