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VwGH vom 25.03.2010, 2006/09/0125

VwGH vom 25.03.2010, 2006/09/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des EB in S, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 149/10-DOK/05, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Kriminalbeamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war in der Zeit der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen als Kriminalbeamter der Bundespolizeidirektion S tätig.

Mit Urteil des Landesgerichts S vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe in vier näher angeführten Fällen in den Jahren 1999, 2000 und 2003 in S als Kriminalbeamter der Bundespolizeidirektion S mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung gemäß den verfahrensrechtlichen Vorschriften sowie vier namentlich genannte Verdächtige in ihren konkreten Rechten auf Durchführung der Verfahren entsprechenden prozessualen Vorschriften zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich teils missbraucht, teils zu missbrauchen versucht, und zwar im hier interessierenden 3. Faktum

"3. am , indem er nach einer Anzeige der M.S. gegen

E.H. wegen des Verdachtes der Veruntreuung eines Discman ... der

BPD S einen Bericht an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht S mit dem tatsachenwidrigen Inhalt übermittelte, 'laut telefonischer Auskunft der Geschädigten sei das Gerät in Ordnung zurückgegeben worden und liege daher auch kein finanzieller Schaden mehr vor',

was zur Einstellung des Verfahrens gegen E.H. ... beim

Bezirksgericht S gemäß § 90 Abs 1 StPO führte." (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)

Der Beschwerdeführer wurde wegen dieser Vorwürfe wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB, in einem Fall wegen des versuchten Missbrauchs der Amtsgewalt, unter Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen zu je EUR 20,--, insgesamt somit zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.600,--, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 90 Tagen, sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, die gemäß § 43a Abs. 2 StGB bedingt nachgesehen wurde verurteilt.

In der Begründung dieses Urteils führte das Landesgericht S zusammengefasst soweit relevant aus, dass die Arbeitssituation bei der Kriminalabteilung der BPD S durch eine Verdopplung des Arbeitsanfalls in den vergangenen fünf Jahren gekennzeichnet gewesen sei, auf Grund des subjektiven Gefühls der Überlastung sei es zu Spannungen gekommen. Tatsächlich sei die Arbeit aber unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Personalausstattung leistbar gewesen. Die Anzeige im gegenständlichen Fall sei von zwei Beamten aufgenommen und dem Beschwerdeführer als Sachbearbeiter weitergeleitet worden. Er habe ein Personalblatt sowie eine Niederschrift mit dem Verdächtigen aufgenommen, der versichert habe, das Gerät in der kommenden Woche zurückzugeben. Ohne die erforderlichen Nachforschungen habe der Beschwerdeführer jedoch bewusst einen tatsachenwidrigen Bericht an den Bezirksanwalt erstattet, wobei er wusste, dass er verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Nachforschungen tatsächlich anzustellen und auch wusste, dass er seine Befugnis und Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, missbräuchlich ausübte und es für möglich hielt, und sich damit abfand, dass das Verfahren gegen E.H. mit einer in Wahrheit nicht vertretbaren Entscheidung enden werde und der Staat an seinem Recht auf Strafverfolgung und der Verdächtige in seinem Recht auf Durchführung des Verfahrens entsprechend den prozessualen Vorschriften verletzt werde. Die Geschädigte habe in der Folge wahrheitsgemäß zu Protokoll gegeben, dass sie ihren Discman nach wie vor nicht zurück erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe sich mit Schutzbehauptungen verteidigt. Als mildernd wertete das Gericht die Unbescholtenheit, als erschwerend die Tatwiederholungen sowie die Schädigung zweier Rechte. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom zurückgewiesen, seiner Berufung mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom keine Folge gegeben.

Hinsichtlich des wiedergegebenen Vorwurfes (bezeichnet als "2.") und eines weiteren - ähnlichen - Anschuldigungspunktes wurde der Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom der Begehung von Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) für schuldig erkannt. Zugleich sah die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 115 BDG 1979 ab.

Dagegen erhob der Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Inneres im Umfang der "Höhe der Disziplinarstrafe bzw. gegen das Absehen von einer Disziplinarstrafe" Berufung und beantragte, "im Anschuldigungspunkt 2.) eine Disziplinarstrafe auszusprechen".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- verhängt.

Der angefochtene Bescheid wurde nach einer Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Fehlverhalten keinen bloß geringfügigen Unrechtsgehalt aufweise, da zum Kernbereich der Dienstpflichten der Exekutivbediensteten insbesondere auch der Schutz des Eigentums Dritter sowie die Hintanhaltung der vorsätzlichen Vereitelung der Strafverfolgung Dritter zähle. Weiters müsse sich der Dienstgeber, alle anderen Behörden und auch die Allgemeinheit auf die Richtigkeit der Aussagen eines Exekutivbediensteten uneingeschränkt verlassen können.

Es sei nicht zu vernachlässigen, dass sich das Fehlverhalten des Beschwerdeführers über einen Tatzeitraum von mehr als vier Jahren erstrecke. Der Beschwerdeführer habe den Rang eines Chefinspektors, er habe im Spektrum der dienstführenden Beamten den höchsten Dienstgrad erreicht und habe auch eine hohe Vorbildfunktion. Zu den Aufgaben eines Chefinspektors gehöre unter anderem auch die Ausübung der Dienstaufsicht. Der Dienstgeber müsse sich darauf verlassen können, dass diese Dienstaufsicht untadelig ausgeübt werde. Damit werde ein wesentliches dienstliches Interesse dargetan, dass die Anwendung des § 115 BDG 1979 in Fällen von durch einen Exekutivbediensteten begangenen Amtsmissbrauch ausschließe. Auch das Vorliegen eines disziplinären Überhanges verbiete ein Vorgehen nach dieser Gesetzesstelle. Ungeachtet des Strafmilderungsgrundes der Unbescholtenheit, dem als Erschwerungsgründe der lange Tatzeitraum und die Mehrmaligkeit der Verfehlungen gegenüber stünden, könne in Ansehung der objektiven Schwere der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten nur mit der Disziplinarstrafe der Geldstrafe das Auslangen gefunden werden. Die Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- sei gemessen am Strafrahmen des § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 im unteren Segment angesetzt. Damit werde den Verfehlungen des Beschwerdeführers schuld- und tatangemessen entsprochen und sowohl spezial- als auch generalpräventiven Erwägungen hinreichend Rechnung getragen, um der Begehung gleichartiger Dienstpflichtverletzungen durch den Beschwerdeführer und andere Beamte angemessen zu begegnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979 vor: 1. den Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezugs unter Ausschluss der Kinderzulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage, und

4. die Entlassung.

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 147/2008 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinn nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 ist von der Verfolgung abzusehen, wenn der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde und sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Nach dem Abs. 2 des § 95 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Vorab ist hinzuweisen, dass das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom Beschuldigten nicht angefochten wurde; die Berufung des Disziplinaranwaltes richtete sich lediglich gegen das Absehen vom Ausspruch einer Strafe. Der im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis enthaltene Schuldspruch ist damit (teil-)rechtskräftig geworden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0097), was auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend hervorhebt. Gegenstand des angefochtenen Bescheides, gegen den sich die vorliegende Beschwerde richtet, ist daher ausschließlich der im angefochtenen Bescheid vorgenommene Strafausspruch.

Im Fall eines Schuldspruches kann gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Einen Fehlgriff hat die belangte Behörde auch insoferne nicht getan, dass sie das dem Beschwerdeführer - auf Grund des Strafurteils gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 bindend - zur Last gelegte Fehlverhalten dem Kernbereich der Dienstpflichten der Exekutivbediensteten zurechnete und auch angesichts der Vorbildfunktion des Beschwerdeführers nicht als geringfügig gewertet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/09/0166, mwN).

Bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 ist vom objektiven Unrechtsgehalt der dem Beschuldigten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung und damit des möglichen Rahmens einer in Betracht kommenden Strafe auszugehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/09/0320, und vom , Zl. 2008/09/0005). Der Einschätzung der belangten Behörde, dass dieser Unrechtsgehalt und auch das dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Verschulden nicht als unerheblich zu werten sind, und dass daher ein Absehen von der Verhängung einer Strafe im Sinne des § 115 BDG 1979 "ohne Verletzung dienstlicher Interessen" nicht möglich war, kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Wenn der Beschwerdeführer meint, es wäre angesichts einer für ihn mit ausgezeichnet abgegebenen Leistungsfeststellung "mit Ausschluss jedes Zweifels davon auszugehen" gewesen, dass eine Strafnotwendigkeit nicht gegeben gewesen sei, so stehen dieser Beurteilung bei gegebenem disziplinären Überhang doch die von der belangten Behörde nicht zu Unrecht angeführten Straftaten im Sinne des § 302 StGB entgegen, wegen deren Begehung der Beschwerdeführer rechtskräftig für schuldig erkannt worden ist.

Zwar ist ein Mangel des angefochtenen Bescheides durchaus darin zu erblicken, dass die belangte Behörde das Monatseinkommen des Beschwerdeführers als Ausgangspunkt ihrer Strafbemessung nicht genau angegeben hat. Dieser Mangel erweist sich jedoch letztlich nicht als relevant, weil die gesetzliche Höchstgrenze von fünf Monatsbezügen nicht überschritten, sondern die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Strafbemessung unbestritten im unteren Bereich des Strafrahmens des § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 angesetzt wurde. Auch durften die drei übrigen Delikte, wegen welcher der Beschwerdeführer vom Strafgericht für schuldig erkannt worden ist, als erschwerend gewertet werden, sodass die Strafzumessung im Ergebnis nicht als rechtswidrig erachtet werden kann.

Aus diesen Gründen ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wäre, weshalb die Beschwerde gemäß § 41 Abs. 1 BDG 1979 als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am