VwGH vom 19.09.2013, 2011/01/0184
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/6048/2011, betreffend erkennungsdienstliche Behandlung nach dem SPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 77 iVm § 65 Abs. 1 und 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) verpflichtet, an den zur erkennungsdienstlichen Behandlung erforderlichen Handlungen mitzuwirken (Spruchpunkt I.) und gemäß § 19 AVG zu einem näher genannten Zeitpunkt im Polizeianhaltezentrum in Linz zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu erscheinen (Spruchpunkt II.). Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung ohne wichtigen Grund wurde dem Beschwerdeführer die zwangsweise Vorführung angedroht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 566/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 133/2009 (SPG), lauten auszugsweise:
" Sicherheitspolizei
§ 3. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.
Sicherheitsbehörden
§ 4. (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres.
(2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen, die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.
(3) …
Örtlicher Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten der Sicherheitspolizei
§ 14. (1) Den Sicherheitsbehörden obliegt die Ausübung der Sicherheitspolizei (§ 3) innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches. Behält sich der Bundesminister für Inneres oder der Sicherheitsdirektor eine von einer nachgeordneten Sicherheitsbehörde geführte Amtshandlung durch Weisung vor, so hat der Angewiesene dies aktenkundig zu machen und dem übergeordneten Organ unverzüglich eine Gleichschrift zu übermitteln. Die nachgeordnete Behörde darf in dieser Angelegenheit nur mehr auf Grund neuerlicher Weisung des Bundesministers für Inneres oder des Sicherheitsdirektors tätig werden.
(2) Der Bundesminister für Inneres kann sich oder der Sicherheitsdirektion für das Gebiet eines Bundeslandes bestimmte Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der Vorbeugung, vorbehalten. Vor Festlegung eines Aufgabenvorbehaltes für eine Sicherheitsdirektion ist der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(3) ...
Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.
(2) …
(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
(5) …
Erkennungsdienstliche Maßnahmen auf Antrag oder mit Zustimmung des Betroffenen
§ 68. (1) Sofern jemand dies beantragt und einen Bedarf glaubhaft macht, sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, von ihm Abbildungen oder Papillarlinienabdrücke herzustellen und ihm diese mit der Bestätigung auszufolgen, daß sie von ihm stammen.
(2) ...
Besondere Behördenzuständigkeit
§ 76. (1). Erkennungsdienstliche Maßnahmen über Antrag (§ 68 Abs. 1) sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches von der Bundespolizeibehörde vorzunehmen, an die sich der Einschreiter wendet.
(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen mit Zustimmung des Betroffenen (§ 68 Abs. 3 und 4) sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches von der Bundespolizeibehörde vorzunehmen, in deren Sprengel die Person ihren Hauptwohnsitz hat oder der für ihre Gefährdung maßgeblichen Tätigkeit nachgeht.
(3) Die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten obliegt im Falle des § 72 dem Bundesminister für Inneres, in den Fällen des § 71 Abs. 4 und 5 jener Sicherheitsbehörde, von der die maßgebliche Amtshandlung geführt wird.
(4) Die Verständigung gemäß § 73 Abs. 3 obliegt jener Sicherheitsbehörde, bei der die erkennungsdienstlichen Daten gemäß § 70 verarbeitet werden. Die Verständigung von der Löschung der Daten aus der Zentralen Erkennungsdienstlichen Evidenz obliegt jener Behörde, die sie dieser übermittelt hat.
(5) …
(6) Die Löschung erkennungsdienstlicher Daten über Antrag des Betroffenen (§ 74) ist von der Sicherheitsdirektion zu veranlassen, in deren Wirkungsbereich die Daten gemäß § 70 Abs. 1 verarbeitet werden; dieser Behörde obliegt auch die bescheidmäßige Abweisung eines solchen Antrages.
(7) Über Berufungen gegen Bescheide gemäß Abs. 5 und 6 entscheidet der Bundesminister für Inneres.
Verfahren
§ 77. (1) Die Behörde hat einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern.
(2) Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist ihm die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen; dagegen ist eine Berufung nicht zulässig. Eines Bescheides bedarf es dann nicht, wenn der Betroffene auch aus dem für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Grunde angehalten wird.
(3) Wurde wegen des für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Verdachtes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, so gelten die im Dienste der Strafjustiz geführten Erhebungen als Ermittlungsverfahren (§ 39 AVG) zur Erlassung des Bescheides. Dieser kann in solchen Fällen mit einer Ladung (§ 19 AVG) zur erkennungsdienstlichen Behandlung verbunden werden.
(4) Steht die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß § 65 Abs. 4 fest, so kann der Betroffene, wenn er angehalten wird, zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeführt werden."
Die gesonderten Zuständigkeitsbestimmungen für die erkennungsdienstliche Behandlung in § 76 SPG enthalten für die amtswegige Vornahme dieser Maßnahme keine Regelung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/01/0059, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/01/0595).
Die sachliche Behördenzuständigkeit in Angelegenheiten des § 77 Abs. 2 SPG ist daher mangels Zuständigkeitsregelung im SPG nach § 2 AVG zu bestimmen, weshalb die Bezirksverwaltungsbehörden dafür zuständig sind. Die Sicherheitsdirektionen sind demgegenüber - liegen Vorbehalte im Sinne des § 14 Abs. 1 zweiter Satz bzw. § 14 Abs. 2 SPG nicht vor - nicht zuständig, Bescheide nach § 77 Abs. 2 erster Satz SPG zu erlassen (vgl. Hauer/Keplinger , Sicherheitspolizeigesetz, 4. Auflage 2011, S. 755, mit Verweis auf die Ausführungen in der 2. Auflage dieses Werkes, S. 584, sowie Pürstl/Zirnsack , Sicherheitspolizeigesetz, 2. Auflage 2011, S. 385). Der gegenteiligen Auffassung von Wiederin , Sicherheitspolizeirecht, 1998, S. 147 (vgl. auch Hauer/Keplinger , Sicherheitspolizeigesetz, 1. Auflage 1993, S. 378), wonach alle örtlich in Betracht kommenden Sicherheitsbehörden zur erkennungsdienstlichen Behandlung zuständig seien, ist nicht zu folgen, bezieht sich § 14 Abs. 1 SPG doch nicht auf sicherheitspolizeiliche Verfahren, die bescheidmäßig abzuschließen sind (vgl. nochmals Hauer/Keplinger , Sicherheitspolizeigesetz, 4. Auflage 2011, S. 170 f, sowie Pürstl/Zirnsack , a.a.O., S. 85).
Die belangte Behörde war zur Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung demnach nicht zuständig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge - der von Amts wegen wahrzunehmenden - Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am