Suchen Hilfe
VwGH vom 05.09.2013, 2013/09/0060

VwGH vom 05.09.2013, 2013/09/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des ADir. M Ha in W, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 16/8, gegen den Bescheid des Zentralwahlausschusses beim Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport vom , Zl. 447/ZWA/2013, betreffend Mandatsaberkennung nach dem Bundes-Personalvertretungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Landesverteidigung und Sport), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist zum Mitglied des Dienststellenausschusses (DA) KE (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof), des Fachausschusses KE und des Zentralausschusses des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) gewählt.

Im Bereich des DA H dieses Ressorts war die Planstelle Abteilungsleiter/in zu besetzen, um die sich drei Personen (Dr. B, Dr. K und Dr. R-H) beworben hatten. Der DA H beschloss in seiner Sitzung vom im Besetzungsverfahren eine schriftliche "Stellungnahme zum Ermittlungsverfahren (…) Gegenantrag" abzugeben, die er in der Folge dem Zentralausschuss, der Gleichbehandlungsbeauftragten und deren Stellvertreterin, der Personalabteilung und der Präsidialabteilung des BMLVS sowie dem Leiter der Dienststelle H übermittelte.

Der Beschwerdeführer, dem das Schreiben als Mitglied des Zentralausschusses zugekommen war, leitete eine Kopie dieses Schreibens an den Bewerber Dr. K weiter.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 2 und 4 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) die Mandate zum Zentralausschuss, zum Fachausschuss und zum Dienststellenausschuss für die laufende Periode entzogen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass sich der (im angefochtenen Bescheid eingangs als "BF" (Beschwerdeführer) bezeichnete) DA H mit Schreiben vom bei der belangten Behörde über den Beschwerdeführer beschwert und die "Einleitung eines entsprechenden Verfahrens" begehrt habe, weil dieser das "Beratungsprotokoll" (richtig und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unstrittig: das oben näher bezeichnete Schreiben) des DA H vom einem Dritten, nämlich Dr. K, weitergegeben habe. Dieses habe die Vor- und Nachteile der Bewerberin Dr. R-H sowie der Bewerber Dr. K und Dr. B behandelt und ein vertrauliches Gespräch zwischen dem DA H (gemeint wohl: dem Vorsitzenden des DA H - Dr. R) und dem Bewerber Dr. B enthalten, der die Rücknahme seiner Bewerbung um den Arbeitsplatz angeboten habe, wenn Dr. R-H den Arbeitsplatz bekäme und er ihr Stellvertreter werden könne. Die Weitergabe habe zur Folge gehabt, dass der Bewerber Dr. B den (gemeint wohl: Vorsitzenden des) DA H zur Rechenschaft gezogen und Dr. K Beschwerde bei der Personalvertretungs-Aufsichtskommission gegen den Beschluss des DA H eingebracht habe.

Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung des Beratungsgeheimnisses nach § 26 Abs. 2 PVG bestritten und die Weitergabe des "Beratungsprotokolls" mit seiner Informationspflicht als Personalvertreter gerechtfertigt, die auch die Möglichkeit einschließe, eine Stellungnahme eines Bewerbers zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen einzuholen. Jedenfalls seien nur die Beschwerten, nicht jedoch das Personalvertretungsorgan beschwerdelegitimiert.

Rechtlich bejahte die belangte Behörde einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht wegen der Vertraulichkeit des Gesprächs zwischen dem (Vorsitzenden des) DA H und Dr. B über die Besetzungsvarianten des Arbeitsplatzes. Da sich auch Dr. B um den Arbeitsplatz beworben und in diesem Gespräch in Aussicht gestellt habe, seine Bewerbung zurückzuziehen, wenn Dr. R-H den Arbeitsplatz bekäme und er ihr Stellvertreter werden könne, hätte sich dieser Gesprächsinhalt in den Händen von Dr. K hinderlich auf das Arbeitsverhältnis zwischen Dr. K und Dr. B auswirken können, wäre Dr. K sein Chef geworden.

Die Verschwiegenheitspflicht treffe aber auch auf das "Beratungsprotokoll" selbst zu, könne eine Debatte kontroversieller Angelegenheiten doch nur stattfinden, wenn die Ausschussmitglieder sich frei und unbefangen äußern könnten und nicht befürchten müssten, dass der Inhalt und die Art der Vertretung eines Standpunktes nach außen gelange. Aus § 26 Abs. 2 PVG und § 16 Abs. 4 Personalvertretungs- Geschäftsordnung, wonach nur Mitgliedern des Personalvertretungsausschusses Einsicht in das Protokoll über eine Ausschusssitzung zu gewähren und die Protokolle vom Schriftführer aufzubewahren seien, sei nämlich zu schließen, dass auch eine Geheimhaltungspflicht für interne Vorgänge eines Personalvertretungsorgans bestehe. Die Weitergabe des gesamten "Beratungsprotokolls" sei daher ein krasser Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht, durch den auch das Vertrauen der Bediensteten in das Personalvertretungsorgan schwer in Mitleidenschaft gezogen werde.

Der Einwand, dass auch der DA H das Beratungsprotokoll an fünf Personen verschickt und deshalb keine Verschwiegenheitsverletzung mehr vorgelegen habe, gehe ins Leere, weil die Adressaten Leiter von Dienststellen seien, die im weitesten Sinne mit der Besetzung des in Rede stehenden Arbeitsplatzes befasst seien und selbst der Verschwiegenheitspflicht unterlägen.

Zur Antragslegitimation führte die belangte Behörde aus:

"§ 26 Abs. 4 PVG enthält keine Regelung darüber, ob (die belangte Behörde) von Amts wegen oder nur über Antrag (Beschwerde) ein Verfahren einleiten darf.

Nach Schragel ist nur der Verletzte beschwerdeberechtigt, nicht aber das PVO (Personalvertretungsorgan), weil die Führung der Geschäfte eines PVO nicht darin bestehen kann, eigene Mitglieder eliminieren zu wollen und damit einen Schritt zu setzen, der immer nur der Mehrheit gegen die Minderheit möglich wäre (PVAK , A24/87, K - P Nr. 338). Das schließt aber nicht aus, dass sich ein einzelner Personalvertreter gegen ein anderes Ausschussmitglied beschwert, das zum Nachteil des Beschwerdeführers das Beratungsgeheimnis verletzt hat. Die PVAK hat auch mehrfach anerkannt, dass ein PVO in seinen Rechten im Sinne des § 41 Abs. 1 PVG verletzt sein kann.

Immer handelt es sich aber um ein Vorgehen gegen ein anderes PVO, gegen das das antragstellende Organ geschlossen, wenn auch allenfalls aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses, auftreten kann.

Im konkreten Fall hat kein Mitglied des (DA H) die Verschwiegenheit gröblich verletzt, sondern ein Mitglied des (Zentralausschusses BMLVS), weshalb die Beschwerde des BF gegen das Mitglied des (Zentralausschusses BMLVS) wohl zulässig ist."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des PVG (BGBl. Nr. 133/1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2012) lauten:

" Ruhen und Erlöschen der Mitgliedschaft zum Dienststellen(Fach-, Zentral)ausschuss

§ 21. (1) …

(3) Die Mitgliedschaft zum Dienststellen(Fach-, Zentral)ausschuss erlischt:

a) …

f) durch Mandatsaberkennung gemäß § 26 Abs. 4.

(6) Über das Ruhen oder Erlöschen der Mitgliedschaft zum Dienststellen(Fach-, Zentral)ausschuss entscheidet im Streitfalle der Zentralwahlausschuss auf Antrag der betroffenen Personalvertreterin oder des betroffenen Personalvertreters oder des Ausschusses, dem diese Personalvertreterin oder dieser Personalvertreter angehört. Kommt ein Antrag dieses Ausschusses nicht zustande, so ist jedes Mitglied dieses Ausschusses berechtigt, den Antrag an den Zentralwahlausschuss zu stellen. Auf das einzuleitende Verfahren ist das AVG anzuwenden. Die Entscheidung des Zentralwahlausschusses kann durch kein ordentliches Rechtsmittel angefochten werden.

§ 26. (1) Die Personalvertreterinnen oder Personalvertreter, die Mitglieder der Wahlausschüsse und die nach § 22 Abs. 6 beigezogenen Bediensteten haben über alle ihnen ausschließlich in Ausübung ihres Amtes bekanntgewordenen Dienst- und Betriebsgeheimnisse, insbesondere über die ihnen als geheim bezeichneten Angelegenheiten, technischen Einrichtungen, Verfahren und Eigentümlichkeiten des Betriebes, strengste Verschwiegenheit zu beobachten.

(2) Die in Abs. 1 genannten Bediensteten sind außerdem zur Verschwiegenheit über alle ihnen von einzelnen Bediensteten gemachten Mitteilungen verpflichtet, die der Sache nach oder auf Wunsch der oder des Bediensteten vertraulich zu behandeln sind.

(4) Der Personalvertreterin oder dem Personalvertreter, der die ihr oder ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht verletzt, kann der zuständige Zentralwahlausschuss sein Mandat aberkennen. Erfolgt die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach dem Erlöschen der Mitgliedschaft zum Dienststellen(Fach-, Zentral)ausschuss, so kann der Zentralwahlausschuss, der für die Personalvertreterin oder den Personalvertreter zuletzt zuständig war, verfügen, dass die oder der Bedienstete für eine bestimmte Zeit oder für immer als Personalvertreterin oder Personalvertreter nicht wählbar ist. Auf das Verfahren vor dem Zentralwahlausschuss ist das AVG anzuwenden. Die Verfügung des Zentralwahlausschusses kann durch kein ordentliches Rechtsmittel angefochten werden.

…"

Vorweg ist abermals festzuhalten, dass der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einräumt - entgegen der durchgehend anderslautenden Bezeichnung im angefochtenen Bescheid kein Beratungsprotokoll des DA H weitergab, sondern das als "Stellungnahme zum Ermittlungsverfahren" betitelte Schreiben des DA H vom .

Weiters ist am angefochtenen Bescheid bereits an dieser Stelle zu kritisieren, dass sich diesem nicht mit Sicherheit entnehmen lässt, wen die belangte Behörde nun als Antragsteller (Beschwerdeführer) in ihrem Verfahren ansah. Wurde eingangs des angefochtenen Bescheides ausdrücklich der DA H als Beschwerdeführer bezeichnet, klingt im weiteren Inhalt des angefochtenen Bescheides und dem Inhalt des Verwaltungsakts an, dass offenbar der Vorsitzende des DA H (Dr. R) persönlich als Beschwerdeführer angesehen wurde. Dies kann im vorliegenden Fall aber aus nachstehenden Gründen auf sich beruhen:

Die Verpflichtung der Personalvertreter zur Verschwiegenheit regelt das PVG - wie dargestellt - (nur) in seinem § 26. Diese Bestimmung behandelt zwei Fälle. Abs. 1 betrifft die einem Personalvertreter in Ausübung seines Amtes bekannt gewordenen "Dienst- und Betriebsgeheimnisse", während Abs. 2 die Verschwiegenheitspflicht betrifft, die sich auf Mitteilungen einzelner Bediensteter an den Personalvertreter bezieht. Mit einer derartigen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 26 Abs. 2 PVG durch den Beschwerdeführer begründet die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid.

Als Sanktion für eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des § 26 Abs. 2 PVG durch einen Personalvertreter sieht das PVG vor, dass der zuständige Zentralwahlausschuss diesem Personalvertreter sein Mandat (durch Bescheid) aberkennen kann.

§ 26 Abs. 4 PVG enthält keine Regelung darüber, ob der zuständige Zentralwahlausschuss von Amts wegen oder nur über Antrag zu entscheiden hat und wer antragsberechtigt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof erkannte dazu in seiner Judikatur (siehe das Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0052) ausgehend von § 21 Abs. 3 lit. f PVG - weil auch die Mandatsaberkennung einen Fall des Erlöschens der Mitgliedschaft zum Dienststellen(Fach-, Zentral)ausschuss darstelle - bislang, dass § 21 Abs. 6 PVG als abschließende Regelung der Antragsberechtigung für das Verfahren über Ruhen oder Erlöschen einer Mitgliedschaft zu einem der genannten Ausschüsse anzusehen sei.

Da der Beschwerdeführer nicht Mitglied des DA H ist, gehörte der von der belangten Behörde bezeichnete Antragsteller DA H, noch dessen Vorsitzender dem in § 21 Abs. 6 PVG als antragsberechtigt umschriebenen Personenkreis an.

Selbst wenn man bei einer Verletzung der Vertraulichkeitsverpflichtung - der Rechtsprechung der Personalvertretungs-Aufsichtskommission (, A-24- PVAK/87, und , A 19-PVAK/95; vgl. auch Schragel , PVG § 26 Rz 13) folgend - auch der betroffenen Einzelperson, deren Vertrauen durch den Personalvertreter verletzt wurde, ein Antragsrecht einräumen wollte, käme man hier - anders als die belangte Behörde meint - zu keinem anderen Ergebnis. Auch nach dieser Ansicht kann ein Personalvertretungsorgan in seiner privaten Sphäre jedenfalls nicht verletzt sein. Dritten ist eine Beschwerdelegitimation keinesfalls zuzuerkennen; auch nicht einem Personalvertretungsorgan wegen Verletzung des Beratungsgeheimnisses (vgl. Schragel , aaO).

Da die belangte Behörde somit über den Antrag einer zur Antragstellung jedenfalls nicht berechtigten Person inhaltlich entschieden hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-82498