VwGH vom 07.04.2020, Ra 2019/09/0111

VwGH vom 07.04.2020, Ra 2019/09/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des X Y in Z, vertreten durch Mag. Bertram Fischer, Rechtsanwalt in 5310 Mondsee, Franz-Kreutzberger-Straße 2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405- 8/33/1/6-2018, betreffend Zurückweisung der Beschwerde in einer Disziplinarstrafsache nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Österreichische Ärztekammer hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem am zugestellten Disziplinarerkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber eines Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 für schuldig erkannt und über ihn eine Disziplinarstrafe verhängt.

2 In seiner dagegen am (vorab) per Telefax erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber aus, er lege hiermit Beschwerde gegen das in Rede stehende Erkenntnis der Disziplinarkommission ein und bitte aufgrund eines längeren Auslandsaufenthaltes um eine Fristverlängerung von vier Wochen bis zum für die Begründung.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde gemäß § 9 VwGVG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Das Verwaltungsgericht ging über den eingangs ausgeführten Sachverhalt hinaus davon aus, dass eine Begründung vom Revisionswerber bis zur Entscheidung nicht nachgereicht worden sei.

5 Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahingehend, dass sich der Revisionswerber in seiner Beschwerde mit keinem Wort inhaltlich gegen den Spruch oder die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses gewendet habe. Das Beschwerdevorbringen erschöpfe sich in einem Antrag auf Fristerstreckung. Damit werde im Ergebnis bloß ein Rechtsmittel gegen späteres Nachbringen der Begründung angemeldet. Mit der Formulierung der Beschwerde zeige der Revisionswerber sein Wissen um die Frist und die Notwendigkeit einer näheren Begründung. Das Wissen um die Mangelhaftigkeit der Beschwerde schließe die Anwendung eines Verbesserungsverfahrens nach § 13 Abs. 3 AVG schon deshalb aus, weil dieses nur auf Mängel anzuwenden sei, welche auf einem (allenfalls auch auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführenden) Versehen beruhten. Zudem würde die Zulassung eines Verbesserungsverfahrens bei derartigen, wissentlich als Fristerstreckungsansuchen oder bloße Rechtsmittelanmeldung gestalteten, Eingaben zu einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen und daher rechtswidrigen Fristerstreckung führen (Hinweis auf ). Vor diesem Hintergrund sei die gegenständliche Beschwerde ohne weiteres Verbesserungsverfahren als unzulässig zurückzuweisen. 6 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Entscheidung nicht von den Leitlinien der im Erkenntnis dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an eine Beschwerde und zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages abweiche.

7 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 168/2019-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

8 In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

9 Der Revisionswerber, der sich in seinem subjektiven Recht auf inhaltliche Entscheidung über seine Beschwerde als verletzt erachtet, sieht die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst darin gelegen, dass das Landesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung von der (näher dargelegten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Eine Zurückweisung der Beschwerde ohne vorangehendes Verbesserungsverfahren sei danach nur dann zulässig, wenn der Mangel absichtlich und rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden wäre. Dies habe das Landesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar dargelegt. Davon sei auch nicht auszugehen, weil der Revisionswerber von selbst eine Begründung nachgereicht habe. Das Landesverwaltungsgericht gehe demgegenüber insoweit aktenwidrig davon aus, dass eine Verbesserung nicht erfolgt wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist aus den vom Revisionswerber aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.

11 § 9 und 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der hier noch anzuwendenden Stammfassung lauten (auszugsweise):

"Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der

angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der

Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob

die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

...

Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der § 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

12 § 13 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet (auszugsweise):

"Anbringen

§ 13. ...

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

..."

13 Mangelt es der Beschwerde an den in § 9 Abs. 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernissen (hier: Beschwerdegründe und Beschwerdebegehren), sind diese Mängel nach der - gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen.

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient § 13 Abs. 3 AVG allerdings dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrags kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen. Dies gilt auch für die bewusste und rechtsmissbräuchliche Einbringung "leerer" Beschwerden nach dem VwGVG.

15 Um im Sinn der Rechtsprechung ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen (vgl. zum Ganzen , mwN; , Ra 2018/20/0059, ua; siehe auch ).

16 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Revisionswerber - wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird - von sich aus und ohne dass vom Verwaltungsgericht ein Verbesserungsverfahren eingeleitet worden wäre, mit dem zunächst (am ) per Telefax übermittelten und anschließend schriftlich nachgereichten Schriftsatz vom eine Beschwerdebegründung und Beschwerdeanträge nachreichte. Die gegenteiligen Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts sind daher insoweit aktenwidrig.

17 Diese Verbesserung nahm das Landesverwaltungsgericht überdies auch zum Anlass, mit Note vom , den in der Schweiz wohnhaften und - nach dem Verwaltungsakt - die deutsche Staatsangehörigkeit aufweisenden Revisionswerber aufzufordern, weitere Beweismittel vorzulegen. Der - nach der Aktenlage - 1951 geborene Revisionswerber trat im Verfahren vor der Behörde und dem Verwaltungsgericht ohne rechtsfreundliche Vertretung auf. Besondere juristische Kenntnisse oder Erfahrungen mit behördlichen Verfahren sind nicht evident und wurden auch nicht festgestellt. 18 Nicht zuletzt unter Berücksichtigung dieser Umstände stellte das Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht nachvollziehbar dar, weshalb es (nachdem es die nachgereichten Beschwerdeausführungen seinem Verfahren zunächst zugrunde zu legen schien) letztlich vom Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs durch den Revisionswerber ausging. Allein der Hinweis in der Beschwerde auf ein Nachreichen einer Begründung lässt für sich jedenfalls noch nicht den Schluss auf Rechtsmissbrauch zu (vgl. auch dazu ; , Ra 2018/20/0059, u.a.). 19 Auch das dargestellte Vorgehen des Landesverwaltungsgerichts

lässt darauf schließen, dass dieses offenbar - zumindest zunächst - nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen ausging. Anders lässt sich der gegenüber dem Revisionswerber ergangene Auftrag zur Vorlage von Beweismitteln - nach dessen aus eigenem Antrieb vorgenommener Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes - nicht erklären.

20 Das Landesverwaltungsgericht hätte daher nicht ohne weiteres von einem wissentlich rechtsmissbräuchlichen Vorgehen des Revisionswerbers ausgehen dürfen. Das im angefochtenen Beschluss zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/08/0062, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, lag diesem doch ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. 21 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der gesonderte Zuspruch von Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen keine Deckung, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090111.L00
Schlagworte:
Allgemein

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