zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 17.12.2013, 2013/09/0085

VwGH vom 17.12.2013, 2013/09/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes beim Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport in 1090 Wien, Roßauer Lände 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 116/10-DOK/12, betreffend Einstellung eines Disziplinarverfahrens wegen Verjährung in Angelegenheit Nichtbefolgung von Weisungen (weitere Parteien: Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, Bundeskanzler; mitbeteiligte Partei:

Dr. H in L, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Mag. Georg Julius Tusek und Mag. Peter Breiteneder, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport erstattete gegen den Mitbeteiligten, der als Referatsleiter und Psychologe an der Dienststelle "HPA" im Bereich des genannten Bundesministeriums im öffentlich rechtlichen Dienst steht, die mit datierte Disziplinaranzeige.

Unter Punkt 2. ist darin enthalten, der Mitbeteiligte "kommt fachdienstlichen Weisungen, die entweder schriftlich

oder mündlich erteilt wurde, mehrfach nicht nach und verharrt trotz Hinweis und Abmahnung im Ungehorsam."

Als Unterpunkt 2.b. wird ausgeführt:

"(Der Mitbeteiligte) wird zur Einhaltung der Weisung vom , GZ … gem. AV vom (Beilage 3b) angehalten. Dennoch anerkennt er Mag. SCH und Mag. WE nicht als Amtsachverständige gem. Pkt 2 gegenständlicher Weisung."

Als Beilage 3 b liegt im vorgelegten Akt ein AV des Oberst Mag. LA ein, wonach der Mitbeteiligte während eines Telefonates am "die Weisung" erhält,

"dass sowohl Mag. SCH als auch Mag. WE selbständig und weisungsfrei das gesamte psychologische Ermittlungsverfahren durchzuführen haben, und nicht Teile davon."

Der Mitbeteiligte habe sich "uneinsichtig" gezeigt, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wurde angekündigt und die Weisung wiederholt.

Am wurde auch Strafanzeige "gem. § 109 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. § 78 StPO" erstattet. Der Sachverhalt ergebe sich

"aus beiliegender, zeitgleich mittels GZ …. An die Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim BMLVS erstatteter Disziplinaranzeige samt Erhebungsunterlagen."

Mit Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens vom teilte die Staatsanwaltschaft Wien mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 190 Z. 2 StPO eingestellt worden sei,

"weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht.

Betrifft den Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Urkundenfälschung, der Urkundenunterdrückung und der Unterdrückung eines Beweismittels durch (den Mitbeteiligten) im Rahmen seiner Tätigkeit als Heerespsychologe. Strafrechtsrelevantes Fehlverhalten war dem (Mitbeteiligten) nicht mit der im Strafverfahren nötigen Gewissheit nachzuweisen."

Mit Einleitungsbeschluss vom der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport wurde gegen den Mitbeteiligten ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er wurde beschuldigt,

"er habe ab 2008

Grad mündliche und schriftliche Weisungen seines unmittelbaren Vorgesetzten, obwohl diese weder straf- noch rechtswidrig waren, wiederholt und andauernd nicht befolgt;

Grad Testergebnisse manipuliert und verändert sowie Originalunterlagen vorzeitig vernichtet sowie

Grad seine Pflichten als Amtssachverständiger und Dienstvorgesetzter gröblich und konsequent missachtet."

In der Begründung wird der oben genannte Punkt 2.b. ausgeführt.

Mit dem Bescheid vom wurde der Mitbeteiligte von den im Einleitungsbeschluss enthaltenen, oben wieder gegebenen, Anschuldigungen freigesprochen.

Der (stellvertretende) Disziplinaranwalt erhob Berufung. Die Berufung enthielt Ausführungen ausschließlich dagegen, dass die Behörde erster Instanz es als nicht erwiesen angesehen habe, dass der Mitbeteiligte

"vorsätzlich oder fahrlässig die Weisungen, seinen Mitarbeitern die kompletten Testungen selbständig durchführen zu lassen, nicht befolgt hat."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt die Berufung ab und bestätigte das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis

"mit der Maßgabe, dass der (Mitbeteiligte) vom Tatvorwurf, er habe vorsätzlich oder fahrlässig die Weisungen (seines Vorgesetzten, Oberst Mag. LA, vom bzw. vom ) seinen Mitarbeitern die kompletten Testungen selbständig durchführen zu lassen, nicht befolgt, gemäß § 126 Abs. 2 BDG iVm § 94 Abs. 1 Z 1 BDG freigesprochen wird."

Die wesentliche Begründung lautet:

"Im gegenständlichen Disziplinarverfahren erlangte die Dienstbehörde am Kenntnis von den dem Beschwerdeführer angelasteten Dienstpflichtverletzungen. Dieser Umstand ist unstrittig.

Die Verfolgungsverjährung gemäß § 94 Abs. 1 Z 1 BDG ist daher hinsichtlich der Sachverhalte, hinsichtlich derer keine Strafanzeige erstattet wurde, mit eingetreten, da eine Hemmung der Verjährungsfrist gemäß § 94 Abs. 2 Z 5 BDG nur hinsichtlich der Anschuldigungspunkte eintritt, hinsichtlich derer eine Strafanzeige erstattet wurde (sinngemäß dazu BerK , 36/11-BK/99). Der Tatvorwurf, der Beschwerdeführer habe vorsätzlich oder fahrlässig die Weisungen (seines Vorgesetzten, Oberst Mag. L, vom bzw. vom ) seinen Mitarbeitern die kompletten Testungen selbständig durchführen zu lassen, nicht befolgt, war nicht von der gegen den Beschwerdeführer erstatteten Strafanzeige umfasst.

Hinsichtlich des oa. Tatvorwurfes ist die Verjährung gemäß § 94 Abs. 1 Z 1 BDG somit bereits mit eingetreten. Dem stehen auch die Erhebungsaufträge der erstinstanzlichen Disziplinarbehörde an die Dienstbehörde mittels Auftrag zu GZ … vom (betreffend Manipulation bzw. Entfernung/Vernichtung von elektronisch gespeicherten Daten über durchgeführte psychologische Testungen) sowie der Auftrag mittels GZ … vom (betreffend den endgültigen tatsächlichen physischen Verbleib der Originaltestunterlagen für zumindest die Jahre 2002 bis 2010) nicht entgegen.

Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes tritt eine Verlängerung der Verjährung um sechs Monate aber nur dann ein, wenn die Disziplinarbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Erhebungen hinsichtlich der Tatvorwürfe, auf die sich die Erhebungsaufträge beziehen , durchführt. Gegenständlich trat daher eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht ein.

Da der verfahrensgegenständliche Einleitungsbeschluss am gefasst und dem Verteidiger des Beschwerdeführers erst am zugestellt wurde, ist mithin die Verfolgungsverjährung, wie oben ausgeführt, mit eingetreten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und der Mitbeteiligte erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte; der Mitbeteiligte begehrt Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt bekämpft die Ansicht der belangten Behörde mit dem Argument,

"dass der Inhalt der Disziplinaranzeige dem Sachverhalt der Strafanzeige zu Grunde gelegt wurde, somit die Sachverhalte beider Anzeigen vollinhaltlich ident war. Punkt 2b auf Seite 4 der Disziplinaranzeige, welche wie oa. dem Sachverhalt der Strafanzeige entsprach, umfasste den gegenständlichen Tatvorwurf".

Es sei deshalb Hemmung eingetreten.

Mit der Beschwerde wird daher nicht die Ansicht der belangten Behörde bekämpft, die Berufung habe sich nur gegen jenen Teil des Spruches der Behörde erster Instanz gerichtet, mit dem der Mitbeteiligte wegen des ersten Teilpunktes "Nichtbefolgung von Weisungen" freigesprochen worden war.

Es ist daher ausschließlich zu untersuchen, ob die Anführung des Punktes 2b der Disziplinaranzeige auch in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft geeignet war, den Hemmungstatbestand des § 94 Abs. 2 BDG 1979 zu erfüllen.

Der im Einleitungssatz des § 94 Abs. 2 BDG 1979 genannte "zugrundeliegende Sachverhalt" führt dann zur Hemmung des Laufes der in § 94 Abs. 1 und 1a genannten Fristen, wenn der Beamte - in Idealkonkurrenz - durch ein und dieselbe Tat sowohl eine Dienstpflichtverletzung nach dem BDG 1979 als auch durch ein Delikt, das strafrechtlich oder verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist, begangen haben könnte. Die Voraussetzung der Identität des Sachverhalts bedeutet, dass es sich um dieselbe Tat handeln muss, nicht jedoch, dass sich die entsprechenden Sachverhaltselemente vollständig decken müssen. Auch auf die verbale Umschreibung des Verhaltens und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Benennung der Tat kommt es nicht an. Umgekehrt tritt bei Realkonkurrenz zwischen den genannten Delikten (wenn also z.B. eine Verfolgung wegen eines anderen Verhaltens erfolgt) eine Hemmung jedenfalls nicht ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/09/0112). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der dort belangten Behörde, es reiche, dass ein Sachverhalt in der Strafanzeige erwähnt sei, selbst wenn dieser Sachverhalt den konkreten strafrechtlichen Vorwurf nicht betreffe, verworfen.

Die Nichtbefolgung von Weisungen könnte allgemein gesehen zwar etwa den Tatbestand des Amtsmissbrauchs verwirklichen, es kommt dabei aber darauf an, welche Weisungen nicht befolgt wurden. Der Weisungsverstoß in der oben wiedergegebenen, vorgeworfenen Form im Besonderen ist aber nicht geeignet, die Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung zu bilden, es handelt sich um eine ausschließlich disziplinär zu verfolgende Art der Nichtbefolgung von Weisungen. In einem solchen Fall kann der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt im Sinne des § 94 Abs. 2 BDG 1979 weder "Gegenstand der Anzeige" (hier: Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft) oder eines Strafverfahrens nach der StPO sein, es liegt keine Idealkonkurrenz vor.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass hinsichtlich dieses Vorwurfes durch die Erstattung der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft keine Hemmung gemäß § 94 Abs. 2 BDG 1979 ausgelöst wurde, ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am