VwGH vom 19.09.2013, 2011/01/0192
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Magistrat der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/10/7525/2010-22, betreffend Behebung eines iA. des Wiener Prostitutionsgesetzes ergangenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (mitbeteiligte Partei: F in S; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im bekämpften Umfang, nämlich soweit damit Spruchpunkt 3) des gegen die mitbeteiligte Partei ergangenen Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. S 180.976/MG/09 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit eingestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Gemäß Spruchpunkt 3) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe als Verfügungsberechtigter der Räumlichkeit in der G.-Straße 145 in Wien nicht dafür gesorgt, dass die Ausübung der Prostitution in diesem Lokal am um 20.15 Uhr durch Frau E.T. eingestellt werde, obwohl sich diese Örtlichkeit weniger als 150 m entfernt vom (näher genannten) Kinderspielplatz und damit von einem Schutzobjekt im Sinn des § 4 Abs. 2 Wiener Prostitutionsgesetz (Wr. ProstitutionsG) befinde, und obwohl er von der Ausübung der Prostitution habe wissen müssen. Wegen Verletzung des § 5 Abs. 1 und 6 Wr. ProstitutionsG wurde deshalb über den Mitbeteiligten gemäß § 8a Abs. 2 Z. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: zwei Tage) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es stehe als erwiesen fest, dass E.T. zum Tatzeitpunkt im genannten Lokal ("Studio") die Prostitution angebahnt habe. Unstrittig befinde sich dieses Studio im Schutzbereich von 150 m vom Eingang des genannten Kinderspielplatzes.
Der Mitbeteiligte sei zur Tatzeit Hauptmieter des genannten Lokals gewesen; das Lokal sei zur Tatzeit (ua.) an E.T. untervermietet gewesen.
Weiters stehe fest, dass der Mitbeteiligte nach der ersten Beanstandung vom die Untermieterinnen darauf hingewiesen habe, dass die Prostitutionsausübung im Lokal nicht gestattet sei und dass vereinbart worden sei, dass die Untermieterinnen das Lokal als "Massagestudio" nutzten.
Der Mitbeteiligte sei zwar Hauptmieter des gegenständlichen Lokals, zur Tatzeit sei dieses jedoch (u.a.) an E.T. untervermietet gewesen. Bei Räumen, die in Bestand gegeben würden, komme die Verfügungsberechtigung (im Regelfall) dem Bestandnehmer zu, bei einem Unterbestandsverhältnis dem Unterbestandnehmer. Der Unterbestandgeber habe sich seiner Verfügungsberechtigung über das Bestandsobjekt (auf Zeit) begeben; die Verfügungsberechtigung des Bestandgebers sei diesfalls durch die rechtliche und tatsächliche selbständige Verfügungsberechtigung des Bestandnehmers verdrängt. Da der Mitbeteiligte sohin zur Tatzeit nicht Verfügungsberechtigter der untervermieteten Räumlichkeiten an der gegenständlichen Adresse im Sinne des § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG gewesen sei, sei das Straferkenntnis (auch) in diesem Punkt aufzuheben und das diesbezügliche Verfahren einzustellen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er seiner "Verpflichtung zur Unterbindung der Prostitution in dem von mir weiterverpachteten Geschäftslokal … ab dem Zeitpunkt, von ich von der Gesetzwidrigkeit erfahren habe (), nachgekommen (bin) und … die Maßnahmen dazu auch gesetzt (habe)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 14a ("Amtsbeschwerde") des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. Nr. 53/1990 idF. LGBl. Nr. 42/2010, kann der Magistrat gegen Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates in Angelegenheiten gemäß § 2 leg. cit., die in Gesetzgebung Landessache sind, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
Das Wiener Prostitutionsgesetz, LGBl. Nr. 7/1984 in der gegenständlichen Fassung LGBl. Nr. 17/2004 (Wr. ProstitutionsG), lautete auszugsweise:
Beschränkung der Anbahnung der Prostitution
§ 4. (1) …
(2) Die Anbahnung der Prostitution ist in Bahnhöfen, Stationsgebäuden und Haltestellenbereichen öffentlicher Verkehrsmittel verboten. Weiters ist die Anbahnung der Prostitution an folgenden Orten (Schutzobjekten) und zusätzlich auch in einem Schutzbereich von 150 m Entfernung von diesen Örtlichkeiten verboten:
…
5. Kinder- und Jugendspielplätze;
…
Beschränkung der Prostitution
§ 5. (1) Die Ausübung der Prostitution in Wohnungen ist verboten. Dieses Verbot gilt auch für andere Räume eines Gebäudes, wenn sie keinen unmittelbaren Zugang zu einer öffentlichen Verkehrsfläche aus aufweisen oder wenn das Gebäude innerhalb des im § 4 Abs. 2 umschriebenen Bereiches liegt.
…
(6) Der Eigentümer (Miteigentümer), der Verfügungsberechtigte oder der Verwalter eines Gebäudes oder Gebäudeteiles im Umfang seiner Verantwortlichkeit gemäß § 8a Abs. 3 hat für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen, wenn die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 oder 2, … zuwidergehandelt wird, … . Diese Verpflichtung beginnt mit dem Zeitpunkt, ab dem der Verantwortliche von der gesetzwidrigen Anbahnung oder Ausübung der Prostitution wusste oder bei gehöriger Aufmerksamkeit wissen hätte müssen.
…
Strafbestimmungen
§ 8a. (1) …
(2) Wer es als Eigentümer (Miteigentümer) oder Verfügungsberechtigter eines Gebäudes oder Gebäudeteiles unterlässt,
1. für die Einstellung der Prostitutionsausübung gemäß § 5 Abs. 6 zu sorgen, wenn dort den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 oder 2 oder des § 5 Abs. 1 oder 3 zuwidergehandelt wird;
…
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 3 500 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe von 350 Euro bis 7 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu fünf Wochen, zu bestrafen.
…"
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Mitbeteiligte sei nicht Verfügungsberechtigter des gegenständlichen Lokals (in dem die Prostitution ausgeübt wurde), weil er - als Hauptmieter - seinerseits dieses Lokal untervermietet habe. Die in § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG geregelte Verpflichtung treffe ihn daher nicht, weshalb er gemäß § 8a Abs. 2 Z. 1 leg. cit nicht strafbar sei.
Dagegen bringt die Amtsbeschwerde zusammengefasst vor, die Verfügungsberechtigung des Mitbeteiligten über das in Rede stehende Lokal sei aus dem von ihm mit dem Eigentümer abgeschlossenen Hauptmietvertrag abzuleiten. Nach § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG sei (als "Verfügungsberechtigter") jede Person gemeint, die über das Objekt als Eigentümer oder Mieter etc. im Rahmen einer vertraglich vereinbarten Gebrauchsübergabe (wie z. B. eines Haupt- bzw. Untermietvertrages) verfügt habe. § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG fordere vom (Mit)Eigentümer und vom Verfügungsberechtigten alle rechtlich zulässigen Maßnahmen, die zur Einstellung der Prostitution geeignet seien.
So bestehe für den Untervermieter die Möglichkeit der Kündigung des Untermietvertrages aus wichtigem Grund, ebenso könne die Unterlassung der unzulässigen (weil gesetzwidrigen) Benützung des Bestandobjektes begehrt werden.
Dadurch sei es dem Mitbeteiligten in concreto rechtlich und faktisch möglich und sei dieser auch bei Vorliegen des gegenständlichen Untermietverhältnisses gemäß § 5 Abs. 6 Wr. Prostitutionsgesetz verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Anbahnung und die Ausübung der Prostitution in dem als Bordell verwendeten gegenständlichen Lokal eingestellt werde.
Der Mitbeteiligte habe die Verpflichtung gehabt, zumindest die Unterlassung der gesetzwidrigen Benützung des Lokals nachhaltig zu begehren oder gar den Untermietvertrag mit E.T. (und Frau D.) aufzulösen.
Wie sich aus dem Akteninhalt ergebe, sei dem Mitbeteiligten die Möglichkeit zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands bewusst gewesen. So habe der Mitbeteiligte in seiner Stellungnahme vom selbst ausgeführt, dass er den Mieterinnen mitgeteilt habe, "dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, nämlich dass sie ausziehen oder das Geschäftslokal für ein Geschäft, welches erlaubt ist, nutzen."
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Beim (Haupt )Mieter eines für Zwecke der Prostitution verwendeten Gebäudes oder Gebäudeteiles handelt es sich um dessen Verfügungsberechtigten im Sinne des § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/01/0009, und vom , Zl. 2011/01/0006, denen im Übrigen - mit dem gegenständlichen Beschwerdefall vergleichbare - Sachverhaltskonstellationen zu Grunde lagen, bei denen die belangte Behörde zutreffend von der Verfügungsberechtigung des Hauptmieters bzw. dessen Strafbarkeit nach § 8a Abs. 2 Z. 1 Wr. ProstitutionsG ausgegangen ist).
Insoweit die belangte Behörde die Auffassung vertritt, der Mitbeteiligte habe infolge der Untervermietung des gegenständlichen Lokals keine Verfügungsmacht gehabt, verkennt sie den Tatbestand der dem Mitbeteiligten (durch den erstinstanzlichen Strafbescheid) angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 8a Abs. 2 Z. 1 des Wr. ProstitutionsG. Vorgeworfen wurde dem Mitbeteiligten nämlich, er habe es unterlassen, für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ). Dass dem Mitbeteiligten im Beschwerdefall Möglichkeiten zur Verfügung standen, die Ausübung der Prostitution durch die Untermieterinnen - gegebenenfalls auch durch Kündigung des Untermietvertrages - zu unterbinden (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ), ist nach der im der Amtsbeschwerde zitierten aktenkundigen Stellungnahme des Mitbeteiligten vom sowie nach den erwähnten Ausführungen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift, nicht zweifelhaft.
Nach dem Gesagten erweist sich somit die Annahme der belangten Behörde, der Mitbeteiligte sei nicht Verfügungsberechtigter im Sinne des § 5 Abs. 6 Wr. ProstitutionsG und daher gemäß § 8a Abs. 2 Z. 1 leg. cit nicht strafbar, als verfehlt.
Der angefochtene Bescheid war somit im dargestellten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0037).
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-82635