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VwGH vom 27.05.2010, 2008/21/0004

VwGH vom 27.05.2010, 2008/21/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der C, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 148.279/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine am geborene türkische Staatsangehörige, stellte am bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen - auf ihren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater als "Zusammenführenden" bezogenen - Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG).

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten (LH) vom gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG abgewiesen. Begründend führte der LH aus, der Vater der Beschwerdeführerin verfüge "zur Zeit" unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.342,-

- und er beziehe außerdem eine monatliche "Unfallrente" von durchschnittlich EUR 368,--, zusammen daher EUR 1.710,--. Davon seien die Kreditraten von EUR 400,-- und die Mietkosten von EUR 250,-- vermindert um den "Wert der freien Station" von EUR 231,45 abzuziehen, sodass EUR 1.291,45 verblieben. Zur Beurteilung, ob der Zusammenführende über ausreichende Unterhaltsmittel verfüge, seien die Ausgleichszulagenrichtsätze gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Danach müssten dem Vater der Beschwerdeführerin EUR 1.055,-- für sich und seine Ehefrau sowie EUR 690,-- für die Beschwerdeführerin als erwachsene Tochter (insgesamt daher: EUR 1.745,--) zur Verfügung stehen. Das sei nicht der Fall, sodass mit seinem Einkommen der Lebensunterhalt für einen gemeinsamen Aufenthalt aller Familienmitglieder in Österreich nicht gesichert sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei bei der Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen im Rahmen des Art. 8 EMRK den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen. Der Antrag sei somit abzuweisen, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes im NAG eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstelle.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der unter anderem das Bestehen einer Kreditbelastung bestritten wurde, wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom ab.

Auch die belangte Behörde ging davon aus, dass der Vater der Beschwerdeführerin, von dem der angestrebte Aufenthaltstitel abgeleitet werden solle und der auch eine Haftungserklärung abgegeben habe, als "Zusammenführender" im Sinne des § 47 NAG einen Einkommensnachweis zu erbringen habe. Mit dem gegenständlichen Antrag sei eine Lohnbestätigung vom über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.150,-- vorgelegt worden, woraus sich unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen durchschnittlich EUR 1.341,70 ergebe. Hinzu komme gemäß einer Bestätigung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (vom ) eine im Jahr 14mal ausbezahlte Versehrtenrente von EUR 316,28 (im Monatsdurchschnitt somit von EUR 369,--). Das monatliche Gesamtnettoeinkommen des Vaters der Beschwerdeführerin betrage daher EUR 1.710,--, wie auch in der Berufung und im Schreiben des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom bestätigt worden sei.

Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sei dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a EO zu berücksichtigen; das bedeute, dass sich der Vater der Beschwerdeführerin nur mit dem Betrag, der über sein pfändungsfreies Existenzminimum hinausgehe, gegenüber der Beschwerdeführerin verpflichten könne. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für seine Ehefrau, der ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, EUR 1.275,20, sodass dem Vater der Beschwerdeführerin lediglich "EUR 565,20" (rechnerisch richtig: EUR 434,80) verblieben, um den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu decken. Dafür müssten jedoch nach dem heranzuziehenden Richtsatz gemäß § 293 ASVG im Monat EUR 726,-- zur Verfügung stehen, sodass der Vater der Beschwerdeführerin ein Einkommen von EUR 2.001,20 erzielen müsste. Laut Mietvertrag betrage der monatliche Mietzins EUR 294,--, wovon der "Wert der freien Station" von aktuell EUR 235,15 abzuziehen sei, sodass für die Mietbelastungen zusätzlich EUR 58,85 zur Verfügung stehen müssten. Demnach müsste der Vater der Beschwerdeführerin über ein "monatliches Mindesteinkommen" von EUR 2.060,05 verfügen.

Dieser Betrag werde - so fasste die belangte Behörde zusammen - jedoch unterschritten, weshalb nicht nachgewiesen worden sei, dass die Unterhaltsmittel gedeckt seien, und es sehr wahrscheinlich sei, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe.

Unter dem Gesichtspunkt des § 11 Abs. 3 NAG führte die belangte Behörde dann noch aus, den öffentlichen Interessen müsse auch deshalb gegenüber den privaten Interessen der volljährigen und somit nicht mehr zur Kernfamilie zählenden Beschwerdeführerin "absolute Priorität" eingeräumt werden, weil im vorliegenden Fall mangels gesicherten Lebensunterhaltes die Sozialhilfeträger mit großer Wahrscheinlichkeit Geldmittel zur Verfügung stellen müssten, was aber "nicht im Sinne des Gesetzes" liege. Es sei daher die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung ausgeschlossen und demzufolge der Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes im NAG eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstelle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1120/07-6, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde wird gerügt, die belangte Behörde hätte ermitteln müssen, "ob" der zusammenführende Vater der Beschwerdeführerin "sein Freizügigkeitsrecht im Sinne des § 57 NAG" in Anspruch genommen habe. Diesfalls hätte zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin ein den Sozialhilferichtsätzen der Bundesländer entsprechender Betrag genügt.

Dem ist zu entgegnen, dass nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der österreichische Angehörige der Beschwerdeführerin sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte. Auch die Beschwerde zeigt keine diesbezüglichen Hinweise auf und bleibt überdies ein konkretes Vorbringen, auf welche Art die Freizügigkeitsausübung erfolgt wäre, schuldig. Im Übrigen ist offenbar auch die Beschwerdeführerin nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Daueraufenthaltskarte nach § 57 iVm § 54 NAG ausgegangen, hat sie doch keinen darauf abzielenden Antrag gestellt, sondern die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nach § 47 Abs. 3 Z 3 NAG begehrt und auch in der Berufung ausdrücklich einen darauf gerichteten Abänderungsantrag gestellt.

Die belangte Behörde hat die Abweisung dieses Antrages - wie der LH - auf die Nichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG gestützt. Nach der erstangeführten Bestimmung dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Unter welchen Bedingungen diese Voraussetzung verwirklicht ist, wird in § 11 Abs. 5 NAG bestimmt, der in der hier maßgeblichen Stammfassung (damals) wie folgt lautete:

"(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Soweit in der Beschwerde daran Kritik geübt wird, dass sich das Gesetz bei der Annahme eines gesicherten Lebensunterhaltes am Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 ASVG und am pfändungsfreien Existenzminimum nach § 291a EO orientiert, hat schon der Verfassungsgerichtshof in der Begründung des erwähnten Ablehnungsbeschlusses in Bezug auf die Unbedenklichkeit der angewendeten Bestimmungen auf sein Erkenntnis vom , B 1462/06, SlgNr. 18.269/2007, verwiesen. Danach könne dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch einen Fremden die Höhe der von diesem nachzuweisenden (zu erwartenden) Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG (und nicht wie bisher an die jeweiligen Sozialhilferichtsätze der Länder) und die des Unterhaltsleistenden an das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a EO knüpfe. Wie die konkrete Berechnung vorgenommen werde, sei eine einfachgesetzliche Frage und daher nicht vom Verfassungsgerichtshof, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen. Im Übrigen erachtete der Verfassungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis auch die Differenzierung hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltstiteln zwischen drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern anhand des Kriteriums, ob diese einen gemeinschaftsrechtsrelevanten Sachverhalt verwirklicht haben, (u.a. in Bezug auf die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nach § 11 NAG) für sachlich gerechtfertigt (siehe in diesem Sinne und darauf bezugnehmend auch das Erkenntnis vom , G 244/09 u.a.).

Zu der angesprochenen "Berechnung" nach § 11 Abs. 5 NAG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0711, grundlegend Stellung genommen.

Unter anderem hat er - für die Rechtslage vor der am in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 - klargestellt, dass keine gesetzliche Grundlage bestehe, das zu berücksichtigende Einkommen des Unterhaltspflichtigen durch Wohnkosten zu schmälern oder den "Wert der freien Station" hinzuzurechnen (siehe Punkt 5.4. der Entscheidungsgründe). Soweit daher die belangte Behörde - wie auch schon der LH - davon ausgegangen ist, dem Vater der Beschwerdeführerin müsse für "Mietbelastungen" ein zusätzlicher Betrag (EUR 58,85) zur Verfügung stehen, der sich aus der Differenz der tatsächlichen Wohnungskosten und dem sogenannten "Wert der freien Station" (§ 292 Abs. 3 ASVG) errechne, steht dies somit nicht im Einklang mit dieser Rechtslage.

In dem genannten Erkenntnis (Punkt 5.3.) hat der Verwaltungsgerichtshof weiters mit eingehender Begründung dargelegt, dass das Existenzminimum des § 291a EO nicht auf alle Fälle einer Unterhaltsberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG, die ausdrücklich anhand des § 293 ASVG vorzunehmen sei, angewendet werden könne. Insbesondere sei bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreiche, wobei in einer solchen Konstellation auf das Existenzminimum des § 291a EO nicht Bedacht zu nehmen sei.

Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis somit im Grundsätzlichen aufgezeigt, dass es zur Existenzsicherung nicht für jede Person eines Einkommens nach dem für einen alleinstehenden Pensionsempfänger vorgesehenen Richtsatz bedarf, sondern das Haushaltsnettoeinkommen am "Familienrichtsatz" zu messen ist, sofern der Anspruchsberechtigte mit einem Ehepartner (und allenfalls einem Kind iSd § 252 ASVG) im gemeinsamen Haushalt lebt. Nichts anderes gilt für die Frage der Existenzsicherung desjenigen, der eine Haftungserklärung im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG abgegeben hat. Gesteht nämlich der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf den Ausgleichszulagenrichtsatz einer mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt lebenden Person zu, dass der sogenannte "Haushaltsrichtsatz" für die Unterhaltsbedürfnisse beider Ehepartner ausreicht, ist die Existenz des Zusammenführenden auch dann gesichert, wenn ihm gemeinsam mit seinem Ehepartner der Haushaltsrichtsatz zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden verwendet wird. Diesfalls kann somit von einer tragfähigen Haftungserklärung ausgegangen werden, kann doch der Unterhalt sowohl des Nachziehenden als auch des Zusammenführenden ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen bestritten werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637).

Auch dem hat die belangte Behörde nicht Rechnung getragen, indem sie hinsichtlich der Deckung des Bedarfs für den Vater der Beschwerdeführerin und für seine (mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende) Ehefrau auf das pfändungsfreie Existenzminimum nach § 291a EO und nicht auf den diesbezüglichen Ausgleichszulagenrichtsatz abstellte. Demgegenüber ist der LH im Ansatz richtig von einem Bedarf des Vaters der Beschwerdeführerin und seiner Ehefrau in der Höhe des Richtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG (idF BGBl. II Nr. 446/2005) von damals EUR 1.055,99 monatlich ausgegangen und hat weiters zutreffend angenommen, dass für die Beschwerdeführerin zusätzlich ein dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG entsprechender Betrag von EUR 690,-- zur Verfügung hätte stehen müssen. Demnach wäre auf Basis der damals geltenden Rechtslage zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin und ihrer Eltern ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von insgesamt EUR 1.746,-- erforderlich gewesen, das im Verhältnis zum damaligen Gesamteinkommen des Vaters der Beschwerdeführerin rein rechnerisch somit nur um EUR 36,-- unterschritten wurde.

Auf Basis der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (im Mai 2007) maßgeblichen Richtsätze nach § 293 Abs. 1 ASVG idF BGBl. II Nr. 532/2006 wäre von einer Deckung des Lebensunterhaltes aller Familienangehörigen dann auszugehen gewesen, wenn der Vater der Beschwerdeführerin ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von insgesamt EUR 1.817,14 (EUR 1.091,14 für die Eltern und EUR 726,-- für die Beschwerdeführerin) erzielt hätte. Ob dies zutraf, wäre - angesichts der nur geringfügigen Unterschreitung des erforderlichen Einkommens im Jahr 2006 - durch entsprechend konkrete Aufträge zur Vorlage aktueller Einkommensnachweise für den Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung von Amts wegen zu prüfen gewesen. Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde aber - ausgehend von der unrichtigen, auf das unpfändbare Existenzminimum nach § 291a EO abstellenden Rechtsansicht - zu Unrecht unterlassen, was in der Beschwerde im Ergebnis zutreffend gerügt wird (siehe zu einer derartigen Verpflichtung bei erheblicher, seit der Antragstellung verstrichener Zeit und deshalb gebotenen Zweifeln an der Aktualität der vorgelegten Urkunden Punkt 5.2. des schon mehrfach genannten Erkenntnisses Zl. 2008/22/0711). In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass eine Anfrage, ob der Antrag im Hinblick auf die unzureichenden Unterhaltsmittel zurückgezogen werde, keinen derartigen, ausreichend konkretisierten Ermittlungsschritt darstellt.

Die belangte Behörde nahm zwar auch auf § 11 Abs. 3 NAG Bedacht, demzufolge ein Aufenthaltstitel trotz des Fehlens (u.a.) der Voraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. In der Folge ging sie jedoch mit der Begründung des nicht gesicherten Lebensunterhaltes davon aus, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" einzuräumen sei. Diese Begründung würde dazu führen, dass bei fehlendem Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel die Interessenabwägung niemals zu Gunsten des Fremden ausgehen könnte. Dass diese Rechtsmeinung mit dem Gesetz nicht in Einklang steht, hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits mehrfach dargelegt (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0396, mit weiteren Nachweisen). Das zeigt sich in einem Fall wie dem vorliegendem, in dem - auf Basis der Antragsgrundlagen und der Entscheidung des LH - nur eine geringfügige Unterschreitung des zur Lebenssicherung aller Familienmitglieder erforderlichen Einkommens um rechnerisch EUR 36,-- gegeben war, besonders deutlich, zumal in einer solchen Konstellation dem öffentlichen Interesse von vornherein nicht die von der belangten Behörde zugemessene, absolut überragende Bedeutung zukommen kann.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am