VwGH vom 05.07.2011, 2008/21/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 149.569/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 sowie § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die beantragte Niederlassungsbewilligung "Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 (Z 3) NAG nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer keinerlei Nachweise über eine Unterhaltsgewährung durch den Zusammenführenden erbracht habe. Die bloße Behauptung, dass er die Mieteinnahmen aus dem Wohnobjekt, das sein Vater in der Türkei vermiete, allein zu seiner Verfügung habe, sei als Nachweis keinesfalls geeignet.
Darüber hinaus lege § 11 Abs. 2 Z 4 NAG fest, dass Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden dürfen, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte; weiters sei § 11 Abs. 5 NAG zu beachten. Aus der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung gehe hervor, dass sein Vater im Februar 2007 ein Gehalt in der Höhe von EUR 1.888,-- bezogen habe. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen (13. und 14. Gehalt) werde von einem monatlichen Durchschnittseinkommen in der Höhe von EUR 2.203,-- ausgegangen. Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit des durch eine Haftungserklärung verpflichteten Zusammenführenden sei dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung zu berücksichtigen, das heiße, sein Vater könne sich nur mit dem darüber hinausgehenden Betrag gegenüber dem Beschwerdeführer verpflichten. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage in seinem Fall, da er noch für seine Ehefrau unterhaltspflichtig sei, EUR 1.402,60. Die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel würden überdies durch Kreditbelastungen, Mietbelastungen und Pfändungen geschmälert, weshalb sie zu den erforderlichen Unterhaltsmitteln hinzugerechnet werden müssten. Laut vorgelegtem Mietvertrag zahle der Vater des Beschwerdeführers einen monatlichen Mietzins in der Höhe von EUR 400,--. Der in § 293 ASVG festgesetzte Betrag enthalte den Wert der freien Station in der Höhe von aktuell EUR 235,15. Nach Abzug dieses Betrags müssten EUR 164,85 für die monatlichen Mietbelastungen zur Verfügung stehen. Es verblieben dem Vater des Beschwerdeführers somit lediglich EUR 635,55 im Monat, die er für Unterhaltsleistungen an den Beschwerdeführer aufwenden könnte. Die Unterhaltsmittel, die für den Beschwerdeführer erforderlich wären, betrügen aber EUR 726,-- im Monat. Der Vater des Beschwerdeführers müsste daher über ein Mindesteinkommen in der Höhe von EUR 2.293,45 verfügen. Wegen Unterschreitens dieses Betrags dürfe dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Abschließend verneinte die belangte Behörde ein Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der sie nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 2263/07-3, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich zum einen gegen die Einkommensberechnung durch die belangte Behörde und zum anderen gegen die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer nicht schon im Herkunftsstaat vom Zusammenführenden Unterhalt gewährt worden sei. Wie schon im Verwaltungsverfahren weist er darauf hin, dass er sowohl die Mieteinnahmen seines Vaters in der Höhe von ca. EUR 175,-- im Monat als auch Naturalunterhalt in Form der unentgeltlichen Zurverfügungstellung einer Wohnung erhalten habe.
Für die Mieteinnahmen und das Eigentum des Vaters am betreffenden Wohnhaus, in dem sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge auch die zur Verfügung gestellte Wohnung befindet, wurden im Verwaltungsverfahren Nachweise vorgelegt. Vor diesem Hintergrund greift die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Behauptung der Zurverfügungstellung von Mieteinnahmen als Nachweis der Unterhaltsgewährung "keinesfalls geeignet" sei, zu kurz; sie vernachlässigt sowohl die vorgelegten Urkunden als auch das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung im Haus seines Vaters (zur grundsätzlichen Unbeschränktheit der Beweismittel zum Nachweis von Unterhaltsleistungen vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0448, mwN). Da nicht ausgeschlossen ist, dass die belangte Behörde bei einer entsprechenden Auseinandersetzung mit den genannten Beweismitteln und Behauptungen zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.
Darin, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung des Zusammenführenden nicht auf die in § 293 Abs. 1 ASVG enthaltenen Richtsätze abgestellt hat, gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Des Weiteren hat sich der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Rechtslage im Erkenntnis vom , 2008/22/0711, auf dessen Pkt. 5.4. der Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausführlich dargetan, dass Mietbelastungen nicht gesondert zu berücksichtigen sind. Bei Anwendung der demnach maßgeblichen Grundsätze wäre im Beschwerdefall ein Einkommen des Zusammenführenden in der Höhe von EUR 1.817,14 (EUR 1.091,14 Ausgleichszulagenrichtsatz für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner zuzüglich EUR 726,-- für den Beschwerdeführer) ausreichend gewesen.
Aus den in den genannten Erkenntnissen angeführten Erwägungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht der Rechtslage. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen - der vorrangig wahrzunehmenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes schon deswegen aufzuheben, ohne dass es auf die dem hg. Beschluss vom , Zlen. EU 2011/0004 bis 0008-1, zugrundeliegenden unionsrechtlichen Fragen angekommen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-82417