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VwGH vom 25.06.2013, 2013/09/0074

VwGH vom 25.06.2013, 2013/09/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. des HM und

2. der AM, beide in O, vertreten durch die Neudorfer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Eßlinggasse 9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-20.124/0001-IV/3/2013, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom stellte das Bundesdenkmalamt gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) fest, dass die Erhaltung des im Eigentum der beschwerdeführenden Parteien stehenden Ziegelofens in Kreuzstetten im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Mit Schriftsatz vom stellten die beschwerdeführenden Parteien einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen diesen Bescheid und brachten dazu zusammengefasst vor, dass der Bescheid am Freitag, den nachmittags in der Kanzlei der bevollmächtigten Rechtsanwälte GmbH eingelangt sei. Der in der Rechtsanwälte GmbH für die Beschwerdeführer zuständige Partner, Dr. SP habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf Urlaub in Kenia befunden. Über Weihnachten sei die Kanzlei vom 22. Dezember bis geschlossen gewesen. Am sei der zuständige Partner durch ein "Postmail" (ein E-Mail mit den in Abwesenheit eingelangten und fristauslösenden Poststücken) vom Einlangen des Bescheids in Kenntnis gesetzt worden. Ein solches Vorgehen sei in der Kanzlei seit mehreren Jahren üblich. Bei der Übermittlung solcher E-Mails sei es noch nie zu technischen Problemen gekommen. Auf Grund dieses Systems seien auch noch nie Fristen versäumt worden. Im gegenständlichen Fall sei das E-Mail von der Kanzleiadresse an die Adresse des zuständigen Partners verschickt worden. Ein Fehlbericht, dass das E-Mail nicht zugestellt worden sei, sei nicht eingelangt. Trotzdem habe der Partner das E-Mail mit der Benachrichtigung vom Einlangen des Bescheides nicht erhalten, was auf einen technischen Fehler zurückzuführen sei. Da derartiges in der Vergangenheit nie vorgekommen sei, habe es nicht vorhergesehen werden können, sodass die beschwerdeführenden Parteien durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen seien, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.

Dem Antrag war neben eidesstättigen Erklärungen, dass Dr. SP das E-Mail nicht erhalten und das System der "Postmails" bisher zu keinen Problemen geführt habe, ein Ausdruck des am versendeten E-Mails angeschlossen. Aus dem Ausdruck geht hervor, dass das E-Mail mit dem Betreff "Geschehnisse am " am um 17.51 Uhr von Mag. AO-R an Dr. SP gesendet worden war. Dem E-Mail waren vier pdf-Dateien sowie eine weitergeleitete Nachricht angehängt. Das E-Mail enthält Informationen über eingegangene Schriftstücke unter anderem über den gegenständlichen Bescheid: "Bescheid Bundesdenkmalamt iS (der beschwerdeführenden Parteien) Ziegelofen Kreuzstätten - Feststellung des öff. Interesses an der Erhaltung; Berufung Frist - Ist hier etwas vorzukehren? - ist in der Postmappe abgelegt" (Hervorhebung im Original), über Telefonate sowie über sonstige Vorkommnisse.

Mit Bescheid vom wies das Bundesdenkmalamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein Versehen minderen Grades vorliege. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen einer Rechtsanwalts GmbH entsprechende Vertretungsregelungen während des Urlaubs eines Partners bestünden. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte der Rechtsvertreter für den Fall, dass der Bescheid während seiner Abwesenheit ergehe, im Sinne der ihm zukommenden Sorgfaltspflicht interne Veranlassungen zu treffen gehabt. Durch die ausschließliche Verfügung, über das Einlangen von fristauslösenden Schriftstücken per E-Mail informiert werden zu wollen (ohne weitere Überprüfung, ob diese Information auch tatsächlich beim Empfänger angekommen sei) um danach mitzuteilen, "ob weiteres vorzukehren sei", habe der Parteienvertreter spätestens zu diesem Zeitpunkt die ihm zumutbare Sorgfalt im Umgang mit Behörden außer Acht gelassen. Außerdem entspreche es der Erfahrung des täglichen Lebens, dass mit dem Transport von Daten per E-Mail ein hohes Maß an Gefahr verbunden sei. Es sei zufolge auffallender Sorglosigkeit auf Seiten des Parteienvertreters - das der Partei zuzurechnen sei - zur Versäumung der Berufungsfrist gekommen, sodass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nicht gegeben seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Begründend führte sie dazu zusammengefasst aus, dass im gegenständlichen Fall das Ereignis, nämlich dass den zuständigen Partner die Nachricht über das Einlangen des Bescheides nicht erreiche, von einem Durchschnittsmenschen, der dessen Eintritt voraussehe, durchaus leicht hätte abgewendet werden können. Dies insbesondere durch Kontrollmechanismen, durch welche im Falle der Abwesenheit des zuständigen Partners der Zugang eines E-Mails kontrolliert werde, beispielsweise durch einen Telefonanruf oder eine elektronische Empfangsbestätigung. Insbesondere aber sei es möglich gewesen, kurz vor Ablauf der Berufungsfrist durch einen Mitarbeiter verifizieren zu lassen, ob entsprechende Veranlassungen getroffen worden seien. Im gegenständlichen Fall sei zwar ein E-Mail mit der Benachrichtigung vom Einlangen des Bescheides und der Frage dazu "Ist hier etwas vorzukehren?" an den Partner abgesendet worden, als der Partner auf diese Frage jedoch nicht reagiert habe, seien keine weiteren Maßnahmen getroffen worden, um zu verifizieren, ob die Nachricht auch bei ihm eingelangt sei. Hätten diese Kontrollen ergeben, dass das E-Mail beim Empfänger nicht eingelangt sei, hätte es ein zweites Mal gesendet werden oder sein Inhalt mündlich mitgeteilt werden können. So wäre zu verhindern gewesen, dass der zuständige Partner der Rechtsanwaltskanzlei nicht über das Einlangen des Bescheides informiert und in weiterer Folge die Berufungsfrist versäumt werde. Ein unabwendbares Ereignis liege daher nicht vor.

Das Ereignis sei aber auch nicht unvorhergesehen. In der Rechtsanwaltskanzlei sei auf Grund des klaglosen Funktionierens des Postmail-Systems über mehrere Jahre hinweg nicht erwartet und nicht damit gerechnet worden, dass ein E-Mail nicht ordnungsgemäß versendet werde und deshalb nicht beim Empfänger einlange, sodass keine weiteren Vorkehrungen getroffen worden seien und die Frist versäumt worden sei. In der Kanzlei des Vertreters habe es zwar für den Fall der Abwesenheit eines Partners ein System gegeben, auf Grund dessen diese von einlangenden, insbesondere fristauslösenden Schriftstücken per E-Mail verständigt würden, jedoch habe es keine Kontrollmechanismen gegeben, durch die sichergestellt worden sei, dass das E-Mail dem Empfänger auch zugegangen sei, wie beispielsweise eine Empfangsbestätigung. Dass eine solche angefordert worden sei, sei nicht einmal behauptet worden.

Darüber hinaus sei dem Rechtsanwalt zwar in dem E-Mail die Frage gestellt worden, ob "etwas vorzukehren" sei, es sei jedoch weder verifiziert worden, ob eine Antwort auf diese Frage auch eingelangt sei, noch sei vor Ablauf der Frist kontrolliert worden, ob entsprechende Veranlassungen zu deren Einhaltung getroffen worden seien. Ein ortsabwesender Rechtsanwalt könne zwar naturgemäß nicht persönlich die Kontrolle ausüben, zu welcher er nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet sei, er könne jedoch entsprechende Vorkehrungen treffen, die erforderlichen Anweisungen erteilen und deren Einhaltung durch effektive Kontrollmaßnahmen sicherstellen. Beispielsweise könne er seine Mitarbeiter anweisen, ihn in dem Fall, dass er auf ein derartiges "Postmail" nicht antworte, anderweitig - beispielsweise per Telefon oder über die Hotelrezeption - zu kontaktieren, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass bei einem Auslandsaufenthalt stets die Gefahr bestehe, dass die Handyverbindung oder das Internet nicht durchgehend ordnungsgemäß funktioniere. Der Rechtsanwalt könne außerdem für den Fall, dass er aus technischen Gründen nicht erreichbar sei, eine Vertretungsregelung vorsehen, sodass er bei der Erledigung der Frist von einem anderen Rechtsanwalt substituiert werde. Dass derartige Maßnahmen ergriffen worden wären, sei nicht behauptet worden und gehe aus dem Sachverhalt nicht hervor. Gerade bei längerer Ortsabwesenheit des Rechtsanwalts müsse die Kanzlei so organisiert sein, dass auch ohne seine direkte Kontrolle das Versäumen von Fristen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen sei. Die bloße Versendung eines E-Mails ohne jegliche Verifizierung, ob dieses auch ordnungsgemäß zugestellt worden sei, sei nicht geeignet, das Versäumen von Fristen nach menschlichem Ermessen auszuschließen. Das Treffen entsprechender Vorkehrungen und die Einrichtung eines Kontrollsystems im Falle der Ortsabwesenheit seien dem Rechtsanwalt als beruflichen rechtskundigen Vertreter zumutbar.

Der Rechtsanwalt habe seine Kanzlei nicht derart organisiert, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen sei. Ein derartiger Mangel in der Kanzleiorganisation begründe ein Verschulden des Rechtsanwalts, das über den minderen Grad des Versehens hinausgehe, weil ein sorgfältiger Rechtsanwalt entsprechende Vorkehrungen für den Fall seiner Ortsabwesenheit getroffen hätte. Dem sorgfältigen Rechtsanwalt wäre ein derartiger Fehler nicht unterlaufen und hätte dieser die Rechtsmittelfrist daher nicht versäumt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die beschwerdeführenden Parteien vertreten in der Beschwerde die Auffassung, dass nicht eine "falsche Frist" sondern ein technischer Fehler Ursache der Fristversäumung gewesen sei. Der technische Fehler sei außerhalb des Einflussbereichs der Kanzlei gelegen und habe von dieser auch nicht abgewendet werden können. Für die Kanzlei und deren Mitarbeiter habe zu keiner Zeit die Möglichkeit bestanden, den Fehler zu verhindern, oder andere Maßnahmen zu ergreifen. Die Kanzleimitarbeiterin sei davon ausgegangen, dass das gegenständliche "Postmail" wie auch alle bisherigen in den vergangenen Jahren beim Empfänger angekommen sei und dieser auch Kenntnis vom Inhalt des "Postmails" erlangt und gegebenenfalls entsprechende Veranlassungen getroffen habe. Hätte es eine Fehlermeldung gegeben, wäre man dieser nachgegangen und hätte versucht, den zuständigen Partner auf einem anderen Weg zu erreichen. Weil seit über zehn Jahren gegenständliche "Postmails" versendet worden seien und bislang jedes angekommen sei, habe ein Durchschnittsmensch den Eintritt dieses Ereignisses niemals vorhersehen können. Es liege auch kein Verschulden vor, weil es in den vergangenen Jahren niemals zu derartigen Vorkommnissen gekommen sei und die technischen Einrichtungen der Rechtsanwaltskanzlei auf dem Stand der Technik seien und regelmäßig gewartet würden. Auch der Ordner der gesendeten Objekte sei kontrolliert worden. Dass der zuständige Partner auf das gegenständliche "Postmail" nicht geantwortet habe, sei nicht unerwartet gewesen, weil eine Antwort nur dann erfolge, wenn das E-Mail Angelegenheiten enthalte, die einer weitergehenden Bearbeitung bedürften.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2013/07/0045).

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt dargetan, dass eine Rechtsanwaltskanzlei Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen muss; der bevollmächtigte Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozesshandlungen gesichert erscheint. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung des oben genannten Ziels nicht gewährleistet ist, so kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden (vgl. hiezu das Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0332, mwN).

Im vorliegenden Fall wird zur Begründung der Wiedereinsetzung kein Vorbringen erstattet, ob und welche Maßnahmen in der Rechtsanwaltskanzlei - neben der E-Mail-Nachricht an den auf Urlaub befindlichen Rechtsanwalt - gesetzt wurden, die gewährleistet hätten, dass gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung hätte erhoben werden können. Allein die Mitteilung der Bescheiderlassung durch Versendung eines E-Mails ohne weitere Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung erweist sich aber als ein Verhalten, das nicht mehr als bloß minderer Grad des Versehens zu beurteilen ist, weil es - wie auch aus dem Beschwerdevorbringen selbst hervorgeht - beim Absenden von E-Mails zu (Übertragungs )Fehlern kommen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zlen. 2009/05/0257, 0258).

Im vorliegenden Fall erkannte der Sachbearbeiter in der Rechtsanwaltskanzlei die Fristgebundenheit einer möglichen Berufung, wie aus der im E-Mail an den Rechtsanwalt gerichteten Frage leicht zu erkennen ist. Durch einen in der Kanzlei gesetzten Fristvormerk hätte - wie die belangte Behörde bereits zutreffend ausführte - der fristgerechte Zugang der E-Mail und eine ebensolche Antwort leicht sichergestellt werden können. Aber auch durch eine Empfangsbestätigung oder eine Antwort auf jedes E-Mail durch den auf Urlaub befindlichen Partner wären ein Übermittlungsfehler und eine Fristversäumung bei der Rechtsmittelerhebung ohne weiteres auszuschließen gewesen. Da - im Vertrauen auf das bisherige Funktionieren des Systems - solche Vorkehrungen nicht ergriffen wurden, die eine Fristversäumung ohne Schwierigkeiten verhindern hätten können, liegt ein minderer Grad des Versehens nicht vor. Ein Mangel in der Kanzleiorganisation ist nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann anzunehmen, wenn der Kanzleibetrieb nicht derart eingerichtet ist, dass dem Parteienvertreter sämtliche Schriftstücke zukommen (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom , mwN). Der Wiedereinsetzungsantrag ließ somit nicht erkennen, dass der Vertreter der beschwerdeführenden Parteien ohne sein Verschulden bzw. aus einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden verhindert gewesen wäre, die Frist zur Erhebung der Berufung einzuhalten.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Rechtsverletzung nicht vorlag, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-82535