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VwGH vom 24.03.2020, Ra 2019/09/0123

VwGH vom 24.03.2020, Ra 2019/09/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Obe rösterreich vom , LVwG-301806/37/KLi, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Rohrbach; mitbeteiligte Partei: X Y in Z, vertreten durch die Sparlinek Piermayr Prossliner Rechtsanwälte KG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang und damit insoweit, als das behördliche Straferkenntnis in seinen Spruchpunkten 3, 5 und 6 aufgehoben und das Verfahren eingestellt wurde sowie in seinem Ausspruch über die Strafen und die Kosten des behördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligte unter datumsmäßiger Anführung des Beginns des jeweiligen Beschäftigungszeitraums sowie dem Zeitpunkt der Kontrolle unter der Bezeichnung "Tatzeit" schuldig erkannt, sechs namentlich genannte afghanische Staatsangehörige beschäftigt zu haben, obwohl für diese Ausländer keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Der Mitbeteiligte habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) begangen und es wurden über ihn hiefür sechs Geldstrafen in der Höhe von jeweils 2 000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen) verhängt.

2 Mit Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das behördliche Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

3 Dieses Erkenntnis wurde mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2018/09/0007, auf das für Näheres verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. 4 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen (Ersatz-)Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten hinsichtlich der in den Spruchpunkten 3, 5 und 6 des behördlichen Straferkenntnisses genannten Ausländer Folge, hob dieses insoweit auf und stellte das Verfahren ein. Hinsichtlich der in den Spruchpunkten 1, 2 und 4 des behördlichen Straferkenntnisses genannten Ausländer gab es der Beschwerde nur hinsichtlich der Strafhöhe insoweit Folge, als es Geldstrafen von je 500 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 33 Stunden) verhängte und demzufolge die Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde neu festsetzte. Darüber hinaus wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig.

5 Das Verwaltungsgericht legte auch diesem Erkenntnis die von ihm bereits im ersten Rechtsgang getroffenen und im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2018/09/0007, Rn. 4 ff, zusammenfassend wiedergegebenen Feststellungen zu Grunde, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen unter sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird. 6 Aus diesen seien die für das Revisionsverfahren maßgeblichen Feststellungen an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

7 Der Beginn der Arbeitstätigkeit für die sechs afghanischen Asylwerber sei jeweils unterschiedlich gewesen. Arbeitsbeginn des D (Spruchpunkt 4.) sei der gewesen. Arbeitsbeginn des A (Spruchpunkt 1.), des C (Spruchpunkt 3.), des B (Spruchpunkt 2.) und des E (Spruchpunkt 5.) sei jeweils der gewesen. Arbeitsbeginn des F (Spruchpunkt 6.) sei der gewesen. Am um 9:15 Uhr sei durch die Finanzpolizei auf der Baustelle eine Kontrolle erfolgt. Dabei seien unter anderem die drei afghanischen Asylwerber D, A und B angetroffen worden. Neben den drei genannten afghanischen Asylwerbern seien bis kurz vor Beginn der Kontrolle noch zwei weitere afghanische Asylwerber auf der Baustelle anwesend gewesen. Im Zeitpunkt der Kontrolle seien es nur noch drei gewesen. Am Tag davor, dem , seien alle sechs genannten Asylwerber auf der Baustelle tätig gewesen.

8 Rechtlich beurteilte das Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass der Tatzeitraum (Beginn und Ende) für A, B und D feststehe. Hinsichtlich der übrigen drei Personen erfülle der Tatvorwurf die Anforderungen an die Konkretisierung des Spruches im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG nicht. Betreffend die drei Asylwerber C, E und F sei der Tatzeitraum nicht mehr mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit erwiesen. Insoweit sei daher der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen gewesen. 9 Bei der Bemessung der Strafen für die Beschäftigung der Asylwerber A, B und D ging das Verwaltungsgericht von der Anwendbarkeit des ersten Strafrahmens des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG aus, weil nur mehr drei Arbeitnehmer betroffen seien. 10 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die vorliegende Entscheidung im Einklang mit dem (im ersten Rechtsgang ergangenen) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2018/09/0007, sowie der dort zitierten Judikatur stehe.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen insoweit, als das Verfahren gegen den Mitbeteiligten betreffend die Beschäftigung dreier Ausländer eingestellt wurde und soweit im Hinblick darauf bei der Bestrafung der falsche Strafrahmen zur Anwendung gebracht worden sei.

12 Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 In der Revision wird deren Zulässigkeit damit begründet, dass das Landesverwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Tatzeit bzw. zum Tatzeitraum abgewichen sei. Das Landesverwaltungsgericht sei bei den drei Personen, hinsichtlich derer das Strafverfahren eingestellt worden sei, offensichtlich der Ansicht gewesen, das Ende des Tatzeitraums sei nicht eindeutig kalendermäßig erfasst worden. Da nicht klar feststellbar gewesen sei, wer von diesen drei Personen am Kontrolltag vor der Kontrolle gearbeitet habe, stimme bei zumindest zweien der 1. August nicht mit Sicherheit. Daraus sei aber nicht der Schluss zu ziehen, es sei kein kalendermäßig beschriebenes Tatzeitraumende festzustellen. Das Landesverwaltungsgericht hätte das Tatzeitraumende zu diesen drei Personen mit feststellen müssen. Eine solche Tatzeitraumeinschränkung sei nach der ständigen Rechtsprechung möglich und geboten. Im Übrigen sei dem nach der (näher angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit der Tatzeitbeschreibung verfolgten Zweck, nämlich dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben sich entsprechend zu verteidigen und ihn vor einer Doppelbestrafung zu schützen, im Anlassfall Genüge getan.

14 Die Revision ist aus den angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet:

15 Die revisionswerbende Partei führt zur Begründung der Revision weiter aus, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein mit "drei Wochen bis zum ", "seit einem Monat bis zum " und "seit September bis " angegebener Tatzeitraum als ausreichend qualifiziert worden sei (Hinweis auf ). Ebenso sei eine Tatzeitangabe mit "im November 2005" (Hinweis auf ), die Umschreibung des Beginns eines Tatzeitraums mit "Anfang September 2001" (Hinweis auf ) und sogar die Beschreibung eines Beschäftigungszeitraums mit "1995 bis 1996 über zwei Jahre hinweg" (Hinweis auf ) als ausreichend qualifiziert worden. Auch die Umschreibung mit "im Oktober 1988 tageweise, nämlich drei Tage" (Hinweis auf ) oder etwa auch "im August 1990, zumindest jedoch am um 10 Uhr 50" () sei für genügend befunden worden.

16 Mit diesen Ausführungen ist die revisionswerbende Partei im Recht.

17 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte sind bei der Erlassung der Ersatzentscheidung somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden. Eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst ist gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an seine Erkenntnisse gebunden (siehe , Rn. 18, mwN).

18 Bereits in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2018/09/0007, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Sofern das Landesverwaltungsgericht meinte, eine konkrete Tatzeit nicht mehr feststellen zu können, ist dazu Folgendes auszuführen:

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch selbst geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestands abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunkts der Begehung der Tat, und falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. , ua).

Im vorliegenden Fall wurde bereits im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses für jeden Asylwerber der Tag des Beginns der Beschäftigung festgehalten, wenn auch darüber hinaus als Tatzeit der Kontrollzeitpunkt angeführt wurde. Das Landesverwaltungsgericht stellte im Sachverhalt seines Erkenntnisses selbst den Beginn der Tätigkeitsaufnahme jedes einzelnen Asylwerbers für den Mitbeteiligten mit jeweils einem konkreten Tag fest. Den Feststellungen lässt sich auch entnehmen, an welchem Kalendertag die Asylwerber jeweils zum letzten Mal auf der Baustelle anwesend waren. (...)"

19 Das Landesverwaltungsgericht hat auch in dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich festgestellt, dass die Asylwerber C (Spruchpunkt 3.) und E (Spruchpunkt 5.) am und der Asylwerber F (Spruchpunkt 6.) am ihren Arbeitsbeginn hatten. Ferner stellte es ausdrücklich fest, dass am alle sechs genannten afghanischen Asylwerber auf der Baustelle tätig waren. Das Verwaltungsgericht stellte daher einen kalendermäßig bestimmten, durch genau bezeichnete Tage eingegrenzten Zeitraum fest, in welchem die drei Asylwerber, hinsichtlich deren Beschäftigung das Verfahren vom Verwaltungsgericht eingestellt wurde, für den Mitbeteiligten arbeiteten. Damit wurde vom Verwaltungsgericht aber auf Tatsachenebene bereits ausdrücklich ein Tatzeitraum - sowie eine Arbeitstätigkeit am ersten und am letzten Tag dieses Zeitraums - festgestellt. Einer näheren Konkretisierung der in diesem Zeitraum gelegenen Arbeitstage bedurfte es hingegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr ().

20 Wie das Verwaltungsgericht, trotz der von ihm getroffenen Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung gelangen konnte, dass für die drei genannten Asylwerber der Tatzeitraum nicht mehr mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit erwiesen werden könne, wo es diesen doch ausdrücklich feststellte, ist nicht nachvollziehbar. Eine Verkürzung des Tatzeitraums gegenüber dem behördlichen Straferkenntnis hätte den Mitbeteiligten jedenfalls nicht in Rechten verletzt (siehe , VwSlg. 16615 A).

21 Durch die in diesem Umfang erfolgte Einstellung des Strafverfahrens belastete das Verwaltungsgericht daher sein Erkenntnis insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. 22 Diese rechtliche Fehlbeurteilung führte dazu, dass - wie die Revision ebenfalls zutreffend aufzeigt - hinsichtlich der Bestrafung wegen der Beschäftigung der übrigen Asylwerber der unrichtige Strafsatz angewendet wurde, weshalb das angefochtene Erkenntnis auch hinsichtlich des Strafausspruches und der Entscheidung über die Kosten des behördlichen Strafverfahrens aufzuheben war.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher im dargestellten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090123.L00
Schlagworte:
Allgemein Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

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