VwGH vom 31.03.2020, Ra 2019/09/0155
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Horn in 3580 Horn, Pragerstraße 32, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W209 2220906-1/5E, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Saisonbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. A B und 2. C B, beide in D), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen
Begründung
1 Die Mitbeteiligten beantragten am eine Beschäftigungsbewilligung (Saisonbewilligung) gemäß § 5 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für einen näher bezeichneten bosnischen Staatsangehörigen für die Tätigkeit "Allgemeine Hilfstätigkeiten in der Landwirtschaft - überwiegend Waldarbeit" für die Höchstdauer von sechs Monaten.
2 Mit Bescheid vom wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (AMS) diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG mit der Begründung ab, dass es sich bei den geplanten Waldarbeiten nicht um vorübergehende zusätzliche Mehrarbeiten im Sinne von § 5 Abs. 1 AuslBG handle. 3 Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde behob das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass der Begriff "befristete Saisonbeschäftigung" iSd § 5 Abs. 3 erster Satz AuslBG im Sinne der Richtlinie 2014/36/EU auszulegen sei. Die gegenständlichen Arbeiten seien als saisonabhängige Tätigkeiten iSd Art. 3 Buchstabe c der Richtlinie zu qualifizieren, da sich die auf Grund eines Borkenkäferbefalls erforderlichen Waldarbeiten auf die warme Jahreszeit konzentrieren würden. Dem Einwand des AMS der Nichtanwendbarkeit der Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern im Tourismus und in der Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2019, BGBl. II Nr. 100/2019, wegen vorwiegend privaten Interesses der Mitbeteiligten an den Waldarbeiten hielt es entgegen, dass das AMS selbst eingeräumt habe, dass die Mitbeteiligten laut Auskunft der Versicherungsanstalt der Bauern (zumindest für einen Teil das Waldes) als Betriebsführer iSd BSVG gelten würden, weswegen die Arbeiten zweifelsfrei als mit einer (betriebs-)wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehend zu werten seien; überdies hätten die Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren eine "Klassifikations-Mitteilung ÖNACE 2008" der Statistik Austria vorgelegt, welche die Zugehörigkeit ihres Unternehmens zum Wirtschaftszweig Forstwirtschaft attestiere.
5 Die belangte Behörde habe - so das Verwaltungsgericht weiter - damit in Verkennung der Rechtslage angenommen, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht von der Kontingentverordnung erfasst sei und den Antrag - trotz im Entscheidungszeitpunkt noch vorhandenen Kontingentplätzen - ohne Arbeitsmarktprüfung abgewiesen. Durch die Unterlassung eines erforderlichen Ersatzkräfteverfahrens durch die Verwaltungsbehörde stehe der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach wie vor nicht fest, weshalb die Angelegenheit auf Grund dieser Verfahrensmängel an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen sei (dazu Hinweis auf , und , Ra 2015/09/0088). 6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision der belangten Behörde.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Amtsrevisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, dass eine Subsumierung der beantragten Tätigkeit unter die befristete Beschäftigung im Wirtschaftszweig der Land- und Forstwirtschaft laut der oben genannten Verordnung BGBl. II Nr. 100/2019 nicht erfolgen dürfe, und moniert das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sachlichen Anwendungsbereich der gegenständlichen Kontingentverordnung, insbesondere unter Berücksichtigung der Richtlinie 2014/36/EU. Die Revision erweist sich mit diesem Vorbringen als zulässig, aber nicht als begründet:
9 In der Richtlinie 2014/36/EU über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer heißt es (auszugsweise):
"Artikel 1
Gegenstand
(1) Diese Richtlinie legt die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zum Zwecke einer Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer und die Rechte von Saisonarbeitnehmern fest.
(2) ...
Artikel 2
Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie findet auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die ihren Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten haben und zum Zwecke der Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer gemäß dieser Richtlinie eine Zulassung für das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beantragen oder diese Zulassung erhalten haben. ...
Artikel 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) ...
c) 'saisonabhängige Tätigkeit' eine Tätigkeit, die aufgrund
eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer
immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine
Jahreszeit gebunden ist, während der der Bedarf an Arbeitskräften
den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf
in erheblichem Maße übersteigt"
10 § 5 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), in der
maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 66/2017, lautet (auszugsweise)
wie folgt:
"Saisonarbeitskräfte und ErntehelferInnen
§ 5. (1) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz kann im Falle eines vorübergehenden zusätzlichen
Arbeitskräftebedarfs, der weder aus dem im Inland verfügbaren
Arbeitskräftepotenzial noch mit EWR-BürgerInnen, SchweizerInnen
und gemäß Abs. 7 registrierten AusländerInnen abgedeckt werden
kann, durch Verordnung zahlenmäßige Kontingente
1. für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer
Saisonarbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer
bestimmten Berufsgruppe oder Region oder
2. für die kurzfristige Zulassung ausländischer
ErntehelferInnen
festlegen. Er hat dabei die allgemeine Lage und Entwicklung
des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt,
zu berücksichtigen und darf die gemäß § 13 Abs. 4 Z 1 NAG
festgelegte Höchstzahl für befristet beschäftigte Fremde im
Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Zeitlich begrenzte
Überschreitungen sind zulässig.
(2) ...
(3) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 werden Saisonarbeitskräfte mittels Beschäftigungsbewilligungen (§ 4) für eine befristete Saisonbeschäftigung zugelassen. Die zulässige Höchstdauer der Beschäftigungsbewilligungen wird in der jeweiligen Verordnung geregelt, darf jedoch die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten dürfen für ein und dieselbe Saisonarbeitskraft Beschäftigungsbewilligungen
für eine Gesamtdauer von längstens neun Monaten erteilt oder verlängert werden.
(4) ...
(6) Im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 3 bis 5 erteilte oder verlängerte Beschäftigungsbewilligungen binden für ihre jeweilige Geltungsdauer einen Kontingentplatz. Nach Ablauf der Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligung kann der Kontingentplatz mit einer neuen Beschäftigungsbewilligung belegt werden. Für Saisonarbeitskräfte, die bereits im Rahmen eines Kontingents bewilligt beschäftigt sind, dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen bis zur zulässigen Höchstdauer nach Maßgabe der Abs. 3 bis 5 ungeachtet eines freien Kontingentplatzes erteilt werden. Saisonarbeitskräfte, die bereits zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind oder mindestens einmal in den vorangegangenen fünf Jahren als Saisonarbeitskraft oder ErntehelferIn im Rahmen eines Kontingents gemäß Abs. 1 Z 1 oder 2 beschäftigt waren, sind bevorzugt zu bewilligen.
(7) ..."
11 Auf Grundlage des § 5 Abs. 1 Z 1 und 2 AuslBG wurde für das Jahr 2019 die Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz für die befristete Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern im Tourismus und in der Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 100/2019, erlassen. Darin wird in § 2 für den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft ein (Gesamt-)Kontingent in der Höhe von 2.727 für die befristete Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften und eine nähere Aufschlüsselung zu den einzelnen Bundesländern festgelegt.
12 Bei einem Waldbesitz ist eine forstwirtschaftliche Tätigkeit auch dann anzunehmen, wenn sie zeitweise kaum in Erscheinung tritt, weil sich die Tätigkeit in dem - naturgemäß längeren - Zeitraum zwischen Saat (Aufforstung) und Ernte (Schlägerung) im Wesentlichen auf eine Betreuung des Wuchses und die Einhaltung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen beschränken muss (vgl. ).
13 Eine Beschäftigungsbewilligung für eine Saisonarbeitskraft kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur jenem Arbeitgeber erteilt werden, der diesem Wirtschaftszweig angehört ().
14 Gegenständlich ist davon auszugehen, dass die Mitbeteiligten diesem Wirtschaftszweig angehören, da das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft auch dann angenommen werden muss, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hierbei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. ).
15 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die ausländische Arbeitskraft zur Bekämpfung des Borkenkäferbefalles eingesetzt werden sollte, zumal - wie aus dem Akteninhalt ersichtlich - die Mitbeteiligten von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft mit Schreiben vom aufgrund festgestellter massiver Borkenkäferschäden auf ihren Grundstücken (wie bereits im Vorjahr 2018) mit bekämpfungstechnischen Behandlungsmaßnahmen an den befallenen und gefährdeten Holzgewächsen beauftragt wurden; nach einem weiteren Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom sei aufgrund der damaligen Witterungssituation und dem massiven Borkenkäferbefall in der Region mit weiteren notwendigen Aufarbeitungs- und damit verbundenen Waldarbeiten bis Ende Oktober 2019 zu rechnen gewesen. 16 Die gegenständlichen Waldarbeiten zur Bekämpfung des Borkenkäferbefalles stellen Tätigkeiten dar, die vorübergehend und witterungsbedingt geeigneter Weise während der warmen Jahreszeit zu setzen sind, um den entstandenen Schaden schnellstmöglich zu beseitigen bzw. so gering als möglich zu halten. Es ist davon auszugehen, dass sie zusätzlich zu den gewöhnlichen forstwirtschaftlichen Tätigkeiten im Rahmen der Waldpflege anfallen, zumal die Amtsrevisionswerberin im Verfahren auch selbst einräumte, dass dadurch eine "Waldpflege in außerordentlichem Ausmaß" vorläge.
17 Vor diesem Hintergrund begegnet es keine Bedenken, wenn das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Amtsrevisionswerberin die beantragten Tätigkeiten in Anwendung von Art. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2014/36/EU als saisonabhängige Tätigkeiten innerhalb einer Jahreszeit wertete, während der der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt, und gemäß § 5 Abs. 1 und 3 AuslBG von der Kontingentverordnung BGBl. II Nr. 100/2019 umfasst sieht. Ausgehend von der unbestrittenen Sachlage (Unterlassung einer Arbeitsmarktprüfung trotz vorhandener Kontingentplätze durch die Amtsrevisionswerberin) zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes konnte dieses zu Recht von einer Entscheidung in der Sache absehen und mit einer Zurückverweisung an die Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG vorgehen.
18 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090155.L00 |
Schlagworte: | Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 |
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