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VwGH vom 21.04.2011, 2011/01/0098

VwGH vom 21.04.2011, 2011/01/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Hofrat Dr. Blaschek und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des EV in S, geboren 1979, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 256.441/0/13E-V/13/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Spruchpunkte B. und C. des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, auf Grund der unsicheren Lage nach dem Sprengstoffanschlag auf den Präsidentenpalast Ende 2002/Anfang 2003 kurzzeitig in die Ukraine ausgereist, Anfang Februar 2003 aber wieder nach Tschetschenien zurückgekehrt zu sein. Dort habe er dann als Techniker in einem Theater gearbeitet. Wenige Tage nach seiner Rückkehr hätten ihn Männer in Militäruniformen, vermutlich die "Föderalen", aufgesucht und mitnehmen wollen. Ihm sei vorgeworfen worden, "warum" er in die Ukraine gefahren sei. Da sich das gesamte Theaterensemble für ihn eingesetzt habe, hätten ihn die Männer dann doch nicht mitgenommen. Ansonsten hätte es mehrere kleinere Vorfälle bzw. Kontrollen gegeben, die sein Vater mit Geld habe lösen können.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt A.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz fest, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt B.), und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin aus (Spruchpunkt C.). Die belangte Behörde erachtete das vom Beschwerdeführer erstattete Fluchtvorbringen mit näherer Begründung als unglaubwürdig. Zur Zulässigkeit des Refoulements verwies sie auf die dem Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung am vorgehaltenen Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und führte aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, das Fehlen einer Lebensgrundlage zu bescheinigen und er nicht aufgezeigt habe, dass ihm im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat irgendeine Gefährdung drohe. Auch das von Amts wegen durchgeführte Ermittlungsverfahren habe "keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefährdungssituation im Sinne des § 57 FrG" ergeben. Zur Ausweisungsentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers nach wie vor in seinem Heimatland wohnhaft seien und sein Vater "aufgrund dessen gesellschaftlich angesehenen beruflichen Stellung offenkundig über genügend Macht, Geld und Einfluss" verfüge, um "effektiv Schwierigkeiten aller Art von seiner Familie fernhalten zu können".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zu I.:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zlen. 2007/20/0860 bis 0865, mwN).

Die von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen beruhen weitgehend auf einem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien). In seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/23/0976, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass mit dieser - dort auszugsweise wiedergegebenen - Berichtslage die Zulässigkeit des Refoulements nach Tschetschenien nicht nachvollziehbar begründet werden kann; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Auch im vorliegenden Fall ist die Einschätzung der belangten Behörde, es hätten sich "keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefährdungssituation im Sinne des § 57 FrG" ergeben, aus den Länderfeststellungen nicht ableitbar.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit das Refoulement des Beschwerdeführers hinsichtlich der Russischen Föderation für zulässig erklärt und - darauf aufbauend - der Beschwerdeführer dorthin ausgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - abgesehen von dem unter Punkt I. der Erwägungen angesprochenen Themenkomplex - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-82461