Suchen Hilfe
VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0009

VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0009

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/21/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. des V, und 2. der I, beide vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Ankara vom , jeweils betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.466,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, türkische Staatsangehörige, stellten am bei der belangten Behörde Anträge auf Erteilung eines "Schengen-Visums", um ihren in Österreich lebenden Sohn zu besuchen. Den Anträgen lagen unter anderem Verpflichtungserklärungen des Sohnes sowie Flugreservierungen für den Hin- und Rückflug bei.

Dazu teilte ihnen die belangte Behörde am formularmäßig - durch Ankreuzen der entsprechenden Felder in einem Vordruck - mit, dass beabsichtigt sei, den Anträgen nicht stattzugeben, weil Grund zur Annahme bestehe, dass die beschwerdeführenden Parteien das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen würden, da sie nicht überzeugend hätten nachweisen können, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz hätten. Den beschwerdeführenden Parteien wurde Gelegenheit gegeben, dazu binnen zwei Wochen eine abschließende Stellungnahme abzugeben.

Von dieser Möglichkeit machten die beschwerdeführenden Parteien nach der Aktenlage keinen Gebrauch. In der Beschwerde und in der Gegenschrift der belangten Behörde wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Sohn der beschwerdeführenden Parteien persönlich bei der belangten Behörde vorgesprochen habe, was aus den vorgelegten Verwaltungsakten aber nicht nachvollziehbar ist.

In der Folge ergingen die angefochtenen Bescheide, mit denen die Anträge unter Verwendung von formularmäßigen Vordrucken abgewiesen wurden. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes jeweils zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde davon ausgehe, die Wiederausreise der beschwerdeführenden Parteien erscheine nicht gesichert (§ 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG).

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, dass sie von 1970 bis 1983 in Österreich niedergelassen gewesen seien. Ihre drei Kinder lebten in Österreich, zwei von ihnen seien österreichische Staatsbürger. Seit die beschwerdeführenden Parteien wieder in der Türkei lebten, seien sie drei Mal nach Österreich gekommen, um ihre Kinder zu besuchen; beide hätten auch einen Aufenthaltstitel als begünstigte Drittstaatsangehörige besessen. Sie seien allerdings auf Grund einer Erkrankung erst zwei Wochen nach Ablauf dieses Aufenthaltstitels aus Österreich ausgereist. Mit den gegenständlichen Anträgen hätten die beschwerdeführenden Parteien sämtliche Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass sie in der Türkei über gute Einkommen verfügten sowie Liegenschaften und ein Auto besäßen. Sie seien auch nach ihrem letzten Aufenthalt in Österreich aus eigenem Antrieb in die Türkei zurückgekehrt, sodass nicht ersichtlich sei, warum die belangte Behörde nunmehr annehme, sie würden aus Österreich nicht mehr ausreisen. Sie würden sogar die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erfüllen, hätten aber nur Visa beantragt, deren Erteilung umso weniger abgelehnt werden dürfte. Bei der Vorsprache des Sohnes der beschwerdeführenden Parteien sei diesem nur erklärt worden, seine Eltern würden auch in Zukunft kein Visum für Österreich erhalten; eine Begründung sei nicht genannt worden.

Darauf erwidert die belangte Behörde in der Gegenschrift, dass die beschwerdeführenden Parteien in der Vergangenheit im Besitz von Schengenvisa und Aufenthaltstiteln gewesen und jeweils verspätet ausgereist seien. Die beschwerdeführenden Parteien seien im Besitz von Visa mit einer Gültigkeit von 12. Februar bis ("verspätete Ausreise am ") und von Niederlassungsbewilligungen mit einer Gültigkeit von bis ("verspätete Ausreise am ") gewesen. Aus Sicht der belangten Behörde hätten daher Zweifel an der Wiederausreise der beschwerdeführenden Parteien bestanden. Es sei den beschwerdeführenden Parteien mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, ihre Anträge gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 FPG abzuweisen, wozu ihnen eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt worden sei; darauf sei keine Reaktion erfolgt. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache des Sohnes der beschwerdeführenden Parteien am sei diesem unter anderem mitgeteilt worden, dass die seinerzeitige verspätete Ausreise seiner Eltern Grund für die beabsichtigte Ablehnung der Anträge sei. Dazu habe der Sohn vorgebracht, dass seine Mutter damals krank gewesen sei; entsprechende Nachweise habe er nicht erbringen können. Da der belangten Behörde mittlerweile zur Kenntnis gelangt sei, dass die beschwerdeführenden Parteien in der Vergangenheit Anträge auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligungen gestellt und diese im Jahr 2007 zurückgezogen hätten, sei der Sohn auch diesbezüglich befragt worden und habe angegeben, dass die Verlängerungsanträge bereits während des damaligen Aufenthaltes in Österreich gestellt worden seien und die beschwerdeführenden Parteien nur wegen eines Todesfalles in der Türkei ausgereist seien. Da diese Aussage im Widerspruch zur vorherigen Erklärung der verspäteten Ausreise wegen Erkrankung gestanden sei, seien die beschwerdeführenden Parteien mit "Schreiben vom " (gemeint: die angefochtenen Bescheide) über die Ablehnung der Anträge wegen nicht gesicherter Wiederausreise "in Kenntnis gesetzt" worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur gebotenen Vorgangsweise bei der Visumserteilung festgehalten, dass die Behörde im Rahmen ihrer aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierenden Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Fremden konkret darzulegen hat, worin die gegen die Erteilung eines Visums sprechenden Bedenken bestehen. Erst dann ist es Sache des Antragstellers, diese Bedenken durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0629, sowie vom , Zl. 2007/21/0342, jeweils mwN).

Ein konkreter Vorhalt in diesem Sinn bezogen auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG ist im vorliegenden Fall aber nicht erfolgt. Der bloß allgemeine, sich aus einem entsprechend angekreuzten Formular ergebende Vorhalt, es bestehe Grund zur Annahme, dass die beschwerdeführenden Parteien das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen würden, da sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz nicht überzeugend nachweisen hätten können, gibt nicht den Grund wieder, der zufolge der Gegenschrift tatsächlich für die Antragsabweisung maßgeblich war, nämlich die (angeblich) verspätete Ausreise im Jahr 2004. Ausgehend davon kann aber nicht gesagt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien gehalten gewesen wären, den darauf gegründeten Bedenken entgegen zu treten.

In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgrund nur der Vermerk: "hatten bis 2004 NB (Niederlassungsbewilligung) sind dann zu spät ausgereist; ich finde das gar nicht gut. Gesamte Familie scheint im Ausland zu leben". Das Gespräch mit dem Sohn der beschwerdeführenden Parteien, zu dem Beschwerde und Gegenschrift widersprüchliche Angaben machen, ist in den Verwaltungsakten nicht dokumentiert. Der zitierte Aktenvermerk bietet für sich allein aber keine tragfähige Begründung für die Abweisung der Anträge, bleibt doch völlig offen, ob - angesichts der von der belangten Behörde in der Gegenschrift erwähnten (aber zeitlich nicht zugordneten) Verlängerungsanträge - nach dem Fremdengesetz 1997 überhaupt eine Ausreiseverpflichtung der beschwerdeführenden Parteien bestand und bejahendenfalls, ob ihnen eine um wenige Wochen verspätete Ausreise vorwerfbar war (was in der Beschwerde unter Hinweis auf eine Erkrankung bestritten wird), sodass daraus abgeleitet werden könnte, dass ihre Wiederausreise nach Erteilung der beantragten Visa nicht gesichert erschiene. Für die Ausreisewilligkeit der beschwerdeführenden Parteien hat hingegen gesprochen, dass sie mit den Anträgen Flugreservierungen für den Hin- und Rückflug vorgelegt hatten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0229, mwN).

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ist daher auch im Akt nicht nachvollziehbar (vgl. zu dieser, im Botschaftsverfahren nach § 11 FPG die Bescheidbegründung ersetzenden Verfahrensvorschrift etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0342, mwN).

Der angefochtene Bescheid war somit auf Grund der aufgezeigten Verfahrens- und Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-82421