VwGH vom 21.11.2013, 2011/01/0182

VwGH vom 21.11.2013, 2011/01/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Dr. M in I, vertreten durch Dr. Matthias Paul Hagele, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 12/III, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom , Zl. BU-Rente06/02-A R10-082, betreffend Berufsunfähigkeitsrente (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Tiroler Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog seit eine (zuletzt unbefristete) Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 7 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Tiroler Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: Satzung) in der Höhe von zuletzt brutto EUR 32.534,-- jährlich.

Mit Bescheid der Abteilung III des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom wurde festgestellt, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente, die ihm mit Bescheiden der Abteilung III des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom und zuerkannt worden sei, gemäß § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung mit endet.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom wurde einer dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei bei der BV GmbH Co KG als Angestellter beschäftigt. Es stehe fest, dass die B Co beim Bezirksgericht S zu 2 C X/Y eine Klage gegen S eingebracht und im vorbereitenden Schriftsatz vom , den der Beschwerdeführer unterfertigt habe, erklärt habe, sie werde von der "Kfm. Verwaltung, Rechtsabteilung, Dr. M, …" vertreten. Die Zustellungen seien an den Beschwerdeführer erfolgt. Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung am sei für die Klägerin der Beschwerdeführer erschienen. Im vom Beschwerdeführer unterfertigten Verhandlungsprotokoll sei vermerkt, der Beschwerdeführer handle "in Vollmacht nach § 30 Abs. 2 ZPO". Der Beklagte in diesem Verfahren habe in einem gegen ihn geführten Strafverfahren (im Bescheid wörtlich wiedergegebene) Aussagen getätigt, in denen der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt bezeichnet worden sei.

Der Beschwerdeführer habe weiters am beim Bezirksgericht I als Vertreter der Hotel C GmbH eine Klage eingebracht. In der Klage sei festgehalten, dass die Klägerin durch die "Kfm. Verwaltung/Rechtsabteilung, Dr. M/Frau M, …" vertreten sei. Es sei somit zweifellos belegt, dass der Beschwerdeführer, der bei der BV GmbH Co KG beschäftigt sei, sowohl für die B Co als auch für die Hotel C GmbH als deren rechtlicher Vertreter Klagen eingebracht, Vorbringen erstattet und Tagsatzungen verrichtet habe. In diesem Zusammenhang sei auch die Aussage des S beachtlich, der sogar davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer "Rechtsanwalt der B Co GmbH bzw. T Beton" sei. Es ergebe sich daher kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Berufsausübung als Angestellter der BV GmbH Co KG Tätigkeiten verrichtet habe, die in das in § 8 Rechtsanwaltsordnung umschriebene Tätigkeitsfeld eines Rechtsanwaltes fielen. Es sei daher der Endigungsgrund nach § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 192/11-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsatz vom .

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Teile des § 7 Abs. 5 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Tiroler Rechtsanwaltskammer (sowohl in der Fassung des Beschlusses vom (Anwaltsblatt 2004, 30 ff) als auch in der Fassung des Beschlusses vom (veröffentlicht im Internet auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags unter

http://www.rechtsanwaelte.at/downloads/satzung_teila_09_t.pdf; im Folgenden: Satzung) lauten wie folgt:

"Der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente endet:

...

d) durch die Ausübung einer Tätigkeit, welche in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt, wo auch immer,

...

Der Anspruch auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente endet mit dem Ende jenes Monats, in welchem die Bedingung für den Wegfall des Anspruches eingetreten ist."

§ 8 Abs. 1 und 2 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 111/2007 (RAO), lauten:

" Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte.

§ 8. (1) Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts erstreckt sich auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfaßt die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.

(2) Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung im Sinn des Abs. 1 ist den Rechtsanwälten vorbehalten. Die Berufsbefugnisse, die sich aus den österreichischen Berufsordnungen für Notare, Patentanwälte, Wirtschaftstreuhänder und Ziviltechniker ergeben, werden hiedurch nicht berührt."

2.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es sei unrichtig, seine Tätigkeit in der kaufmännischen Verwaltung bzw. Rechtsabteilung der "Firmengruppe F" als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren. Richtig sei, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter der "Firmengruppe F" sich am Verfahren 2 C X/Y des Bezirksgerichtes S beteiligt habe. Es handle sich dabei um ein Bagatellverfahren, auch Mitarbeiter der Rechtsabteilungen von Banken und Versicherungen besuchten in analog gelagerten Fällen Tagsatzungen. Bei Streitwerten unter der Bagatellgrenze bzw. unter der Grenze des Anwaltszwanges müsse diese Tätigkeit nicht als anwaltliche Tätigkeit qualifiziert werden. Charakteristisch für die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes sei, dass er Mandate für eine Vielzahl von Parteien ausübe bzw. übernehme. Dies spreche dagegen, seine Tätigkeit im Rahmen der Rechtsabteilung der "Firmengruppe F" als anwaltliche Tätigkeit einzustufen. Er sei in den beiden Gerichtsverfahren für die B Co und die Hotel C GmbH im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitarbeiter der Rechtsabteilung der "Firmengruppe F" tätig gewesen. Beide Firmen gehörten, wie durch Einsichtnahme ins Firmenbuch leicht festgestellt hätte werden können, zur "Firmengruppe F". Der Standpunkt der belangten Behörde wäre allenfalls dann als richtig anzusehen, wenn der Beschwerdeführer eine derartige Tätigkeit für Firmen oder Personen ausgeübt hätte, die nicht zur "Firmengruppe F" gehörten; dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Zudem sei ein weiteres Charakteristikum der anwaltlichen Tätigkeit die Entgeltlichkeit. Üblicherweise sei jede anwaltliche Tätigkeit als entgeltlich einzustufen. Der Beschwerdeführer habe aber für seine Tätigkeit in den beiden Verfahren weder ein Honorar erhalten noch verlangt. Seine Tätigkeit in den beiden Verfahren sei durch sein Gehalt als Angestellter abgegolten gewesen.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Gemäß § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung endet der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente durch die - wo auch immer erfolgte - Ausübung einer Tätigkeit, welche in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt. Gemäß § 8 Abs. 1 RAO erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts unter anderem auf alle Gerichte der Republik Österreich und umfasst unter anderem die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen Angelegenheiten.

Nach den - insoweit unstrittigen - Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer als Parteienvertreter in zivilgerichtlichen Verfahren Tagsatzungen verrichtet sowie einen vorbereitenden Schriftsatz eingebracht. Die Auffassung der belangten Behörde, damit habe der Beschwerdeführer im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung einer Tätigkeit ausgeübt, "welche in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten" fällt, begegnet keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, gehört die Parteienvertretung in zivilgerichtlichen Verfahren doch jedenfalls zum beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten. Dass es sich im Beschwerdefall nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers um "Bagatellverfahren" bzw. um Verfahren "unter der Grenze des Anwaltszwanges" gehandelt habe, ändert daran nichts, weil auch bei fehlendem Anwaltszwang die Parteienvertretung in zivilgerichtlichen Verfahren zum beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten gehört.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist dabei auch nicht von Relevanz, ob diese Tätigkeit für bloß eine Partei oder eine Vielzahl von Parteien ausgeübt wird, stellt der Verordnungsgeber doch insoweit lediglich auf die Ausübung einer Tätigkeit, welche in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten fällt, ab, nicht aber darauf, ob diese Tätigkeit für eine oder mehrere Parteien ausgeübt wird.

Soweit der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt überdies die - seiner Auffassung nach im Beschwerdefall vorliegende - Unentgeltlichkeit seiner Tätigkeit ins Treffen zu führen sucht, genügt es darauf hinzuweisen, dass § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung nicht etwa auf eine "Erwerbstätigkeit", sondern auf eine Tätigkeit (der dort umschriebenen Art) schlechthin abstellt (vgl. zur insofern gegenteiligen Rechtslage nach § 7 Abs. 4 lit. d der Satzung der Tiroler Rechtsanwaltskammer 1995 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0274).

2.2. Die Beschwerde bestreitet im Weiteren die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe namens der Hotel C GmbH eine Klage über EUR 188,90 eingebracht. Richtig sei allerdings, dass er als Vertreter der genannten Firma beim Bezirksgericht I bei der Tagsatzung am eingeschritten sei.

Dieses Vorbringen kann die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil auch dann, wenn der Beschwerdeführer im genannten Verfahren vor dem Bezirksgericht I nicht die Klage eingebracht, sondern lediglich eine Tagsatzung als Parteienvertreter wahrgenommen hat, insofern die Ausübung einer Tätigkeit vorliegt, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten fällt. Gleiches gilt für die erstmals in der Replik vom enthalte Rüge, es entspreche nicht den Tatsachen, dass im Verfahren 2 C X/Y des Bezirksgerichtes S die Klage für die B Co vom Beschwerdeführer eingebracht worden sei. Die von der belangten Behörde übernommene erstinstanzliche Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in diesem Verfahren einen vorbereitenden Schriftsatz für die Klägerin unterfertigt und die Tagsatzung vom verrichtet habe, wird vom Beschwerdeführer nämlich nicht bestritten.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob sich der Beschwerdeführer im Verfahren 2 C X/Y des Bezirksgerichtes S auf eine Vollmacht gemäß § 30 Abs. 2 ZPO berufen hat oder ob der Beschwerdeführer auch für andere Gesellschaften tätig geworden ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Aussagen des S, in denen der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt bezeichnet wurde, richtig sind oder ob das Klagswesen nur einen geringen Teil der Tätigkeit des Beschwerdeführers umfasst hat.

2.3. Die Beschwerde erblickt überdies eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides "infolge Verletzung von Standesvorschriften bzw. Standesrichtlinien" darin, dass die belangte Behörde auf die im Schriftsatz vom des den Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwaltes enthaltenen Ausführungen, wonach er bereit wäre, die "entsprechende Tätigkeit (Gang zu Gerichtsterminen in Bagatellverfahren)" einzustellen, wenn die Behörde den Standpunkt vertreten würde, dass eine derartige Tätigkeit für den Pensionsanspruch des Beschwerdeführers schädlich sei, nicht geantwortet habe. Es gehöre aber zu den Standespflichten eines Anwaltes, den Brief eines Anwaltes innerhalb schicklicher Frist zu beantworten. Diese Standesregel scheine jedoch für die belangte Behörde keine Gültigkeit zu haben. Ebenso sei auf die im Schriftsatz vom enthaltene (und in nachfolgenden Schriftsätzen wiederholte) Anfrage, welche Tätigkeit der Beschwerdeführer "als Mitarbeiter der Firmengruppe F ausüben dürfe, ohne seinen Pensionsanspruch dem Grunde nach zu gefährden", nicht geantwortet worden.

Auch diese Beschwerdeausführungen sind schon deshalb nicht zielführend, weil damit nicht aufgezeigt wird, dass der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde festgestellten Tätigkeiten, an deren Ausübung der Verordnungsgeber den Endigungsgrund gemäß § 7 Abs. 5 lit. d der Satzung knüpft, nicht ausgeübt hat.

2.4. Soweit die Beschwerde schließlich rügt, die belangte Behörde habe erhebliche Zeit vor Erlassung eines Bescheides bzw. vor Rechtskraft eines derartigen Bescheides die Pensionszahlungen eingestellt, so kann auch mit diesem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochten Bescheides nicht aufgezeigt werden.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente mit endet. Nach den - insoweit unstrittigen - Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer eine Tätigkeit, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten fällt, bereits vor April 2010 ausgeübt. Dadurch, dass die belangte

Behörde dessen ungeachtet das Ende des Anspruchs auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente - dieser endet gemäß § 7 Abs. 5 der Satzung mit dem Ende jenes Monats, in welchem die Bedingung für den Wegfall des Anspruches eingetreten ist - mit festgestellt hat, wurde der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt.

4. Da sich die vorliegende Beschwerde demnach als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am