VwGH vom 28.04.2011, 2011/01/0094
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2011/01/0095
2011/01/0097
2011/01/0096
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel, sowie die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser und Dr. Hofbauer und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerden der beschwerdeführenden Parteien 1. ST auch T, geboren 1983, 2. M auch MT auch T, geboren 2004, 3. AT, geboren 2005, und 4. IT, geboren 1985, alle in H und vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates 1. vom , Zl. 252.312/6E-XIV/39/04 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/01/0094),
2. vom , Zl. 252.310/2E-XIV/39/04 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/01/0095), 3. vom , Zl. 268.906/1E-XIV/39/06 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/01/0096), und
4. vom , Zl. 252.311/4E-XIV/39/04 (protokolliert zur hg. Zl. 2011/01/0097), betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (ad 1. bis 3.) sowie §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (ad 4.; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die erst- und zweitangefochtenen Bescheide werden jeweils im Umfang ihres Spruchpunktes II. (Ausweisung der Erst- und Zweitbeschwerdeführer) und der drittangefochtene Bescheid insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung der Drittbeschwerdeführerin) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 3.319,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.
Ein Aufwandersatz im Verfahren der Viertbeschwerdeführerin findet nicht statt.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Viertbeschwerdeführerin, die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien sind deren minderjährige Kinder. Sie sind Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.
Am beantragten der Erstbeschwerdeführer Asyl und die Viertbeschwerdeführerin Asyl durch Erstreckung des ihrem Ehemann zu gewährenden Asyls. Für den Zweitbeschwerdeführer wurde am und für die Drittbeschwerdeführerin am ein Asylantrag gestellt.
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Asylanträge der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus; der Asylerstreckungsantrag der Viertbeschwerdeführerin wurde gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen, eine Ausweisung jedoch nicht ausgesprochen.
Über die gegen diese Bescheide erhobenen - wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Zu I.:
Bei den in den erst- bis drittangefochtenen Bescheiden jeweils verfügten Ausweisungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Auf Grund der asylrechtlichen Ausweisung erscheint es möglich, dass die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien das Bundesgebiet ohne ihre Ehefrau bzw. Mutter zu verlassen haben. Die Ausweisung stellt somit einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien mit ihrer Ehefrau bzw. Mutter dar, welcher einer Rechtfertigung bedürfte. Für diesen Eingriff ist keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, zumal die belangte Behörde auch nicht dargelegt hat, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien Österreich vor einer allfälligen Entscheidung der Fremdenbehörden über die Ausweisung ihrer Ehefrau bzw. Mutter verlassen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/19/0851, und vom , Zlen. 2008/19/0777 bis 0781).
Die erst- bis drittangefochtenen Bescheide waren daher insoweit, als damit jeweils die Ausweisung der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerden werfen - abgesehen von dem unter Punkt I. der Erwägungen angesprochenen Themenkomplex - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden im Übrigen abzulehnen.
Den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof hat die Viertbeschwerdeführerin in diesem Fall selbst zu tragen (§ 58 Abs. 1 VwGG).
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-82457