VwGH vom 01.03.2021, Ra 2019/10/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des Vereins „L“ in S, vertreten durch Mag. Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Bischofplatz 3/1. Stock, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zlen. LVwG-AV-127/001-2019, LVwG-AV-128/001-2019, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Scheibbs; mitbeteiligte Partei: N GmbH in W, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
11. Mit Bescheid vom wurde der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei gemäß § 7 NÖ Naturschutzgesetz 2000 - NÖ NSchG 2000 die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt, außerhalb eines Ortsbereiches in der Gemeinde P. auf bestimmten Grundstücken eine Wasserkraftanlage einschließlich der Sanierung der bestehenden Wehrmauern und eine Fischaufstiegshilfe zu errichten (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 NÖ NSchG 2000 festgestellt, dass das im Spruchteil I. bewilligte Vorhaben hinsichtlich des Bauvorhabens im Natura 2000-Gebiet A. zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen der festgelegten Erhaltungsziele, insbesondere der Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten führe (Spruchpunkt II.), sowie der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei gemäß § 12 Abs. 4 NÖ NSchG 2000 die Ausnahme vom Eingriffsverbot in das Naturdenkmal E. für das Projekt auf näher bestimmte Weise erteilt (Spruchpunkt III.).
2Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Bescheid vom hinsichtlich der von dem Projekt in Anspruch genommenen Grundstücke berichtigt.
32. Mit Schreiben vom beantragte der Revisionswerber, eine (mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom ) gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte und (u.a.) in Niederösterreich tätige Umweltorganisation, „als übergangene Partei“ des Bewilligungsverfahrens die Zustellung u.a. der genannten naturschutzrechtlichen Bewilligung.
4Mit E-Mail vom übermittelte die belangte Behörde dem Revisionswerber die Bescheide vom und vom .
5In weiterer Folge wurde dem Revisionswerber über dessen Verlangen Einsicht in die Verfahrensakten gewährt.
63. Mit dem angefochtenen Beschluss vom wies das Verwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom mit Schreiben vom von Mag. B. für den Revisionswerber eingebrachte Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG zurück, wobei es die ordentliche Revision nicht zuließ.
7Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, Mag. B. sei - einem Vereinsregisterauszug vom entsprechend - als Obmann des Revisionswerbers vom bis für diesen vertretungsbefugt gewesen. Aus einem Vereinsregisterauszug zum Stichtag gehe hervor, dass Mag. B. dann erst wieder ab als Obmann die Vertretungsbefugnis für den Revisionswerber innegehabt habe. Daraus ergebe sich, dass die mit datierte und am selben Tag zur Post gegebene, von Mag. B. unterschriebene Beschwerde „von einem nicht nach außen Vertretungsbefugten“ stamme, weshalb sie schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen sei.
8Aber auch wenn man die eingebrachte Beschwerde Mag. B. zurechnete, wäre diese mangels Rechtsmittellegitimation infolge fehlender Geltendmachung eines subjektiv öffentlichen Rechtes zurückzuweisen.
9Darüber hinaus sei die Beschwerde - so das Verwaltungsgericht weiter - auch im Lichte der Regelungen der am in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 26/2019 zum NÖ NSchG 2000 zu betrachten:
10Die Bescheide vom und vom seien den „(nach damaliger Rechtslage) vorhandenen Parteien“ im September 2013 bzw. Oktober 2013 zugestellt worden. Der Bescheid vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom sei jedenfalls am in Rechtskraft erwachsen. Zum damaligen Zeitpunkt sei Umweltorganisationen keine Partei- bzw. Beteiligtenstellung nach dem NÖ NSchG 2000 zugekommen. Infolge der Rechtskraft des nunmehr bekämpften Bescheides sei eine Anwendung des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 daher zu verneinen.
11Da der in Rede stehende Bescheid im Oktober 2013 erlassen worden und am rechtkräftig geworden sei, komme eine Beschwerdeberechtigung auch nach § 38 Abs. 10 NÖ NSchG 2000 nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung erstrecke sich die Beschwerdelegitimation nämlich nur auf jene Bescheide, die bis zu einem Jahr vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 26/2019 (am ) erlassen worden seien.
12Im Übrigen liege hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. des Bescheides vom kein Verfahren vor, bei dem einer Umweltorganisation Beschwerdelegitimation zukomme.
13Der Vollständigkeit halber sei festzuhalten, dass durch die bloße Zustellung eines Bescheides keine Parteistellung begründet werde (Hinweis auf , sowie , 2013/07/0062, 0063). Der Revisionswerber könne sich folglich nicht darauf stützen, dass ihm der Bescheid seitens der belangten Behörde per E-Mail zugestellt worden sei.
14Auch aus diesem Grund sei die Beschwerde daher zurückzuweisen.
15Ergänzend verwies das Verwaltungsgericht schließlich auf den „Grundsatz der Rechtssicherheit“ und auf die dazu ergangene Judikatur des EuGH (Hinweis auf , Kühne & Heitz NV, sowie , C-234/04, Kapferer).
164. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Revisionswerbers, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
17Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei brachten jeweils eine Revisionsbeantwortung ein.
18Der Revisionswerber replizierte auf die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
191.1. Die hier in den Blick zu nehmenden Bestimmungen des NÖ NSchG 2000, LGBl. 5500-0 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 26/2019, lauten:
„§ 10
Verträglichkeitsprüfung
(1) Projekte,
-die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und
-die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten,
bedürfen einer Bewilligung der Behörde.
(2) Die Behörde hat auf Antrag eines Projektwerbers oder der NÖ Umweltanwaltschaft mit Bescheid festzustellen, dass das Projekt weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebietes führen kann. Dabei sind bereits erfolgte Prüfungen in vorausgegangenen oder gleichzeitig durchzuführenden Verfahren zu berücksichtigen.
(3) Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens hat die Behörde eine Prüfung des Projektes auf Verträglichkeit mit den für das betroffene Europaschutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in diesem Gebiet, durchzuführen (Naturverträglichkeitsprüfung).
(4) Hat die Behörde aufgrund der Ergebnisse der Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass das Gebiet als solches nicht erheblich beeinträchtigt wird, ist die Bewilligung zu erteilen.
[...]
§ 27b
Beteiligung von Umweltorganisationen
(1) Umweltorganisationen, die gemäß § 19 Abs. 7 des UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, zur Ausübung von Parteienrechten in Niederösterreich befugt sind, sind an Verfahren gemäß § 10 Abs. 1 und 2 zu beteiligen.
[...]
§ 38
Schluss- und Übergangsbestimmungen
[...]
(10) Umweltorganisationen im Sinne des § 27b Abs. 1 steht nur gegen Bescheide nach
1.§ 10 Abs. 1 und 2 sowie
2.§ 20 Abs. 4, sofern geschützte Tier- und Pflanzenarten, die in
-Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder
-Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgelistet oder
-Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannt sind,
betroffen sind,
und die bis zu einem Jahr vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 26/2019 erlassen worden sind, das Recht zu, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Beschwerden gegen solche Bescheide haben keine aufschiebende Wirkung. § 27c Abs. 2 gilt sinngemäß.
(11) Umweltorganisationen im Sinne des § 27b Abs. 1, die in einem vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 26/2019 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren beigezogen wurden, sind weiterhin beizuziehen.“
201.2. Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL lautet:
„Artikel 6
[...]
(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, daß das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.
[...]“
212. Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich in ihren Zulässigkeitsausführungen (u.a.) - jeweils ausführlich begründet - gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, wonach Mag. B. im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht für den Revisionswerber vertretungsbefugt gewesen sei, sowie gegen die Argumentation, der zufolge § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.
223. Die Revision ist mit Blick darauf zulässig und erweist sich auch als begründet.
234.1. Das Verwaltungsgericht stützt seine Entscheidung zunächst auf die Annahme, Mag. B., welcher die Beschwerde für den Revisionswerber unterschrieben habe, sei - wie aus näher genannten Vereinsregisterauszügen ersichtlich sei - zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht für den Revisionswerber vertretungsbefugt gewesen.
24Darüber hinaus wäre die eingebrachte Beschwerde mangels Vorliegens subjektiv öffentlicher Rechte auch zurückzuweisen, wenn man sie Mag. B. zurechnete.
254.2. Der zuletzt wiedergegebenen Argumentation ist entgegen zu halten, dass sich aus dem Beschwerdeschriftsatz ohne jeden Zweifel ergibt, dass dieser für den Revisionswerber eingebracht werden sollte. So wurde die Beschwerde auf Briefpapier des Revisionswerbers verfasst und als „Beschwerdeführer“ der Revisionswerber samt dessen Adresse angegeben. Die Beschwerde verweist eingangs auf die Bestimmungen der Art. 6 Abs. 1 lit. b sowie Art. 9 Abs. 2 und 3 Aarhus-Konvention und enthält unter dem Punkt „Beschwerdeberechtigung“ eine Auseinandersetzung mit der Frage der Verfahrensbeteiligung von Umweltorganisationen sowie der Parteistellung und Rechtsmittellegitimation des Revisionswerbers. Unterhalb der Unterschrift des Mag. B. ist der Schriftsatz mit der Stampiglie des Revisionswerbers versehen. Schließlich findet sich noch der Hinweis, dass Mag. B. Obmann des Revisionswerbers sei.
26Anhaltspunkte dafür, dass Mag. B. die Beschwerde vom in eigenem Namen erhoben haben könnte, sind der Beschwerde hingegen nicht zu entnehmen.
274.3. Die von ihm angenommene mangelnde Befugnis des Mag. B., den Revisionswerber zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde zu vertreten, gründet das Verwaltungsgericht auf bestimmte Vereinsregisterauszüge. Die - unter Vorhalt dieser Ermittlungsergebnisse - gebotene Klärung der Frage der Vertretungsbefugnis des Mag. B. mit dem Revisionswerber bzw. eine Erörterung der Frage, ob sich der Revisionswerber die Beschwerde (im Fall einer fehlenden Vertretungsbefugnis des Mag. B.) zurechnen lassen wolle, ist jedoch nicht erfolgt (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Klarstellung , = VwSlg. 18.616 A, , jeweils mwN).
28Der Revisionswerber bringt in den Zulässigkeitsgründen seiner Revision dazu vor, er hätte im Falle einer entsprechenden Aufforderung die Erhebung der Beschwerde in seinem Namen bestätigt und die Fortführung des Verfahrens verlangt. Weiters hätte er darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene „vermeintlich unvertretene“ Zeitspanne ( bis ) lediglich auf dem Umstand beruhe, dass die Jahreshauptversammlung, in welcher die Wahl des Vorstandes erfolgt sei, erst Ende November 2018 stattgefunden habe. Der Vorstand sei aber aufgrund näher genannter Übergangsbestimmungen in den Statuten, denen zufolge die Funktionsdauer des Vorstandes bis zur Wahl eines neuen Vorstandes währe, bis zur Neuwahl im Amt geblieben. Der Obmann sei daher auch in der vom Verwaltungsgericht beanstandeten Zeitspanne für den Revisionswerber vertretungsbefugt gewesen.
29Mit diesem Vorbringen hat der Revisionswerber die Wesentlichkeit der vom Verwaltungsgericht unterlassenen klärenden Verfahrensschritte konkret aufgezeigt (vgl. etwa , mwN). Die in der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei behauptete (aus dem vorgelegten Akt nicht nachvollziehbare) bloße Zustellung ihrer vor der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahme vom an den Revisionswerber, in welcher bereits auf die mangelnde Vertretungsbefugnis hingewiesen worden sei, vermag die durch die belangte Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nach der zitierten hg. Rechtsprechung vorzunehmende Klärung der genannten offenen Fragen mit dem Revisionswerber nicht zu ersetzen.
30Der angefochtene Beschluss kann somit nicht auf den vom Verwaltungsgericht ohne Weiteres angenommenen Mangel der Vertretungsbefugnis des Mag. B. gestützt werden.
315. Mit Blick auf die in den Zulässigkeitsausführungen aufgeworfene Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 gleicht der Revisionsfall jenem (ebenfalls den Revisionswerber betreffenden), der mit hg. Erkenntnis vom , Ra 2019/10/0148, entschieden wurde. Aus den dort genannten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ist auch im konkreten Fall vom Vorliegen aller Voraussetzungen für eine Anwendung der Regelung des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 auszugehen:
32Diese Übergangsbestimmung betrifft jene Fälle, in denen Umweltorganisationen einem vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 26/2019 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren beigezogen wurden. Diese Umweltorganisationen sind solchen Verfahren „weiterhin beizuziehen“. Auf das Datum der Erlassung eines allfällig bereits ergangenen behördlichen Bescheides stellt diese Bestimmung - anders als § 38 Abs. 10 NÖ NSchG 2000 - nicht ab (vgl. neben dem verwiesenen Erkenntnis auch ).
33Im Rahmen des hier gegenständlichen behördlichen naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahrens prüfte die belangte Behörde das Bewilligungsprojekt gemäß § 10 Abs. 3 NÖ NSchG 2000. Es gelangten also auch im Revisionsfall aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangene Rechtsvorschriften (vgl. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) zur Anwendung. Vor diesem Hintergrund ist zufolge des , Protect, und der daraufhin ergangenen hg. Rechtsprechung, welche die Parteistellung von Umweltorganisationen sowohl im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 (d.h. für den Fall, dass ein Projekt „erhebliche Auswirkungen“ auf die Umwelt hätte; darunter fallen nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere auch Entscheidungen, die von den nationalen Behörden im Rahmen von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL erlassen werden - vgl. Rn 56f, sowie EuGH C-664/15, Rn 38f) als auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 (d.h. für den Fall, dass von vornherein nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen wäre) des Aarhus-Übereinkommens bejaht hat (vgl. die im verwiesenen Erkenntnis zitierte hg. Rechtsprechung), auf dem Boden der Bestimmungen der Aarhus-Konvention von der Parteistellung des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Erlassung (nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes: ) der hier in Rede stehenden naturschutzrechtlichen Bewilligung auszugehen.
34Der Revisionswerber wäre daher am naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren zu beteiligen gewesen.
35Da (vgl. auch dazu das verwiesene Erkenntnis Ra 2019/10/0148) in der Zustellung eines verfahrensabschließenden Bescheides an eine am Verfahren richtigerweise als Partei zu beteiligende Umweltorganisation deren Beiziehung im Sinne des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 zu erblicken ist, wobei es auf eine Beiziehung noch vor Erlassung des behördlichen Bescheides bzw. auf eine Beiziehung in einem bestimmten Verfahrensstadium nach dieser Bestimmung nicht ankommt, wurde der Revisionswerber durch die Zustellung der Bescheide vom und dem Verfahren im Sinne des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 beigezogen.
36Ob das dem Revisionsfall zugrunde liegende naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren vor Inkrafttreten der Novelle Nr. 26/2019 rechtskräftig wurde, hängt nun von der - vom Verwaltungsgericht (noch) nicht geklärten - Frage ab, ob im Revisionsfall eine rechtzeitige, dem Revisionswerber zuzurechnende Beschwerde vorliegt. Wäre dies der Fall, dann wäre das vorliegende Verfahren infolge der Anhängigkeit dieser Beschwerde vor Inkrafttreten der genannten Novelle am jedenfalls noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und der Revisionswerber gemäß § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 dem Verfahren daher „weiterhin beizuziehen“ gewesen (vgl. zur Rechtskraft im gegebenen Zusammenhang auch das verwiesene Erkenntnis Ra 2019/10/0148). Das Verwaltungsgericht hätte in diesem Fall die ihm vorliegende Beschwerde nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, es lägen die Anwendungsvoraussetzungen des § 38 Abs. 11 NÖ NSchG 2000 nicht vor.
376. Das (zusätzliche) Argument des Verwaltungsgerichtes, wonach hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. des Bescheides vom kein Verfahren vorliege, bei dem einer Umweltorganisation eine Beschwerdelegitimation zukomme, vermag eine Zurückweisung der Beschwerde im Umfang dieser Spruchpunkte jedenfalls nicht zu tragen:
38Aus dem System der Bewilligungsvoraussetzungen ergibt sich nämlich, dass über den Bewilligungsantrag des Projektwerbers eine einheitliche Entscheidung zu ergehen hat, die auf die Bewilligungsvoraussetzungen nach allen in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbeständen einschließlich jener des § 10 NÖ NSchG 2000 kumulativ Bedacht nimmt (vgl. , 2002/10/0212, 2001/10/0081 = VwSlg. 16.335 A, Pkt. 26.2.2.).
39Vor diesem Hintergrund kommt eine Trennbarkeit der vorliegenden Absprüche der behördlichen Bewilligung über einzelne Bewilligungstatbestände nicht in Betracht. Vielmehr handelt es sich - nach der zitierten Rechtsprechung - bei dem in Rede stehenden (berichtigten) Bewilligungsbescheid um eine einheitliche naturschutzrechtliche Bewilligung, der die Prüfung verschiedener in Frage kommender - auch aus dem Unionsrecht hervorgegangener - Bewilligungstatbestände zugrunde liegt. Eine Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich einzelner Spruchpunkte kommt daher nicht Betracht.
407. Schließlich vermag auch der Verweis des Verwaltungsgerichtes auf die Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz der Rechtssicherheit die vorliegende Entscheidung nicht zu stützen. Diese Entscheidungen (, Kühne & Heitz NV, sowie , C-234/04, Kapferer), in denen es jeweils um die Frage ging, ob bzw. inwieweit das Gemeinschaftsrecht eine Überprüfung rechtskräftiger gemeinschaftsrechtswidriger Entscheidungen gebietet, erweisen sich im Revisionsfall schon deshalb nicht als einschlägig, weil hier (wie in Rz 36 dargestellt) die Frage der Rechtskraft der naturschutzrechtlichen Bewilligung (noch) nicht geklärt ist.
418. Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
42Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen.
43Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019100164.L00 |
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