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VwGH vom 09.06.2020, Ra 2019/10/0075

VwGH vom 09.06.2020, Ra 2019/10/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der L GmbH in H, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2018/16/2642-6, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Reutte), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

11. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wurde - in Stattgebung einer Beschwerde des Tiroler Landesumweltanwaltes - die von der revisionswerbenden Partei beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Sommer- und Winterrodelbahn im Gemeindegebiet von H. gemäß § 6 lit. e, 9, 23 Abs. 5 lit. c und 29 Abs. 8 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005 iVm der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 versagt.

2Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu.

3Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, die projektierte Sommer- und Winterrodelbahn bestehe aus einer geradlinig in Falllinie des Hanges verlaufenden Bergfahrt mittels Seilzug und einer Talfahrt mit mehreren Kurven und Kreiseln, welche teilweise Höhen bis zu 10 m über dem Boden erreichten. Die Gesamtlänge der Rodelbahn betrage ca. 1500 m. Alle 3 m werde die Fahrschiene der Rodelbahn mittels Erdnägeln im Boden auf Stahlplatten verankert. Zusätzlich seien auch Betonfundamente notwendig. Die Rodelbahn solle zudem durch die Installation von 60 LED-Leuchten am Gestänge beleuchtet werden.

4Durch das gegenständliche Projekt werde in einen Sonderstandort im Sinne des TNSchG 2005 (Feuchtgebiet) eingegriffen und würden weiters zwei geschützte Lebensräume im Sinne der Tiroler Naturschutzverordnung 2006, nämlich „Kalkreiche Niedermoore“ (Anlage 4/4) und „Berg-Mähwiesen“ (Anlage 4/17), „berührt“. Auch seien bestimmte in den Anlagen 2, 3 und 6 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 genannte geschützte Pflanzen- und Tierarten vorgefunden sowie mehrere in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannte Vogelarten kartiert worden.

5In der avifaunistischen Grundlagenkartierung des Landes Tirol sei im Mai 2015 ein Neuntöter 200 m südlich der geplanten Einstiegsstelle nachgewiesen worden. Im Projektgebiet sei daher von einem Vorkommen des in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelisteten Neuntöters auszugehen. Der Projekthang biete grundsätzlich gute Voraussetzungen als Lebensraum für den Neuntöter. Bei Verwirklichung des Projekts sei mit einer Aufgabe des nachgewiesenen Neuntöter-Reviers zu rechnen, wodurch die lokale Neuntöter-Population in H. von zwei auf ein Revier zurückgehen würde. Weiters sei von einer erheblichen Beeinträchtigung der lokalen Population des Baumpiepers und der Goldammer auszugehen, weil bei beiden Arten bei Errichtung der Bahn mit der Aufgabe der Reviere in Coaster-Nähe zu rechnen sei und dies mit einem lokalen Rückgang des Bestandes um 50 % einhergehe.

6Nach Bau der Rodelbahn sei der Lebensraum für Vogelarten völlig ungeeignet. Es komme zu einer erheblichen Beeinträchtigung der lokalen Population; langfristig sei ein Verschwinden der Vogelarten nicht auszuschließen.

7Zudem komme es zu einer flächenmäßigen Reduktion und Verschlechterung der Feuchtgebiete, weil diese mit Errichtung der Fundamente angeschnitten würden. Die vorgesehene Beleuchtung führe zu einer Verhaltensänderung bei Säugetieren, wie Rehwild, Fuchs und Feldhase, womit eine Verminderung des Lebensraumes und eine Zerschneidung der Habitate einhergingen.

8Der betroffene Hang sei aufgrund seiner unterschiedlichen Vegetation optisch sehr attraktiv und reizvoll. Das Feldgehölz sowie der Jung- und Nadelwald könnten als landschaftsprägende Elemente angesehen werden. Der Bereich sei ein schönes Beispiel einer extensiven Kulturlandschaft. Betreffend das (so beschriebene) Landschaftsbild sei davon auszugehen, dass zwei Drittel der Anlage „von unten her“ einsichtig seien. Das letzte Drittel sei nur vom erwähnten Hang selbst bzw. von den gegenüber liegenden Berghängen einsichtig.

9Als Alternative zu der projektierten „eingriffsstarken Anlage“ stünde die Errichtung eines Seilgartens zur Verfügung, womit „wesentlich weniger Eingriffe in die Natur“ verbunden wären.

10Rechtlich kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, das Projekt erfülle die Tatbestände der § 6 und 9 TNSchG 2005. Die gravierenden Auswirkungen auf die Schutzgüter „Feuchtgebiet, Vogelarten und Landschaftsbild“ seien daher gemäß § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 der möglichen Förderung des Tourismus in der gegenständlichen Region gegenüber zu stellen. Es stehe jedenfalls fest, dass schwerwiegende Beeinträchtigungen der Vogelwelt und der bestehenden Feuchtgebiete zu erwarten seien. Ein Überwiegen touristischer Interessen komme bei Vorhandensein von weniger einschneidenden Projekten, wobei als die Naturschutzinteressen weniger beeinträchtigende Alternativen Planungs-, Standort- oder Ausführungsvarianten in Betracht kämen, nicht in Frage, weshalb die Bewilligung zu versagen sei.

112. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

12Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

131. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision wendet sich - jeweils näher begründet - gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung sowie gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, dass mit der Errichtung eines Seilgartens eine weniger eingriffsintensive Alternative zum beantragten Projekt zur Verfügung stehe.

14Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

152. Die hier in den Blick zu nehmenden Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 – TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26/2005 idF LGBl. Nr. 144/2018, lauten:

„§ 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

a)ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,

b)ihr Erholungswert,

c)der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

d)ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wesentliche Bestandteile der Natur bilden insbesondere auch die Gewässer und die von Wasser geprägten Lebensräume, denen besondere Bedeutung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt, den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, das Naturerlebnis und die Erholung zukommt. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

[...]

§ 9

Schutz von Feuchtgebieten

(1) In Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

a)das Einbringen von Material;

b)das Ausbaggern;

c)die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

d)jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung;

e)Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche;

f)Entwässerungen;

g)die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

[...]

§ 23

Geschützte Pflanzenarten und Pilze

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung

a)die im Anhang IV lit. b der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzenarten und

b)andere wild wachsende Pflanzenarten und Pilze, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind, deren Erhaltung aber zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 geboten ist,

zu geschützten Arten zu erklären.

[...]

(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung für Pflanzenarten nach Abs. 1 lit. b, soweit dies zur Sicherung des Bestandes bestimmter Pflanzenarten, insbesondere zur Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes der wild wachsenden Pflanzenarten des Anhanges V lit. b der Habitat-Richtlinie, erforderlich ist,

a)verbieten,

1.Pflanzen solcher Arten sowie deren Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Blüten, Blätter, Zweige, Früchte und dergleichen) und Entwicklungsformen von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, im frischen oder getrockneten Zustand zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben;

2.den Standort von Pflanzen solcher Arten so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand an diesem Standort unmöglich wird;

3.Pflanzen auf eine bestimmte Art zu entnehmen.

[...]

(5) Sofern es keine andere zufrieden stellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Pflanzenart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können Ausnahmen von den Verboten nach den Abs. 2 und 3 lit. a bewilligt oder hinsichtlich der im Abs. 1 lit. b genannten Pflanzenarten auch durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden

[...]

c)im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt,

[...]

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche Genehmigungen

[...]

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a)für die Errichtung von Anlagen in Gletscherschigebieten nach § 5 Abs. 1 lit. e Z 3 (§ 6 lit. c), eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher, ihrer Einzugsgebiete und ihrer im Nahbereich gelegenen Moränen (§ 6 lit. f), für Vorhaben nach den § 7 Abs. 1 und 2, 8, 9 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 3,

[...]

darf nur erteilt werden,

1.wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2.wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

[...]

(3) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

[...]

b)für Ausnahmen von den Verboten nach den § 23 Abs. 2 und 3 lit. a, 24 Abs. 2 und 3 lit. a und 25 Abs. 1 und

[...]

darf nur erteilt werden, wenn die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. [...]

(4) Trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Z 2, Abs. 3 lit. a oder § 14 Abs. 4 ist die Bewilligung zu versagen, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt werden.

[...]

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

[...]“

Die Tiroler Naturschutzverordnung 2006, LGBl. Nr. 39/2006, lautet auszugsweise:

„§ 2

Schutz von anderen wild wachsenden Pflanzenarten

(1) Die in der Anlage 2 angeführten wild wachsenden Pflanzenarten, unbeschadet der Arten nach § 1, werden zu gänzlich geschützten Pflanzenarten erklärt.

(2) Hinsichtlich der gänzlich geschützten Pflanzenarten der Anlage 2 ist es verboten:

a)absichtlich Pflanzen solcher Arten sowie deren Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Blüten, Blätter, Zweige, Früchte und dergleichen) und Entwicklungsformen von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, im frischen oder getrockneten Zustand zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben,

b)den Standort von Pflanzen solcher Arten so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand an diesem Standort unmöglich wird.

(3) Die in der Anlage 3 angeführten wild wachsenden Pflanzenarten, unbeschadet der Arten nach den § 1 und 2 Abs. 1, werden zu teilweise geschützten Pflanzenarten erklärt.

(4) Hinsichtlich der teilweise geschützten Pflanzenarten der Anlage 3 ist es verboten:

a)die oberirdisch wachsenden Teile solcher Arten absichtlich in einer über einen Handstrauß hinausgehenden Menge zu entnehmen und zu befördern,

b)die unterirdisch wachsenden Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen) solcher Arten absichtlich von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben,

c)den Standort von Pflanzen solcher Arten so zu behandeln, dass ihr weiterer Bestand an diesem Standort unmöglich wird.

[...]

§ 3

Schutz von Arten gefährdeter besonderer Pflanzengesellschaften

Unbeschadet der Bestimmungen der § 1 und 2 sind die in der Anlage 4 angeführten gefährdeten besonderen Pflanzengesellschaften dahingehend geschützt, als es verboten ist, ihre Standorte so zu behandeln, dass ihr Fortbestand erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird, insbesondere die natürliche Artenzusammensetzung der Pflanzengesellschaft verändert wird.

[...]

§ 7

Ausnahmen von den Verboten und Zuwiderhandlungen

(1) Von den Verboten nach den § 1 Abs. 2, 2 Abs. 2 und 4, 3, 4 Abs. 2, 5 Abs. 2 und 6 Abs. 3 können Ausnahmen nach den § 23 Abs. 5, 24 Abs. 5 und 25 Abs. 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl. Nr. 26, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt werden.

[...]“

163. Das Verwaltungsgericht geht in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass das gegenständliche Projekt gemäß § 9 Abs. 1 TNSchG 2005 bewilligungspflichtig und dementsprechend eine Interessenabwägung im Sinne des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 durchzuführen sei.

17Eine solche im Einzelfall durchgeführte Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des Revisionsmodells dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. etwa , mwN).

18Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht eine auf Grund einer Interessenabwägung nach § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 ergangene Entscheidung den Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung nur dann, wenn sie in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthält, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen iSd § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das langfristige öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. etwa , sowie , jeweils mwN).

19Zur Frage des „Überwiegens“ der langfristigen öffentlichen Interessen an der Erteilung der Bewilligung über die Interessen des Naturschutzes gemäß § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 ist eine Wertentscheidung zu treffen, zumal die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar sind. Um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen, ist es daher erforderlich, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüber zu stellen (vgl. etwa , mwN).

204.1. Eine derartige transparente und nachvollziehbare Wertentscheidung unter Zugrundelegung der in der hg. Judikatur geforderten Feststellungen ist dem angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht zu entnehmen:

21So lässt dieses schon hinreichende Feststellungen zu den durch das beantragte Projekt beeinträchtigten Naturschutzinteressen iSd § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 vermissen, zu denen (u.a.) der Schutz des Landschaftsbildes zählt (vgl. etwa , mwN; zu den Anforderungen an die in dieser Hinsicht zu treffenden Feststellungen vgl. neben diesem Erkenntnis etwa , mwN; zu den Anforderungen beim Naturschutzinteresse „Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume“ vgl. etwa , mwN).

22Weiters fehlen im angefochtenen Erkenntnis konkrete Feststellungen in Hinblick auf langfristige öffentliche Interessen (vgl. § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005) an der Verwirklichung der projektierten Rodelbahn. Dass dem Verwaltungsgericht derartige Feststellungen nicht möglich gewesen wären, weil die revisionswerbende Partei zum Vorliegen langfristiger öffentlicher Interessen am gegenständlichen Projekt im Zuge des Verfahrens keine ausreichenden Angaben gemacht hätte, lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen (vgl. dazu nochmals VwGH 2012/10/0208 sowie , mwN).

23Bereits aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht keine gesetzmäßige Interessenabwägung im Sinne der oben zitierten Leitlinien der Rechtsprechung durchgeführt und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten.

244.2. Auch mit dem Argument, dass ein Überwiegen öffentlicher (touristischer) Interessen bei Vorliegen „weniger einschneidender“ alternativer Projekte nicht in Frage komme, vermag das Verwaltungsgericht die Abweisung des Bewilligungsantrages nicht zu begründen, hat es sich doch mit der Frage, ob die in diesem Zusammenhang erwähnte Errichtung eines Seilgartens als Alternative im Sinne des § 29 Abs. 4 TNSchG 2005 die dort normierten Anforderungen (nämlich, dass dadurch „der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann“) erfülle, überhaupt nicht auseinandergesetzt.

254.3. Das Verwaltungsgericht kann die Versagung der Bewilligung schließlich auch nicht auf das Fehlen der Voraussetzungen für eine Ausnahme nach den (lediglich) im Spruch angeführten Bestimmungen des § 23 Abs. 5 lit. c TNSchG 2005 iVm der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 stützen.

26Eine Subsumtion des vorliegenden Falles unter die genannten Bestimmungen wird im angefochtenen Erkenntnis nämlich überhaupt nicht vorgenommen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach zwei bestimmte nach Anlage 4 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 geschützte Lebensräume durch das Projekt „berührt“ würden und näher genannte in den Anlagen 2 und 3 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 geschützte Pflanzen im Projektgebiet „vorgefunden“ worden seien, stellen keine ausreichende rechtliche Auseinandersetzung mit dem Projekt vor dem Hintergrund der Regelungen des § 23 TNSchG 2005 iVm der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 dar.

275. Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

28Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100075.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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