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VwGH vom 12.05.2020, Ra 2019/10/0193

VwGH vom 12.05.2020, Ra 2019/10/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revisionen 1. des M B und 2. der M B, beide in D, beide vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Prager Straße 5/1/11, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich jeweils vom , Zlen. 1. LVwG-S-1195/001-2019 und 2. LVwG-S- 1196/001-2019, betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Horn), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit den beiden - nach Durchführung einer gemeinsamen Verhandlung lediglich schriftlich ergangenen - angefochtenen Erkenntnissen vom bestätigte das Verwaltungsgericht zwei Straferkenntnisse der belangten Behörde, mit denen den Revisionswerbern jeweils eine Übertretung des § 16 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 lit. a Z 3 Forstgesetz 1975 - ForstG angelastet worden war, weil diese auf bestimmten Waldgrundstücken Baggerarbeiten durchführen hätten lassen, durch welche die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt worden und so eine Waldverwüstung erfolgt sei.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, durch die im Auftrag der Revisionswerber bei den Baggerarbeiten erfolgte Planierung des Oberbodens auf einer Fläche von 0,5 ha sei eine relativ ebene, geneigte Fläche geschaffen worden, bei der das Bodenmaterial nunmehr eine Mischung der Humusschicht und des Waldbodens darstelle.

3 Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Inhalt des Aktes der belangten Behörde, die Angaben der Revisionswerber, die Aussagen von Zeugen sowie insbesondere auf die vom forstfachlichen Amtssachverständigen im Rahmen der Verhandlung getätigten "zweifelsfreien und schlüssigen" Ausführungen.

4 Aufgrund letzterer könne es als erwiesen angesehen werden, dass es durch die gesetzten Maßnahmen zu unerwünschten Effekten wie der Vernichtung des Bodens, einer Reduktion der Speicherfähigkeit von Wasser oder Nährstoffen, einer Störung der Gründigkeit des durchwurzelbaren Raumes bzw. zur Störung eines über Jahre aufgebauten Verjüngungspotentials (Samen, Sämlinge) gekommen sei. Diese Maßnahmen führten zu einer wesentlichen Verschlechterung der Bodeneigenschaften und stellten eine wesentliche Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens dar. Es liege somit eine Waldverwüstung im Sinne des § 16 Abs. 2 lit. a ForstG vor.

5 Zu den in der Verhandlung gestellten Beweisanträgen der Revisionswerber führte das Verwaltungsgericht aus, die "Durchführung eines Lokalaugenscheins und Vornahme einer Bodenprobe zum Beweis dafür, dass die (Revisionswerber) im überwiegenden Teilbereich den ehemals bestandenen Humus wieder aufgebracht haben und andererseits auf einem Großteil der Fläche die Humuslage derart schlecht war und ist, dass eine Aufbringung einer Humusschicht nicht möglich war", entfielen, weil dies einerseits einen "Erkundungsbeweis" darstelle und im Übrigen die gesetzten Maßnahmen "zweifelsfrei aus der Aktenlage (Lichtbilder) und Beschreibungen (Zeugen, (Revisionswerberin))" ersichtlich seien. Weiters sei aufgrund des Gutachtens des forstfachlichen Amtssachverständigen erwiesen, dass diese Maßnahmen zu einer wesentlichen Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens geführt hätten.

6 Die Revisionen gegen diese Erkenntnisse wurden jeweils unter Hinweis auf die verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

7 2. Dagegen richten sich die beiden vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

8 Die belangte Behörde brachte jeweils eine Revisionsbeantwortung ein, wobei sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revisionen beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Revisionen erwogen:

9 1.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 - ForstG, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 56/2016, lauten:

"Waldverwüstung

§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,

(...) wird.

(...)

Strafbestimmungen

§ 174. (1) Wer

a)

(...)

3. das Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs. 1 nicht befolgt;

(...)

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung. Diese Übertretungen sind in Fällen

1. der lit. a mit einer Geldstrafe bis zu 7 270 Euro oder mit Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen,

(...)

zu ahnden.

(...)"

10 1.2. § 47 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF

BGBl. I Nr. 57/2018, lautet auszugsweise:

"Schluss der Verhandlung

§ 47. (1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. (...)

(2) Wenn die Rechtssache reif zur Entscheidung ist, dann ist die Beweisaufnahme zu schließen.

(3) Nach dem Schluss der Beweisaufnahme ist den Parteien Gelegenheit zu ihren Schlussausführungen zu geben. Dem Beschuldigten steht das Recht zu, sich als letzter zu äußern.

(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor dem Senat zieht sich dieser zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden."

11 2. In den Zulässigkeitsgründen der Revisionen wird im Wesentlichen geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf , und , Ra 2019/02/0110) die angefochtenen Erkenntnisse nicht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung seien keine weiteren reiflichen Überlegungen anzustellen gewesen, zumal gemäß der wörtlichen Formulierung in den angefochtenen Entscheidungen die Verwaltungsübertretung bereits nach der mündlichen Verhandlung festgestanden sei.

12 3. Die Revisionen sind zulässig. Sie sind auch begründet. 13 3.1. Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung "nach Möglichkeit sofort (...) zu verkünden".

14 Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen (vgl. etwa VwGH Ra 2019/02/0110, mwN).

15 Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung ) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. erneut VwGH Ra 2019/02/0110 unter Hinweis auf die zu § 51h VStG ergangene hg. Entscheidung VwGH 2009/02/0205).

16 3.2. Im Revisionsfall ist nicht ersichtlich, welche Überlegungen das Verwaltungsgericht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch anzustellen gehabt hätte:

17 So war die Durchführung von Baggerarbeiten im Auftrag der Revisionswerber im Verfahren nicht strittig und nach der - in den angefochtenen Erkenntnissen deutlich zum Ausdruck gebrachten - Ansicht des Verwaltungsgerichtes bereits aufgrund der Ausführungen des forstfachlichen Amtssachverständigen in der Verhandlung von einer - von den Revisionswerbern zu verantwortenden - Waldverwüstung auszugehen. Auch den in der Verhandlung von den Revisionswerbern gestellten Beweisanträgen auf Durchführung eines Lokalaugenscheins und Entnahme einer Bodenprobe hielt das Verwaltungsgericht lediglich das Amtssachverständigengutachten sowie die "zweifelsfrei" von den Revisionswerbern gesetzten Maßnahmen entgegen.

18 Diffizile beweiswürdigende oder rechtliche Fragestellungen, welche eine reifliche Überlegung vor der Fällung der angefochtenen Erkenntnisse erfordert hätten, sind diesen somit nicht zu entnehmen.

19 3.3. Die Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht belastet die (bloß) schriftlich erlassenen angefochtenen Erkenntnisse daher mit inhaltlicher

Rechtswidrigkeit.

20 4. Diese waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen eingegangen werden muss.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. 22 5. Für das fortzusetzende Verfahren ist festzuhalten, dass sich das Verwaltungsgericht mit den von den Revisionswerbern gestellten und näher begründeten Beweisanträgen eingehender als bisher auseinanderzusetzen haben wird. Der bloße Verweis des Verwaltungsgerichtes auf das Amtssachverständigengutachten und die sich aus der Aktenlage ergebenden (von den Revisionswerbern vorgenommenen) Maßnahmen (vgl. die Wiedergabe oben unter Rz 5) reicht vor dem Hintergrund der Aussage des forstfachlichen Amtssachverständigen in der Verhandlung, wonach aufgrund der im Akt befindlichen Lichtbilder keine fachlich fundierte Aussage hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit getroffen werden könne, nämlich (noch) nicht aus, um von der Aufnahme der beantragten Beweise abzusehen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100193.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

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