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VwGH vom 20.10.2020, Ra 2019/09/0151

VwGH vom 20.10.2020, Ra 2019/09/0151

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.36-1936/2018-76, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 sowie § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit zwei elektronischen Glücksspielgeräten („All-in-One-PCs“) mit den von den Kontrollorganen angebrachten Kennzeichnungen Nr. 1 und 2 sowie einer „Bon-Box“ mit der Kennzeichnung Nr. 3, die dazu gedient habe, wahlweise an den elektronischen Glücksspielgeräten Nr. 1 und 2 Spielguthaben herzustellen und allfällige Gewinne auszuzahlen, für schuldig erkannt, weil die von ihm vertretene Gesellschaft „zumindest seit bis zum Kontrolltag am “ gegen Entgelt die Veranstaltung verbotener Ausspielungen in ihrem Lokal geduldet habe. Über ihn wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 2 000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen) verhängt.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Tatzeitraum auf „, ca. 18.17 Uhr“ eingeschränkt (Spruchpunkt II.), ausgesprochen, dass ein Spruchbestandteil des behördlichen Straferkenntnisses („3. Externes Kassensystem mit der Gehäusebezeichnung Bon Box ...“) zu entfallen habe (Spruchpunkt III.) und der Revisionswerber zu einem Kostenbeitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 800 Euro verpflichtet (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt V.).

3Das Verwaltungsgericht traf - unter anderem - folgende Sachverhaltsfeststellungen: Am hätten im gegenständlichen Lokal zwei Mitarbeiter des Finanzministeriums - Herr F. und Herr M. - eine Spielerin beim Spielen von virtuellen Walzenspielen auf einem Bildschirm-PC beobachtet und davon Lichtbilder angefertigt. Vom Eingang aus links sei eine weibliche Person am linken Bildschirm-PC gesessen und habe um ca. 18:17 Uhr ein virtuelles Walzenspiel gespielt. Dieses sei nicht in der „Demo-Version“ auf der Seite www.[...].at, sondern auf der Seite www.[...].com gespielt worden. Zumindest an diesem Tag sei der Aufruf der zuletzt genannten Seite möglich gewesen. Bei der nachfolgenden behördlichen Kontrolle am seien die Bildschirme von rechts nach links mit den Zahlen 1 und 2 nummeriert worden.

4Beweiswürdigend ging das Verwaltungsgericht diesbezüglich davon aus, dass die Wahrnehmungen der Zeugen F. und M. - der Mitarbeiter des Finanzministeriums - am sowie das (an diesem Tag) erstellte Lichtbild belegen würden, dass die Seite www.[...].com nicht gesperrt gewesen sei und nicht die „Demo-Version“ des Spiels auf dieser Seite gespielt worden sei. Dies zeige auch der Vergleich mit einem am in einem anderen Lokal erstellten Lichtbild, das eine „Demo-Version“ zeige.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

7Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8Die Revision erweist sich schon mit ihrem Vorbringen, die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes könnten den Schuldspruch hinsichtlich „des rechten Bildschirm-PC“ (mit der Kennzeichnung Nr. 1) nicht tragen, sodass insoweit ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vorliege, als zulässig und begründet:

9Das Verwaltungsgericht hat durch die Abweisung der Beschwerde den Schuldspruch des behördlichen Straferkenntnisses, wonach mit zwei elektronischen Glücksspielgeräten („All-in-One-PCs“) mit den von den Kontrollorganen angebrachten Kennzeichnungen Nr. 1 und 2 verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien, übernommen (Spruchpunkt I.) und den Tatzeitraum auf den , ca. 18.17 Uhr, eingeschränkt (Spruchpunkt II.).

10Hinsichtlich dieses Tatzeitpunktes wurden allerdings keine Feststellungen zum „rechten Bildschirm-PC“ mit der Kennzeichnung Nr. 1 getroffen. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Beobachtung einer Spielerin am um ca. 18.17 Uhr beziehen sich lediglich auf den „linken Bildschirm-PC“ mit der Kennzeichnung Nr. 2. Dies steht insofern mit den vorgelegten Akten im Einklang, als in einem Aktenvermerk des vom Verwaltungsgericht genannten Zeugen M. vom festgehalten wurde, dass auf „dem vom Eingang aus rechts gesehenen Flachbildschirm ... kein Walzenspiel zu diesem Zeitpunkt ersichtlich“ gewesen sei. Dem Schuldspruch mangelt es daher insoweit an Feststellungen, die eine diesbezügliche Bestrafung wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG tragen könnten.

11Die Revision wendet sich allerdings auch gegen die Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellungen zum „linken Bildschirm-PC“ (mit der Kennzeichnung Nr. 2) und macht unter anderem geltend, diese Beweiswürdigung beruhe auf aktenwidrigen Annahmen, zumal weder der Zeuge F. noch der Zeuge M. je behauptet hätten, dass die Webseite www.[...].com von der in Rede stehenden Spielerin aufgerufen gewesen sei oder dass die Spielerin keine „Demo-Version“, sondern ein Spiel gegen einen Einsatz und eine vermögenswerte Gegenleistung gespielt hätte.

12Diesem Einwand kommt insofern Berechtigung zu, als der Zeuge F. in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am zu Protokoll gegeben hat, keine Wahrnehmung zur Frage zu haben, ob es sich (am ) „um eine Demoversion gehandelt hat oder nicht“. Er habe nur wahrnehmen können, dass sich der Betrag [gemeint: am Bildschirm] links unten geändert habe. Er könne nicht angeben, ob es sich hierbei um einen Eurobetrag oder um Punkte gehandelt habe. Weiters habe er auch keine Wahrnehmungen dazu, wie die Spielerin „zu diesem Kredit oder zu diesen Punkten gekommen“ sei. Aussagen dazu, welche Webseite von der Spielerin aufgerufen wurde, finden sich nicht. Die vom Zeugen abschließend zu Protokoll gegebene Einschätzung, für ihn sei am 27. Februar2018 deutlich ein Walzenspiel wahrnehmbar gewesen, das er „als Glückspiel“ eingestuft habe, „nicht als Demoversion“, beruht demnach nicht auf Wahrnehmungen bzw. stellt sich als bloße Vermutung dar.

13Was den vom Verwaltungsgericht ebenfalls ins Treffen geführten Zeugen M. anbelangt, ist den vorgelegten Akten eine Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht nicht zu entnehmen; der Zeuge wurde vom Verwaltungsgericht zur Beschwerdeverhandlung zunächst zwar geladen, es wurde in weiterer Folge aber von einer Einvernahme abgesehen. Auch eine Zeugenaussage vor der Strafbehörde ist in den vorgelegten Akten nicht enthalten. Soweit sich das Verwaltungsgericht - allenfalls - auf den genannten Aktenvermerk vom bezieht, lassen sich diesem Vermerk Aussagen zur Frage, welche Webseite aufgerufen bzw. welche Version eines Spiels gespielt wurde, nicht entnehmen.

14Vor diesem Hintergrund wird daher mit dem bloßen Verweis auf - wie zu ergänzen ist: großteils unscharfe und kaum lesbare - Lichtbilder bzw. auf einen Vergleich mit einem aus dem April 2017 und einem anderen Lokal stammenden Lichtbild, das eine „Demo-Version“ - wie auch hier zu ergänzen ist: offenbar eines anderen Spiels - zeige, ohne jegliche nähere beweiswürdigende Erläuterungen nicht nachvollziehbar begründet, warum von den oben wiedergegebenen Feststellungen auszugehen gewesen ist.

15Mit Blick auf die Strafbemessung des Verwaltungsgerichtes sowie den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verbot der reformatio in peius bei einer zu Gunsten des Bestraften erhobenen Beschwerde dazu führt, dass in der Beschwerdeentscheidung nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im bekämpften Straferkenntnis, sofern in der Beschwerdeentscheidung der Tatzeitraum reduziert wird und nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Straferkenntnis (vgl. , mwN). Zudem ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig, dem Beschuldigten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wenn das Verwaltungsgericht eine Änderung zu seinen Gunsten (§ 52 Abs. 8 VwGVG) vorgenommen hat. Eine solche Änderung liegt auch dann vor, wenn das Verwaltungsgericht den von der Strafbehörde angenommenen strafbaren Tatbestand einschränkt. Das ist u.a. dann der Fall, wenn der Tatzeitraum im Unterschied zur erstinstanzlichen Entscheidung eingeschränkt und damit der Unrechtsgehalt zugunsten des Beschuldigten verringert wird (vgl. , mwN).

16Da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. , mwN), war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090151.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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