VwGH vom 05.07.2011, 2008/21/0034

VwGH vom 05.07.2011, 2008/21/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-06-0117, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger aus der Volksgruppe der Roma, reiste am unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich ein und beantragte die Gewährung von internationalem Schutz. Am selben Tag wurde über ihn von der Bezirkshauptmannschaft Baden gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005 und der Abschiebung verhängt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat mit mündlich verkündetem Bescheid vom statt, indem er dem Beschwerdeführer gemäß § 3 AsylG 2005 Asyl gewährte.

Am wurde er aus der Schubhaft entlassen.

Mit einer am eingebrachten Beschwerde gemäß § 82 FPG beantragte er die Feststellung, dass seine Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum vom bis zum rechtswidrig war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß §§ 81 und 83 FPG in Verbindung mit § 22 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (in der Stammfassung) kostenpflichtig ab.

Begründend führte sie unter Hinweis auf § 80 Abs. 5 letzter Satz FPG aus, es sei gesetzlich vorgesehen, dass eine Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates keine ex lege die Schubhaft beendende Wirkung habe. Vielmehr bedürfe es dazu, wie nach § 81 Abs. 1 FPG vorgesehen, eines contrarius actus durch die Fremdenpolizeibehörde.

Da § 27 Abs. 7 AsylG 2005 eine Verständigungspflicht der Behörde an die zuständige Fremdenpolizeibehörde über die Einleitung oder Einstellung eines Ausweisungsverfahrens vorsehe, sei davon auszugehen, dass ein Tätigwerden der Fremdenpolizeibehörde im Sinne des § 81 Abs. 1 FPG erst dann vorauszusetzen und zu verlangen sei, wenn ihr die Mitteilung nach § 27 Abs. 7 AsylG 2005 zugekommen sei.

Dem fremdenpolizeilichen Akt sei zu entnehmen, dass der zuständigen Fremdenpolizeibehörde am vom Polizeianhaltezentrum die Verhandlungsschrift des unabhängigen Bundesasylsenates, aus welcher auch eine Bescheidverkündung nachzuvollziehen sei, per Fax - eingegangen um 15:38 Uhr - übermittelt worden sei. Die Verhandlungsschrift weise "augenscheinlich" keine Unterschriftsleistungen auf. Im fremdenpolizeilichen Akt befinde sich weiters ein Telefax des unabhängigen Bundesasylsenates vom , 10:40 Uhr, welches unterfertigt sei und welchem zu entnehmen sei, dass der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und ihm gemäß § 3 AsylG 2005 Asyl gewährt worden sei. Wenn auch im gegenständlichen Fall wegen der Übermittlung der nicht unterfertigten Verhandlungsschrift des unabhängigen Bundesasylsenates Indizien dafür vorgelegen seien, dass der Grund der Schubhaft bereits am weggefallen sei, sei der Fremdenpolizeibehörde eine "Verifizierung dieser Indizien zuzugestehen", sodass die über diesen Zeitpunkt hinaus erfolgte - kurze - weitere Anhaltung in Schubhaft durch das Gesetz Deckung finde.

Im Hinblick darauf, dass der Fremdenpolizeibehörde erstmalig am in gesetzeskonformer Weise eine entsprechende (auch unterfertigte) Mitteilung seitens der Asylbehörde zugekommen sei, erweise sich die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum vom bis zum als rechtmäßig, zumal der Beschwerdeführer unverzüglich nach Einlangen dieser Mitteilung aus der Schubhaft entlassen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der sie nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 280/07-7, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Schubhaft wurde im Beschwerdefall auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt. Gegen ihre Rechtmäßigkeit bis zur Asylgewährung mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom hatte sich die Administrativbeschwerde nicht gerichtet. Als Gegenstand des angefochtenen Bescheides und der vorliegenden Beschwerde ist daher - ungeachtet dessen, dass der Beginn des erfassten Zeitraums undifferenziert mit "24. Oktober" angegeben wird - nur die Anhaltung in Schubhaft ab der Bescheidverkündung durch den unabhängigen Bundesasylsenat kurz vor 13:50 Uhr (Schluss der mündlichen Verhandlung) anzusehen. Nach diesem Zeitpunkt seien, so das Beschwerdevorbringen, die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG weggefallen.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht:

Sobald einem Fremden Asyl gewährt wird, ist keiner der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG mehr erfüllt und die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder der Abschiebung folglich nicht gerechtfertigt (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0389, mwH). Das Vorliegen eines dieser Tatbestände nach der Gewährung von Asyl an den Beschwerdeführer am Nachmittag des wird auch von der belangten Behörde nicht behauptet. Sie geht allerdings, wie oben wiedergegeben, davon aus, dass die Schubhaft dennoch so lange aufrecht erhalten werden durfte, bis die Fremdenpolizeibehörde die formelle Mitteilung der Asylbehörde über die ergangene Entscheidung erhielt. Dafür findet sich jedoch entgegen der Ansicht der belangten Behörde im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr ist die Schubhaft - formlos durch Freilassung des Fremden - aufzuheben, sobald der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist (vgl. § 81 Abs. 1 Z 1 iVm § 80 Abs. 2 FPG). Wird die Schubhaft - sei es auch, weil die Fremdenpolizeibehörde vom unabhängigen Bundesasylsenat nicht unverzüglich von der Asylgewährung an den Beschwerdeführer verständigt wurde - über den demnach maßgeblichen Zeitpunkt des Wegfalls ihrer Grundlage hinaus aufrecht erhalten, so erweist sie sich insoweit als rechtswidrig.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am