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VwGH 11.11.2010, 2008/20/0448

VwGH 11.11.2010, 2008/20/0448

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs3;
B-VG Art129c Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 1
§ 67g Abs. 3 AVG stellt im Verhältnis zu § 62 Abs. 3 AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (und somit auch für jenes vor dem unabhängigen Bundesasylsenat) eine Sonderregel mit der Bedeutung dar, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre (vgl. Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998, 117f). Von dieser besonderen Bestimmung unberührt bleibt § 62 Abs. 2 AVG, wonach der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden sind.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2002/20/0596 E VwSlg 16670 A/2005 RS 1
Normen
RS 2
Dass bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat im Verkündungsprotokoll keine(Bescheid)- Begründung ausgeführt ist, hat auf die rechtsgültige Erlassung des

Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (Hinweis: E

, 98/03/0243 und E , 98/03/0207).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2000/02/0078 E RS 3
Normen
RS 3
Weist ein mündlich verkündeter Bescheid eines UVS betreffend Beschwerden wegen §§ 88 und 89 SPG 1991 entgegen der Bestimmung des § 67g Abs. 1 AVG keine inhaltliche Begründung auf, dann sind die Bf an einer entsprechenden Geltendmachung ihrer Rechte vor dem VwGH gehindert. Darin ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor der belBeh zu erblicken, der bis zur vorliegenden Entscheidung des VwGH nicht geheilt worden ist (Hinweis E , 2005/05/0258). (Hier: Der Niederschrift über die Verhandlung ist zwar zu entnehmen, dass im Anschluss an die Prüfung der Identität und der Vertretungsbefugnisse der Anwesenden sowie Verkündung des detaillierten Spruches des angefochtenen Bescheides (samt drei Kostentiteln) noch zusätzlich "eine kurze mündliche Begründung zu allen Spruchpunkten" verkündet wurde. Dieser Niederschrift kann jedoch nicht entnommen werden, welchen Inhalt die Ausführungen der Begründung hatten.)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/21/0404 E RS 4 (Hier: Bescheid gemäß § 7, 8 Abs 1 AsylG 1997; Der Niederschrift über die Verhandlung ist zwar zu entnehmen, dass die Verkündung des Spruches des angefochtenen Bescheides "samt wesentlicher Begründung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis" erfolgte, nicht jedoch, welchen Inhalt die Begründung hatte.)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 220.321/0/32Z-I/02/00, betreffend §§ 78 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung vom "samt wesentlicher Begründung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis" verkündeten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom , mit dem sein Asylantrag abgewiesen und ihm Refoulementschutz verweigert worden war, gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab.

Eine Begründung dieses Bescheides ist im Verhandlungsprotokoll vom nicht enthalten und es erfolgte bisher keine Bescheidausfertigung.

Gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Für das im Beschwerdefall noch maßgebliche Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat galten vorrangig - wie sich aus

Artikel 129c Abs. 1 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 und aus Artikel II Abs. 2 Z 43a EGVG idF vor dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, ergibt - die besonderen Bestimmungen der §§ 67a ff AVG über das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten.

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar - wenn möglich - sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Gemäß § 67g Abs. 3 AVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen. Diese Regelung stellt im Verhältnis zu § 62 Abs. 3 AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (und damit auch für jenes des unabhängigen Bundesasylsenates) eine Sonderregel mit der Bedeutung dar, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre. Davon unberührt bleibt § 62 Abs. 2 AVG, wonach der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/20/0596).

Unabhängig von der Einhaltung dieser Verpflichtung ist der in Beschwerde gezogene Bescheid bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent geworden, sodass gegen ihn zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte. Das Fehlen einer Wiedergabe der Begründung im Protokoll über die Verkündung des Bescheides hat somit auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. die Nachweise im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0404).

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 67 AVG ist von der Berufungsbehörde der Spruch des Bescheides aber auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird. Gemäß § 60 leg. cit. sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Niederschrift über die Verhandlung vom ist zwar zu entnehmen, dass die Verkündung des Spruches des angefochtenen Bescheides "samt wesentlicher Begründung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis" erfolgte, nicht jedoch, welchen Inhalt die Begründung hatte. Da der angefochtene Bescheid entgegen der dargestellten Bestimmung des § 67g Abs. 1 AVG keine inhaltliche Begründung aufwies, war der Beschwerdeführer an einer entsprechenden Geltendmachung seiner Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof gehindert. Darin ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor der belangten Behörde zu erblicken, der bis zur vorliegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geheilt worden ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0258; ebenso das zitierte Erkenntnis vom ).

Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
B-VG Art129c Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §89;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters
Begründung Begründungsmangel
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel
als wesentlicher Verfahrensmangel
Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrecht AVG VStG VVG VwGG
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2008200448.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-82387